Finance & Freedom Betreutes Banking

Betreutes Banking

Welchen Einfluss die BaFin auf das Wachstum deutscher Neobanken besitzt und ob die Behörde strenger ist als ihre ausländischen Pendants, möchte N26 nicht beantworten – verständlicherweise. Denn: Wer springt schon demjenigen in die Beine, der am längeren Hebel sitzt? Immerhin konstatiert der Sprecher dann doch: „Die Innovationskraft muss durch bessere Rahmenbedingungen weiter gestärkt und ungenutzte Potenziale müssen entfaltet werden.“ Es gelte, den Zugang zu Kapital und ausländischen Fachkräften zu erleichtern, bürokratische Hürden abzubauen und ein besseres Umfeld für Unternehmensgründungen zu schaffen. Nur so könne Deutschland international wettbewerbsfähig bleiben. Trade Republic und N26 sind nicht die einzigen Neobanken, die Bekanntschaft mit der BaFin gemacht haben. Weitere prominente Fälle sind beispielsweise FlatexDegiro, C24 und Solaris. Letztere kämpft in diesen Tagen ums Überleben.

Nur ein Kulturkampf?

Die BaFin rechtfertigt ihr striktes Vorgehen so: „Manche junge Unternehmen müssen erst ein Verständnis dafür entwickeln, dass funktionierende Kontrollsysteme essenziell sind. Wir unterstützen sie dabei.“ Viele Fintechs und Neobanken seien zudem bestrebt, die Kosten niedrig zu halten. „Aber bei der Installation der notwendigen Prozesse und dem Aufbau von Ressourcen und Kontrollsystemen, die zweifellos viel Geld kosten, sollte niemand sparen.“ Alle Regeln würden für den traditionellen Sektor genauso wie für frische, innovative Unternehmen gelten. Das Problem: Junge Firmen stehen vor anderen Herausforderungen, als etablierte Player.

Konrad Greilich, Experte für Banking und Financial Services bei Bitkom, sieht die Herausforderungen für Neobanken im globalen Kontext. „Europäische Banken operieren in einem fragmentierten Markt mit unterschiedlichen nationalen Regularien, während US-Banken von einem größeren Heimatmarkt mit einem integrierten Kapitalmarkt, einheitlicher Regulierung und einer höheren Risikobereitschaft der Investoren profitieren.“ Dadurch könnten sie schneller wachsen und höhere Bewertungen erzielen. Ein US-Präsident Donald Trump dürfte den Abstand eher vergrößern als verkleinern, schließlich möchte er die Finanzmarktregulierung lockern. Erste Anzeichen gibt der Krypto-Markt. „Gleichzeitig könnte eine protektionistischere Handelspolitik europäischen Banken den Zugang zum US-Markt erschweren“, und „dadurch könnte sich der Abstand weiter vergrößern“, warnt Greilich.

Auch klassische Banken würden wohl von der Deregulierung profitieren. Und so schnellten die Aktien der großen Wallstreet-Banken bereits am Tag nach der US-Wahl in die Höhe. Dass es sich hierbei um mehr als um großspurige Ankündigungen im Trump-Stil handeln dürfte, liegt an der republikanischen Mehrheit im US-Kongress. Die Lehren der globalen Finanzkrise 2008? Würden dann geopfert. Damals gab die Pleite der US-Investmentbank Lehman Brothers den Startschuss zu einem weltweiten Dominoeffekt. Viele Menschen verloren viel Geld. Regulierungen und Sicherheitsmechanismen waren die längst nötige Konsequenz, damit sich eine vergleichbare finanzielle Katastrophe nicht wiederholt. Donald John Trump setzt hingegen auf die ungezügelte Freiheit. Ronnie Reagan würde es freuen. Am liebsten würde der US-Präsident auch die Kontrolle über die unabhängige US-Notenbank Fed übernehmen. Das wäre ein Tabubruch, aber es wäre nicht der erste.

Im internationalen Vergleich gilt die BaFin als eher konservativ, besonderes im Sujet  Lizensierung und Risikomanagement. „Die Aufsichtspraxis der BaFin setzt vor allem auf Risikovermeidung“, ordnet Experte Greilich die Richtung der Behörde ein. Zudem setze der deutsche Gesetzgeber europäisches Recht regelmäßig sehr streng um. Für Start-ups, die schnell skalieren wollen und Risikobereitschaft in ihrer DNS tragen, können sich diese Faktoren zu einem toxischen Cocktail entwickeln. Laut einer Bitkom-Umfrage fühlt sich mehr als die Hälfte der deutschen Fintech-Gründer gegenüber EU-Mitbewerbern benachteiligt. Und über 70 Prozent der Befragten fordern sogar ein harmonisiertes Lizensierungsverfahren innerhalb der EU.

Mehr Markt wagen?

„Um ein angemessenes Gleichgewicht zu finden und bürokratische Hürden abzubauen, sollte die Aufsicht auf ein gezielteren und institutionalisierten Dialog mit Fintechs und Neobanken setzten“, empfiehlt der Bitkom-Experte. Dazu kommt eine weitere Herausforderung für junge Banken: zu wenig Risikokapital in Deutschland. Innovative Unternehmen, auch im Krypto-Bereich, würden bereits abwandern, denn die Rahmenbedingungen für Fintechs und ihre Gründer seien in anderen Ländern – auch innerhalb Europas – teils attraktiver.

Auch Gunter Tillmann, Leiter Banken und Kapitalmärkte im Beratungshaus EY, blickt mit Sorge über den Atlantik. „Unsere halbjährliche Analyse der Marktkapitalisierung europäischer Banken im Vergleich zu der Marktkapitalisierung der größten Banken an den US-Kapitalmärkten zeigt, dass Europas Banken bereits heute weit hinter den amerikanischen Banken liegen. Die Ankündigung von Mr. Trump, den Bankensektor weiter zu deregulieren, Bürokratie abzubauen und den Klimaschutz hintenanzustellen, werde den Abstand weiter vergrößern.“ Doch was tun? Kapitalanforderungen maßlos lockern und damit einen Crash riskieren? Die BaFin ist wichtig, denn sie schützt das Geld der Anleger. Ohne sie könnten zwielichtige Geschäftspraktiken Schule machen. Gleichzeitig reguliert sie eisern, während amerikanische Banken immer größere Freiheiten bekommen. Dieses Gefälle birgt Sprengstoff.

„Mehr Transparenz, schnellere digitale Genehmigungsprozesse und feste Ansprechpartner könnten den Markteintritt und das Wachstum von Neobanken in Deutschland erleichtern“, sagt Experte Greilich. Bei Trade Republic gibt man sich bewusst entspannt: Einen engen und partnerschaftlichen Austausch mit der BaFin stünde auf der Tagesordnung. Hoffentlich guckt sich die BaFin bei dieser Gelegenheit ein bisschen Start-up-Mentalität ab. Denn eins ist klar: Die weltweiten Finanzmärkte warten nicht auf tiny Germany.

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