Finance & Freedom Stromguthaben im Bürgergeld: Muss das Jobcenter zahlen?

Stromguthaben im Bürgergeld: Muss das Jobcenter zahlen?

Wer Bürgergeld bezieht und Strom spart, hat Anspruch auf das Guthaben – selbst wenn gleichzeitig Gasnachzahlungen anfallen. Das Bundessozialgericht hat die Verrechnungspraxis der Jobcenter gestoppt.

Sparsames Haushalten wird belohnt – auch beim Bürgergeld. Entgegen weit verbreiteter Annahmen übernimmt das Jobcenter keine Stromkosten für Leistungsempfänger. Diese müssen aus dem regulären Regelsatz bestritten werden. Wer hier bewusst Energie spart, hat jedoch Anspruch auf das resultierende Guthaben. Ein wegweisendes Urteil des Bundessozialgerichts stellt nun klar: Dieses Guthaben darf nicht mit Heizkostennachzahlungen verrechnet werden – selbst wenn beide Leistungen vom selben Anbieter kommen.

Doppelte Abrechnung, einfache Lösung?

Die Praxis sieht oft anders aus. Beziehen Bürgergeld-Empfänger Strom und Gas vom selben Anbieter – was eher die Regel als die Ausnahme ist – verrechnen Energieversorger automatisch Guthaben und Nachzahlungen. Laut „buergergeld.org“ stellt dies jedoch ein grundlegendes Problem dar: Während Stromkosten aus dem Regelbedarf zu zahlen sind, fallen Heizkosten unter die Kosten der Unterkunft, die das Jobcenter übernimmt.

Ein konkreter Fall zeigt die Problematik: Die Stadtwerke wiesen einer Familie im Bürgergeld-Bezug ein Stromguthaben von 611,79 Euro aus, während gleichzeitig eine Gasnachzahlung von 649,24 Euro anfiel. Der Versorger verrechnete beide Posten und stellte nur die Differenz von 37,45 Euro in Rechnung. Das Jobcenter übernahm lediglich diesen Betrag.

Gerichtliche Klärung: Sparsamkeit ist kein Einkommen

Die betroffene Familie wehrte sich und forderte die volle Übernahme der Gasnachzahlung, da das Stromguthaben ihnen zustehe. Wie „buergergeld.org“ berichtet, gab das Sozialgericht den Klägern Recht und stellte klar: Den Betroffenen darf durch den Bezug von Strom und Gas aus einer Hand kein Nachteil entstehen.

Die Richter begründeten ihre Entscheidung damit, dass bei getrennter Abrechnung das Stromguthaben den Leistungsempfängern anrechnungsfrei zugestanden hätte. Besonders wichtig: Laut „buergergeld.org“ betonte das Gericht, dass Einsparungen bei den Regelbedarfen nicht als Einkommen betrachtet werden dürfen. Die vom Versorger und Jobcenter vorgenommene Verrechnung käme praktisch einer Anrechnung des Guthabens als Einkommen gleich.

Bundessozialgericht bestätigt Anspruch

Der Kreis Schleswig-Flensburg akzeptierte die Entscheidung nicht und zog bis vor das Bundessozialgericht. Dieses bestätigte jedoch die Vorinstanz und stellte unmissverständlich klar: Heizkosten dürfen ausschließlich mit den Kosten der Unterkunft verrechnet werden.

Das Bundessozialgericht bekräftigte laut „buergergeld.org“, dass eine Heizkostennachzahlung nicht mit einem Stromguthaben verrechnet werden darf. Dies gilt selbst dann, wenn beide Lieferungen vom selben Anbieter bezogen und intern verrechnet werden. Die Verträge sind bei der Grundsicherung getrennt voneinander zu berücksichtigen, sodass die Nachzahlung für Heizkosten vom Leistungsträger in ungekürzter Höhe im Monat der Fälligkeit zu übernehmen ist.

Business Punk Check

Die Entscheidung des Bundessozialgerichts offenbart eine grundlegende Systemschwäche: Während Energieversorger betriebswirtschaftlich sinnvoll handeln, wenn sie Guthaben und Nachzahlungen verrechnen, kollidiert dies mit der künstlichen Trennung von Regelbedarf und Unterkunftskosten im Sozialsystem. Die Realität zeigt: Bürokratische Strukturen ignorieren oft wirtschaftliche Logik.

Für Bürgergeld-Empfänger bedeutet das Urteil einen wichtigen finanziellen Spielraum – wer sparsam wirtschaftet, wird nicht durch Verrechnungstricks bestraft. Gleichzeitig entsteht für Jobcenter ein erhöhter Verwaltungsaufwand, da sie nun gegen die Standardpraxis der Energieversorger arbeiten müssen. Die eigentliche Frage bleibt: Warum schafft es das System nicht, Energiekosten einheitlich zu behandeln und gleichzeitig Sparanreize zu setzen?

Häufig gestellte Fragen

  • Muss das Jobcenter die volle Gasnachzahlung übernehmen, auch wenn ich ein Stromguthaben habe?
    Ja, das Bundessozialgericht hat eindeutig entschieden, dass das Jobcenter die volle Gasnachzahlung übernehmen muss, unabhängig von einem vorhandenen Stromguthaben. Betroffene sollten bei Widerstand des Jobcenters auf das BSG-Urteil (B 7 AS 21/22 R) verweisen.
  • Wie sollten Bürgergeld-Empfänger vorgehen, wenn der Energieversorger Guthaben und Nachzahlungen verrechnet?
    Betroffene sollten die Originalabrechnung mit den ungekürzten Beträgen beim Jobcenter einreichen und explizit die vollständige Übernahme der Heizkosten beantragen. Bei Ablehnung empfiehlt sich ein schriftlicher Widerspruch mit Verweis auf das BSG-Urteil.
  • Welche wirtschaftlichen Vorteile bietet das Urteil für sparsame Bürgergeld-Empfänger?
    Sparsame Haushalte können durch bewusstes Energiesparen beim Strom ein Guthaben erwirtschaften, das ihnen nun garantiert zusteht. Dies schafft einen echten finanziellen Anreiz für nachhaltiges Verhalten und verbessert die oft angespannte Budgetsituation im Bürgergeld-Bezug.
  • Wie wirkt sich das Urteil auf die Abrechnungspraxis der Energieversorger aus?
    Energieversorger werden ihre Abrechnungspraxis voraussichtlich nicht ändern, da die interne Verrechnung betriebswirtschaftlich sinnvoll bleibt. Die Verantwortung liegt beim Jobcenter, die tatsächlichen Einzelbeträge zu ermitteln und entsprechend zu erstatten.
  • Welche Dokumente sollten Bürgergeld-Empfänger für den Fall einer Auseinandersetzung bereithalten?
    Betroffene sollten alle Originalrechnungen des Energieversorgers aufbewahren, insbesondere solche, die sowohl Strom- als auch Gasabrechnungen enthalten. Zudem ist es ratsam, die Aktenzeichen der relevanten Gerichtsurteile (B 7 AS 21/22 R und B 14 AS 185/10 R) griffbereit zu haben.

Quellen: „wmn.de“, „buergergeld.org“