Finance & Freedom INTERVIEW: Von VC zu PE – Florian Heinemann über die Evolution des klassischen VC Modells

INTERVIEW: Von VC zu PE – Florian Heinemann über die Evolution des klassischen VC Modells

Florian Heinemann hat die deutsche Tech-Szene von der ersten Dotcom-Welle bis zur Hybridisierung von Venture Capital und Private Equity maßgeblich mitgestaltet. Als Mitgründer von JustBooks (später verkauft an Amazon), ehemaliger Managing Director bei Rocket Internet und Founding Partner von Project A Ventures ist er an über 80 Angel-Investments und zahlreichen LP-Beteiligungen beteiligt. Auf der OMR sprach er mit Host Sherin Maruhn über 25 Jahre Start-up-Erfahrung – und warum Project A heute nicht mehr nur in Frühphasen, sondern auch in Buy-outs investiert.


Sherin:
 Florian, du bist 1999 in die erste Gründerwelle eingestiegen. War das Zufall oder Strategie?

Florian:
 Eher Zufall. Während meines Studiums an der WHU entstand die Idee zu JustBooks, einem Marktplatz für gebrauchte Bücher, der später Teil von Amazon wurde. Ich war 23, hatte keine großen Verpflichtungen und dachte: Wenn nicht jetzt, wann dann?


Sherin:
 Danach ging’s für dich zu Rocket Internet. Was hast du aus dieser Zeit mitgenommen?

Florian:
 Rocket war eine Schule in Execution. Geschwindigkeit und operative Exzellenz standen über allem. Das funktionierte besonders in Märkten mit klaren Vorbildern – also Copy-and-Scale-Modelle. Aber langfristig habe ich gelernt: Ohne technologische Tiefe und elegante Produkte bleibt Wachstum flach. Execution ohne starkes Produkt und technologischer Substanz skaliert nicht nachhaltig.


Sherin:
 2012 kam dann der nächste große Schritt: die Gründung von Project A. Was war die Idee dahinter?

Florian:
Der VC-Markt wurde kompetitiver – Kapital allein war kein Alleinstellungsmerkmal mehr. Wir hatten operatives Know-how in Bereichen wie B2C, Data und Tech. Die Idee war, dieses Wissen systematisch als Mehrwert anzubieten, jedoch so, dass Gründer:innen es freiwillig nutzen können.


Sherin:
Inzwischen seid ihr mehr als nur ein VC – ihr macht auch Buy-outs. Wie kam es dazu?

Florian:
Der Impuls kam 2018 durch eine Anfrage von EQT, die operatives Digital-Know-how für ein Portfolio-Unternehmen suchten. Wir boten unser Team an und investierten mit. Dabei erkannten wir, dass PE Deals gut funktionieren und schneller DPI liefern können als VC Deals. Also haben wir die Assets getrennt und ein eigenes PE-Vehikel aufgebaut – mit einem separaten Investment Committee, aber demselben operativen Team.


Sherin:
Wir sehen gerade, dass amerikanischer VC-Fonds wie Lightspeed, Sequoia und a16z als Registered Investment Adviser ähnlich diversifizieren und neben PE auch in Secondaries und Public Assets investieren. Droht Venture den Fokus zu verlieren oder ist das ein klarer Strategiewechsel?


Florian:
Ich sehe das eher als eine Erweiterung von Venture. Wir glauben nicht mehr an das reine „one-size-fits-all“-VC-Modell. Heute sagen wir, wir optimieren nicht mehr auf die Rendite jedes einzelnen Dollars, sondern betrachten das Gesamtkonstrukt. Die AUM sehen wir als Fee Generation Engine – mit dem Ziel, eine hinreichende Rendite zu erzielen und eine breitere LP-Basis anzusprechen.


Sherin:
 Aber verwässert so ein hybrider Ansatz nicht den Fokus?

Florian:
 Das Risiko besteht, wenn man alles vermischt. Deshalb trennen wir strikt: unterschiedliche Fonds, klare Teams, definierte Strategien. Unser VC-Team denkt in Early-Stage, unser PE-Team in Buy-out-Logiken. Die Synergien entstehen auf operativer Ebene – nicht in der Kapitalallokation.

Sherin:
 Ist das die Zukunft von Fondsmodellen?

Florian:
 Ich denke, dass es mehr Fonds geben wird, die verschiedene Assetklassen abbilden – aber sauber getrennt managen. Das erfordert Governance, aber auch Flexibilität im Denken. Für uns ist das eine Antwort auf Marktzyklen und veränderte LP-Erwartungen.


Sherin:
Wie schaust du auf neue Modelle und die Evolution von Venture, wenn du die aktuellen Marktbedingungen betrachtest? 

Florian:
 Mich treibt vor allem die Frage um: Habe ich ein systemisches Problem – oder nur ein zyklisches Marktproblem? Muss ich mein Modell grundlegend hinterfragen, oder geht es nur darum, mich an die temporären Marktbedingungen anzupassen?

Wir Menschen neigen zu Schnellschüssen. Deshalb ist es essenziell, erstmal durchzuatmen, Marktzyklen einzuordnen – und das eigene Denkmodell in Ruhe zu challengen. Habe ich eine saubere Logik, eine belastbare Struktur? Oder versuche ich gerade, in einem Gegenwind etwas zu optimieren, das an sich gar nicht falsch ist?

Sherin:

Du bist in über 50 Fonds als Limited Partner investiert und hast einen guten Überblick über den europäischen VC-Markt. Was für eine Stimmung herrscht aktuell?

Florian:

Wir spüren im VC-Markt eine gewisse Unruhe und bei einigen eine große Nervosität. Es gibt Fonds, die ohne institutionelle Investorenbasis unterwegs sind – und für die ist es in der aktuellen Kapitalmarktsituation extrem schwierig. 

Es gehört bei jedem guten Fondsmanager und erfolgreichen Unternehmer auch immer Glück dazu und unterstützende Makrotrends, die dabei helfen, auf eine gewisse Flughöhe zu kommen. Das gilt für Gründer:innen genauso wie für Fondsmanager:innen. Und am Ende hilft: auf die eigene Intuition und das richtige Mindset vertrauen – ohne dabei betriebsblind zu werden.


Sherin:
Bester Rat aus 25 Jahren Tech-Szene?

Florian:
Fokussiere dich auf Beziehungs- und nicht auf Transaktionsmenschen. 

Transaktionsoptimierer müssen jede Situation zu ihrem Vorteil drehen – Relationship-Damage egal. Beziehungsoptimierer wissen, dass Beziehungen ihren Wert haben. Mit letzteren willst du investieren und arbeiten.


Sherin:
 Drei Take-aways für angehende Operator-VCs?

Florian:

  1. VC & PE sind kein Widerspruch. Wer sauber trennt und strategisch strukturiert, kann beides sinnvoll verbinden.
  2. Tech-Eleganz schlägt Execution. Ohne differenziertes Produkt kein nachhaltiger Vorsprung.
  3. Optionaler Support ist Gold. Nicht aufzwingen – sondern anbieten. Nur so bietet man Mehrwert.

Sherin:
 Danke für die ehrlichen Einblicke!

Florian:
 Danke dir, Sherin.