Finance & Freedom Lars Klingbeil und seine Steuerpläne: Warum ich ihn gern mal in die Schweiz einladen würde

Lars Klingbeil und seine Steuerpläne: Warum ich ihn gern mal in die Schweiz einladen würde

Meine Schweizer Freunde sind nicht sauer, wenn ich ihr Land einen Bauern- und Bürgerstaat nenne. Wir Deutschen kommen im Unterschied dazu aus einer feudalen, höfischen Gesellschaftsordnung – und die Geschichte führt zu einem Unterschied bis ins heutige Steuersystem. Im Land der Bauern und Bürger bekommt jeder sein Gehalt ohne Abzüge vollständig ausgezahlt. Und nach zwölf Monaten meldet sich der Gemeindesteuersekretär und fragt, was man denn verdient habe, er wolle gern die Steuern berechnen. In meinem Fall war das immer ein fröhlicher Herr Mayer, und als ich ihm sagte, ich habe gerade kein Geld für seine Steuern, hat er geantwortet, das mache gar nichts. Ich könne gegen einen günstigen Zins in Raten zahlen – was wir dann auch so vereinbart haben. Seither empfinde ich es in Deutschland immer ein bisschen bevormundend, dass mir als Angestellter erstmal alles, von dem der Staat meint, dass es ihm gehört, abgezogen wird, und ich mich dann jahrelang mit Hilfe von Profis, die auch daran verdienen, damit beschäftige, zu viel Gezahltes zurückzuholen. Ich finde, das Schweizer System ist ein Vertrauensvorschuss, das deutsche ein Misstrauensantrag gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern. Das eine ist Partnerschaft, das andere Obrigkeitsdenken. Was sagen Sie, Herr Klingbeil?

Als Deutscher in der Schweiz durfte ich bei Volksabstimmungen nicht wählen. Aber ich habe mich immer sehr dafür interessiert und die Freunde gelöchert, was denn so abgeht in einer eidgenössischen Wahlkabine. Wenn wir Außenstehende davon etwas mitbekommen, sind es ja nur die ganz großen Entscheidungen: EU-Beitritt ja oder nein, oder: Wie geht es weiter mit der Neutralität? Aber deswegen gehen Frau und Herr Schweizer gar nicht unbedingt in die Kabine. Nein. Auf dem Wahlzettel finden sich regelmäßig auch die kleinen Entscheidungen: Soll das Schwimmbad in meiner Gemeinde für fünf Millionen Franken repariert werden? Soll wirklich die Hauptstraße im Dorf für 2,5 Millionen Franken neu asphaltiert und mit Radweg und Baumbesatz ausgerüstet werden? Als Einwohner weiß ich: Wenn ich hier mit „Ja“ stimme, steigt mein persönlicher Steuersatz. In der Schweiz landet das allermeiste Steuergeld in der Kommune, danach kommt der Kanton und erst dann der Bund. Deswegen war mein Herr Mayer von der Gemeinde auch immer so engagiert am Telefon. In Deutschland wird das meiste Geld über den Bund verteilt. Das eine ist gelebter Föderalismus, das andere hat etwas Postfeudales. Das eine führt zu Wettbewerb unter den Kommunen und Kantonen um die besten Steuerzahler, im anderen System haben Steuerzahler und Steuerbehörde oft ein Beziehungsproblem.

Jetzt ist die Schweiz alles andere als ein Paradies, und es ist sündhaft teuer, dort zu leben. Vieles geht heftig ins Geld: Vom Kindergarten, den wir damals nicht bezahlen konnten, über Autobahnen, die Gebühr kosten, bis zu Restaurantpreisen, wo ich immer dachte: nein, ich wollte nicht das ganze Wirtshaus reservieren, sondern nur das Menü bestellen. Insofern, lieber Herr Klingbeil, könnten sie wirklich mitkommen heute Abend und die Rechnung übernehmen. Ich fände das solidarisch von ihnen.

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