Green & Generation Der Industriestrompreis lindert die Schmerzen, aber er bekämpft nicht die Krankheit

Der Industriestrompreis lindert die Schmerzen, aber er bekämpft nicht die Krankheit

Der Autor ist Co-Founder und CEO des CO2-Projekt-Finanzierers Planet2050. Mit einem subventionierten Energiestrompreis ist er nicht einverstanden, solange der nicht gleichzeitig Investitionen in den Klimawandel befördert.

Energie ist teuer. Und weil die USA und China ihre Industrie mit billiger Energie anschieben, muss Europa seinen Konzernen ebenfalls den Wind in den Rücken blasen. Die Bundesregierung plant deshalb ab 2026 einen stark subventionierten Industriestrompreis von etwa 5 Cent pro Kilowattstunde – bis Ende 2028. So etwas kostet Staat und Steuerzahler drei bis fünf Milliarden Euro und es kann ein wichtiges politisches Signal sein, dass wir unsere Industrie nicht im Regen stehen lassen. Aber die Diskussion darf nicht hier enden. Sonst verwechseln wir eine kurzfristige Entlastung mit echter Zukunftsfähigkeit.

Transformation statt Status quo

Bevor wir jedoch Milliarden in Preisdeckel stecken, müssen wir uns eine grundlegende Frage stellen: Wie sorgen wir dafür, dass diese Hilfen ein Turbo für die Klimatransformation sind – und nicht ein Bremsklotz? Denn der wahre Hebel liegt nicht in der Subvention, sondern darin, Energie durch neue Technologien dauerhaft günstiger zu machen. Bisher allerdings ist unsere Transformation zu langsam, zu vorsichtig – sie ist eher Spaziergang als Aufbruch.

Wenn wir ehrlich sind, stehen wir mitten in einer neuen industriellen Revolution: einer, die CO₂ nicht nur reduziert, sondern aktiv aus der Atmosphäre holt. Europa will bis 2050 klimaneutral sein. Deshalb muss jeder Euro dorthin fließen, wo das neue klimafeste System entsteht – und nicht in Prozesse, die ihren Höhepunkt längst hinter sich haben. Jede Subvention sollte deshalb an klare, grüne Investitionen gekoppelt sein. Wir brauchen eine politische Kompassnadel, die unmissverständlich auf Innovation zeigt. Teurer Stillstand ist das wahre Risiko.

Gezielte Förderung statt Gießkanne

Doch wer heute nur den Status quo sichern will, verkennt die Geschwindigkeit dieses Wandels. Viele Unternehmen unterschätzen, wie rasant sich die Klimawirtschaft entwickelt: CO₂-Entnahme, CO₂-Speicherung, digitale Klimaplattformen, KI-Effizienz, regionale Energiespeicher, – diese Technologien sind wie Motoren, die gleichzeitig Kosten, Emissionen und Abhängigkeiten senken und Arbeitsplätze schaffen. Hier ist Deutschland mit seiner starken industriellen Basis und Klima-Führerschaft hervorragend positioniert. Statt Brückensubventionen vor allem zur Bestandssicherung zu nutzen, sollten wir sie nutzen, um unsere Wettbewerbsfähigkeit morgen zu sichern – nicht gestern.

Der geplante Industriestrompreis kann eine wichtige Brücke sein. Kurzfristig stabilisiert er den Standort – er wirkt wie eine starke Schmerztablette. Aber wie bei einer Tablette liegt die Gefahr darin, nur den Schmerz zu dämpfen, statt die Ursache zu heilen. Dann verlängert der niedrige Strompreis nur den Status quo. Das wäre der eigentliche Fehler.

Der bessere Weg sieht so aus: Ja, Deutschland sollte jetzt Stromkosten senken – aber nur für echte Transformation, nicht für fossile oder veraltete Technologien. Und: Die Subvention sollte mit Steuervorteilen für Effizienz, erneuerbare Energie und CO₂-Entnahme kombiniert werden. Dann entsteht die Wertschöpfung der Zukunft.

Das Ziel bleibt bestehen: Wir brauchen ein neues, klimafestes Energiesystem. Aber wir brauchen keine Subvention von Prozessen, die längst über ihrem Effizienz-Zenit geschritten sind. Sonst wird der Industriestrompreis nur zum Symbol unserer Angst vor dem nächsten Schritt.

Über den Autor:

Lucas Zaehringer ist Co-Founder und CEO von Planet2050. Er setzt sich mit Nachdruck für einen transparenten, streng kontrollierten CO2-Zertifikatemarkt. Planet2050 agiert als Climate-FinTech und stellt Kapital sowie Technologie für hochwertige CO₂-Entfernungs- und Vermeidungsprojekte bereit. Die aus den Klimaprojekten generieren CO2-Zertifikaten ermöglichen Unternehmen und Staaten, ihre Net-Zero Ziele zu erreichen.