Finance & Freedom Mittelschicht-Mythos: Warum sich selbst Reiche arm fühlen

Mittelschicht-Mythos: Warum sich selbst Reiche arm fühlen

Warum wir Reichtum falsch einschätzen

Die Fehleinschätzung beim Thema Reichtum ist besonders ausgeprägt. Laut Busemeyers Studie von 2022 verschätzen sich die Menschen hier um fast die Hälfte – sie setzen die Schwelle zum Einkommensreichtum deutlich zu hoch an. Gleichzeitig überschätzen sie den Anteil reicher Menschen in der Gesellschaft massiv.

Armut hingegen können die meisten akkurater einordnen. Der Experte erklärt dies damit, dass Menschen bei Armut eher auf eigene Erfahrungswerte zurückgreifen können. Außerdem sei der „Begriff Reichtum schwerer zu greifen“.

Neue Definition schafft Klarheit

Die IW-Experten kritisieren, dass oft nur das mittlere Einkommen (Median) zur Definition der Mittelschicht herangezogen wird. Ihre präzisere Alternative: Ein bedarfsgewichtetes Haushaltsnettoeinkommen zwischen 80 und 150 Prozent des Medians definiert die Mittelschicht. Die untere Mitte liegt bei 60 bis 80 Prozent, die obere Mitte bei 150 bis 250 Prozent.

Diese klare Definition hilft, die eigene finanzielle Position realistischer einzuschätzen – und räumt mit dem verbreiteten Irrtum auf, dass Reichtum erst bei Millioneneinkommen beginnt.

Ausblick

Die verzerrte Selbstwahrnehmung hat gesellschaftliche Folgen. Wenn sich wohlhabende Menschen fälschlicherweise der Mittelschicht zuordnen – wie einst Friedrich Merz mit seiner berühmten Aussage – verzerrt dies die politische Debatte über Steuergerechtigkeit und Vermögensverteilung.

Für die Zukunft wird entscheidend sein, ob es gelingt, ein realistischeres Bild der Einkommensverteilung in Deutschland zu vermitteln. Nur mit einem klaren Verständnis der tatsächlichen Verhältnisse lassen sich wirksame Maßnahmen gegen wachsende Ungleichheit entwickeln. Die aktuellen Berechnungsmethoden des IW könnten dabei helfen, die Diskussion zu versachlichen und die Mythen rund um Reichtum und Mittelschicht zu entzaubern.

Häufig gestellte Fragen zum Thema „Einkommensverteilung in Deutschland“

  • Ab welchem Einkommen gilt man in Deutschland als reich? Eine vierköpfige Familie (zwei Erwachsene, zwei Kinder unter 14) zählt mit einem monatlichen Nettoeinkommen über 12.140 Euro bereits zu den reichsten fünf Prozent der Bevölkerung. Diese Grenze liegt für viele überraschend niedrig.
  • Wie definiert sich die Mittelschicht in Deutschland? Nach Definition des Deutschen Instituts für Wirtschaft gehört eine vierköpfige Familie mit einem monatlichen Nettoeinkommen zwischen 3.880 und 7.280 Euro zur Mittelschicht. Dies entspricht 80 bis 150 Prozent des mittleren Einkommens.
  • Warum schätzen Menschen ihre finanzielle Position falsch ein? Studien zeigen eine „ausgeprägte Tendenz zur Mitte“ – Menschen aus allen Einkommensschichten ordnen sich ähnlich ein. Besonders Reichtum wird falsch eingeschätzt, da konkrete Erfahrungswerte fehlen und der Begriff schwerer zu greifen ist als Armut.

Quelle: BuzzFeed News Deutschland/IPPEN.MEDIA

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