Finance & Freedom Steuer-Paradox: Warum Topverdiener in Deutschland weniger zahlen

Steuer-Paradox: Warum Topverdiener in Deutschland weniger zahlen

Deutschland hat die zweithöchste Abgabenlast weltweit – aber nur für Normal- und Geringverdiener. Bei Spitzeneinkommen sinkt die Quote sogar. Ein Systemfehler mit Folgen für die Wirtschaft.

Deutschland trägt den zweifelhaften Titel als Vizeweltmeister der Abgabenlast – allerdings nur für die breite Mittelschicht und Geringverdiener. Ausgerechnet bei Spitzeneinkommen passiert etwas Ungewöhnliches: Die Abgabenquote sinkt, statt weiter zu steigen.

Dieses Phänomen macht Deutschland zum internationalen Sonderfall und wirft Fragen zur Verteilungsgerechtigkeit auf, wie aktuelle OECD-Daten belegen.

Der „Tax Wedge“ – Deutschlands unbequeme Wahrheit

Der sogenannte „Tax Wedge“ (Steuerkeil) zeigt, wie viel von den gesamten Arbeitskosten – also Bruttogehalt plus Arbeitgeberanteile – tatsächlich an Staat und Sozialkassen fließt.

Für einen deutschen Durchschnittsverdiener mit 55.000 Euro Jahresbrutto liegt dieser Wert bei 48 Prozent, wie laut einer Studie von „DataPulse Research“ aus OECD-Statistiken hervorgeht. Nur Belgien übertrifft Deutschland mit knapp 53 Prozent. Auch bei Geringverdienern mit halben Durchschnittseinkommen bleibt Deutschland mit 41 Prozent auf dem zweiten Platz der höchsten Abgabenlasten.

Die Anomalie: Sinkende Belastung bei Spitzeneinkommen

Das deutsche Steuersystem zeigt eine Besonderheit, die international einzigartig ist: Mit steigendem Einkommen sinkt ab einem bestimmten Punkt die prozentuale Abgabenlast.

Während bei 150 Prozent des Durchschnittseinkommens (etwa 82.500 Euro) der Tax Wedge noch bei 49,3 Prozent liegt, fällt er bei 250 Prozent des Durchschnittseinkommens (etwa 138.000 Euro) auf 47,9 Prozent. Laut „Focus“ ist Deutschland damit das einzige Land, in dem die Abgabenquote bei Spitzeneinkommen tatsächlich sinkt – in anderen Ländern steigt sie weiter oder stagniert zumindest.

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