Drive & Dreams „Perfektion ist kein Ziel – sondern ein Weg“

„Perfektion ist kein Ziel – sondern ein Weg“

Bovensiepen Zagato – wenn bayerische Ingenieurskunst, italienisches Design und japanische Philosophie aufeinandertreffen.

Das Projekt Bovensiepen Zagato ist mehr als nur ein Fahrzeug – es ist das Ergebnis einer außergewöhnlichen Zusammenarbeit: bayrische Präzision, Mailänder Formensprache und die kreative Handschrift eines japanischen Stardesigners verschmelzen zu einem automobilen Gesamtkunstwerk.

Doch wie funktioniert die Zusammenarbeit zwischen Ingenieuren in bayerischen Lederhosen und Designern in italienischen Maßanzügen? Zwei Kulturen, die auf den ersten Blick nicht unterschiedlicher sein könnten – und doch gemeinsam ein Projekt von seltener Tiefe und Raffinesse auf die Straße bringen.

Ein Gespräch mit Andrea Zagato über vertikales Denken, horizontale Kreativität – und die Kunst, ein diverses, internationales Team nicht nur zu führen, sondern zu inspirieren.

Herr Zagato, Ihre Marke steht seit über 100 Jahren für handgefertigte Automobile mit Seele – mit Stil, Präzision und einer fast philosophischen Tiefe. Wie schaffen Sie es, ein Team aus bayrischen Ingenieuren und italienischen Designern so erfolgreich zu führen?

Indem ich ihre Unterschiede respektiere – und bewusst kombiniere.

Die Deutschen sind vertikale Denker: strukturiert, präzise, konsequent. Sie streben nach Perfektion – in jedem Detail. Das ist Ihr Erfolgsrezept, das machte Made in Germany so erfolgreich. Die Italiener dagegen sind horizontal: kreativ, emotional, flexibel. Sie denken in Kurven, nicht in Linien. Diese beiden Denkarten scheinen auf den ersten Blick unvereinbar. Aber zusammen? Sind sie unschlagbar.

Das klingt fast nach einer Lebensphilosophie.

Ist es auch. In Italien leben wir „la dolce vita“. Wir glauben nicht an Perfektion – sondern an Glück, an Überleben, an Leidenschaft. Die Deutschen hingegen glauben an den perfekten Plan. Wenn Sie diese zwei Mentalitäten in einem Raum vereinen, kann etwas wunderbar Neues entstehen: Struktur trifft auf Spontaneität. Kontrolle trifft auf Intuition. Daraus entsteht Innovation.

Sie vergleichen das oft mit dem Bogenschießen. Warum?

Ich liebe dieses Bild, weil es das kulturelle Denken so gut beschreibt.

Ein Japaner – ähnlich wie ein Deutscher – wird sagen: Nicht das Ziel zählt, sondern der Weg dorthin. Der Fokus liegt auf der Technik, auf dem Prozess.

Ein Italiener hingegen fragt: „Haben wir getroffen?“ – Das Wie ist nebensächlich.

Beide Haltungen haben ihre Berechtigung. Die Kunst besteht darin, sie zu verbinden.

Und wie setzen Sie das in Ihrem Team um?

Indem ich Menschen einstelle, die anders denken. Unser Chefdesigner Nori ist ein wunderbares Beispiel: Er hat fernöstliche Philosophie in Japan studiert, dann Automobildesign in Pasadena, Kalifornien. Er ist kein Skizzen-Feuerwerker. Er denkt zuerst tief. Langsam. Strukturiert. Und bringt dann zwei völlig unterschiedliche Lösungen auf den Tisch – brillant, durchdacht.

Ein typischer italienischer Designer würde 20 Skizzen machen – alles lebendig, spontan, oft genial. Nori denkt wie ein Bogenschütze. Und das ist gut so.

Was bedeutet das konkret für die Teamarbeit?

Mein Team ist eine bewusste Mischung aus vertikal und horizontal Denkenden.

Nur so können wir erfolgreich in unseren Projekten mit Menschen auf der ganzen Welt kommunizieren. 

Für mich ist São Paulo einer der meist horizontalen und kosmopolitischsten Orte der Welt ist. Offen, kreativ, divers – das ist der Gegenpol zu japanischer Disziplin. Genau dort ist mein Vertriebschef Marcel geboren, als Sohn eines japanischen Vaters und einer italienischen Mutter. Was seine Erfahrungen noch vielfältiger und breiter macht, ist die Tatsache, dass er in Deutschland aufwuchs und dort sein Studium als Maschinenbauingenieur abschloss. Deshalb ist er ein wichtiger Teil meines Teams.

Ein großartiges Team entsteht nicht durch Gleichheit, sondern durch Unterschiedlichkeit – gepaart mit Respekt und Neugier.

Das klingt sehr modern – fast schon wie ein Start-up-Mindset im traditionellen Coachbuilding.

Ganz genau. Wir bauen seit 106 Jahren Autos – aber unser Denken ist zeitlos und immer nach vorne gerichtet, wir waren in den 80ziger Jahren eines der ersten Unternehmen die CAD einsetzten, da hatten viele unsere Kunden noch nicht einmal Computer, (lacht).

Eine starke Marke braucht eine starke Identität, aber auch ein offenes Team.

Ich sehe mich nicht als Chef, sondern als Mentor, als Storyteller. Ich höre zu. Ich vertraue. Ich lasse zu, dass andere besser sind als ich – in ihren Bereichen.

Ihr Vertriebschef Marcel Yoshida hat Sie als „Leader, Mentor, Meister“ beschrieben. Er sagt, mit Ihnen zu arbeiten sei „kein Job, sondern Leidenschaft leben“.

Marcel ist ein kluger Mann, deshalb habe ich ihn zu uns geholt.

Am Ende geht es im Design – wie im Leben – darum, etwas Echtes, greifbares zu erschaffen.

Kein Blender-Design. Kein PowerPoint-Innovationstheater. Sondern echte Fahrzeuge, die über eine lange Zeit Geschichten erzählen.

Und diese Geschichten entstehen nur dann, wenn Menschen sich verstanden, gehört und gebraucht fühlen. Das ist kein Management-Trick. Das ist Menschlichkeit.

Also, keine One-Man-Show?

Nie. Ich bin nur ein Teil des Ganzen.

Ein Team lebt davon, dass jeder seine Perspektive einbringen darf. Dass Designer, Ingenieure, Philosophen und Vertriebler miteinander reden – nicht übereinander.

Und ja, bei Zagato sind wir ein Familienunternehmen. Im doppelten Sinne.

Wir sind nicht alle gleich – aber wir glauben an dasselbe.