Finance & Freedom Lars Klingbeil und seine Steuerpläne: Warum ich ihn gern mal in die Schweiz einladen würde

Lars Klingbeil und seine Steuerpläne: Warum ich ihn gern mal in die Schweiz einladen würde

Der Finanzminister orakelt über Steuererhöhungen. Bevor er sich dafür entscheidet, würde unser Autor ihn gern zu einem Schulterblick ins Nachbarland einladen. Vom Steuersystem der Eidgenossen ließe sich einiges abschauen.

Lars Klingbeil zettelt eine Steuerdiskussion an, und da er Finanzminister ist, hat er in dieser Sache etwas zu sagen. Natürlich will er nicht weniger, sondern, mehr Steuereinnahmen. Das war zwar anders abgemacht im Koalitionsvertrag, aber dass der ein Dokument ist, das ich mit Alt+Entfernen markieren kann, habe ich schon gemerkt.

Dass unser Finanzminister spätestens im nächsten Jahr zum ersten Mal die unvorstellbare Summe von mehr als einer Billionen Euro einnehmen wird, und eigentlich mal richtig was springen lassen könnte, ist ihm wahrscheinlich auch gar nicht so bewusst. Dass die Steuereinnahmen beispielsweise in diesem Juni um 7,3 Prozent gegenüber dem Vorjahr gestiegen sind und die Schuldenbremse auch nicht mehr zieht – Schwamm drüber. Der Mann will an mein Portemonnaie.

Natürlich macht er das so, dass die eigenen Leute nicht fürchten müssen, er wolle an ihres. Nein, er appelliert an meine starken Schultern, die nebenbei schon vier Kinder getragen haben, und sagt mir, dass ich doch als Besserverdienender mehr Verantwortung übernehmen müsse. Das sei eine Frage von Solidarität und Gerechtigkeit. Natürlich weiß er als SPD-Politiker, dass der Mechatroniker in der VW-Garage auch nicht schlecht verdient und rechnet deswegen die Steuertarife haarscharf so aus, dass mein Freund, der Garagist, verschont bleibt, aber ich, sein Kunde, nicht.

Natürlich verschont er auch andere in diesem Land, die seine Fans sein könnten. Rentner zum Beispiel dürfen auf gar keinen Fall irgendwie betroffen sein. Dabei verschlingt der staatliche Zuschuss an die Rentenkasse seit Jahren einen außerordentlichen Teil von den Steuern, die ich zahle. Ich meine, solange sich hier kein Politiker rantraut, hat eigentlich jeder Finanzminister das Recht verloren, über Steuererhöhungen zu sinnieren. Gerade hat die Regierung etwas beschlossen, das sie „Rentenreform“ nennt, was aber meinen  Steuerzuschuss unterm Strich noch weiter erhöht. Mir will das nicht in den Kopf.

Ich denke, wenn ich spürbar mehr bekäme für mein Steuergeld, oder auch nur überblicken könnte, wohin es fließt, würde ich vielleicht mehr bezahlen. Aber ich muss gerade meinem Sohn wieder die jährliche Schulausrüstung bezahlen, ich stehe auf der A2 im Stau und mit der Bahn von Berlin nach Düsseldorf habe ich neulich zehn Stunden gebraucht. Ich glaube, ich würde sogar fast gern mehr Steuern bezahlen, wenn Ankommen in Deutschland dann planbar wäre.

Ich habe mal in der Schweiz gelebt, wo das gut planbar ist. Ich sitze gerade in einem dieser famosen Züge nach Zürich, alte Freunde treffen, und muss mich mit dem Text hier sputen, denn der Zug läuft pünktlich an dem schönen Bahnhof mit der Markthalle darin ein. Eigentlich hätte ich den Lars Klingbeil gerne mitgenommen, denn ich ahne, er ist privat ein cooler Typ, und wir verfallen heute Abend sicher wieder in so einen Systemvergleich zwischen der Schweiz und uns hier.

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