Finance & Freedom Krankenversicherung vor dem Kollaps: Experten warnen vor massivem Beitragsanstieg bis 2027

Krankenversicherung vor dem Kollaps: Experten warnen vor massivem Beitragsanstieg bis 2027

Versicherungsfremde Leistungen auf dem Prüfstand

Die Experten sind sich einig, dass die Finanzierung versicherungsfremder Leistungen grundlegend reformiert werden muss. Dr. Ralf Langejürgen vom BKK Landesverband Bayern beziffert den jährlichen Verlust der Versicherungen durch gesamtgesellschaftliche Aufgaben auf rund 21 Milliarden Euro. Er fordert ein sofortiges „Ausgabenmoratorium“ und die vollständige Übernahme versicherungsfremder Leistungen durch den Staat.

Bayerns Gesundheitsministerin Judith Gerlach unterstützt diese Position: „Künftig müssen deutlich höhere Bundeszuschüsse zu versicherungsfremden Leistungen gezahlt werden.“ Zu diesen Leistungen zählen unter anderem die beitragsfreie Mitversicherung nicht berufstätiger Familienmitglieder, Mutterschaftsgeld und Krankengeld bei der Betreuung erkrankter Kinder. Gerlach betont: „Ohne Steuerzuschüsse wird es in Zukunft nicht gehen.“

Systemische Neuausrichtung und Prävention

NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann fordert die „Einführung eines verbindlichen Primärarztsystems“ für mehr Effizienz. Patienten müssten künftig zuerst den Hausarzt konsultieren, der dann über die Notwendigkeit von Facharztbesuchen entscheidet. Gleichzeitig betont er, dass „umfangreiche Strukturreformen“ anstehen, da genügend Geld im System sei, dieses jedoch zielgenauer eingesetzt werden müsse.

CDU-Gesundheitsexperte Hendrik Streeck plädiert für eine fundamentale „Gesundheitswende – weg vom Reparatursystem, hin zu einem System, das Gesundheit belohnt und nicht mehr Krankheit.“ Er fordert verstärkte „Investitionen in Prävention und Vorsorge für gesunde Lebensweisen“ und schlägt vor, Vorsorgeuntersuchungen für Erwachsene auszuweiten, um kostenintensive Krankheitsverläufe frühzeitig zu verhindern.

Wirtschaft warnt vor steigenden Lohnnebenkosten

Die drohenden Beitragserhöhungen alarmieren auch die Wirtschaft. Johannes Pöttering, Hauptgeschäftsführer von „Unternehmer Nordrhein-Westfalen“, warnt eindringlich: „Jetzt angesichts der prekären Finanzlage der Krankenkassen erneute Beitragserhöhungen oder das Anheben der Beitragsbemessungsgrenzen ins Auge zu fassen“ würde „die ohnehin schon weltweit höchsten Lohnzusatzkosten weiter in die Höhe treiben.“

SPD-Gesundheitsexperte Christos Pantazis fordert die entschlossene Weiterentwicklung begonnener Reformen wie der Krankenhausstrukturreform, um explodierende Beiträge zu verhindern und die Wirtschaft nicht zusätzlich zu belasten.

Die Finanzierungskrise der gesetzlichen Krankenversicherung erfordert ein umfassendes Reformpaket, das weit über kurzfristige Maßnahmen hinausgeht. Die Expertenvorschläge zeigen deutlich: Eine nachhaltige Lösung muss bei der Systemstruktur ansetzen – von der Reduzierung der Kassenanzahl über die Neuverteilung von Finanzierungsverantwortung bis hin zur Stärkung präventiver Ansätze.

Ohne tiefgreifende Veränderungen droht nicht nur eine massive Mehrbelastung für Versicherte und Arbeitgeber, sondern auch eine Gefährdung der wirtschaftlichen Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands. Die Politik steht nun unter Zugzwang, die strukturellen Probleme anzugehen, bevor die prognostizierte Finanzierungslücke Realität wird. Die kommenden Monate werden zeigen, ob der politische Wille für diese Kraftanstrengung vorhanden ist.

Quelle: „Bild“

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