Startup & Scaling „Start-ups ziehen Start-ups – und das ist der Nukleus“

„Start-ups ziehen Start-ups – und das ist der Nukleus“

Sherin: Was treibt dich persönlich an, solche Ökosysteme zu gestalten?

Dominik: Ich liebe es, Räume zu schaffen, in denen Menschen zusammenkommen und Neues entstehen kann. Die Hinterland of Things ist für mich wie ein Kindergeburtstag – man weiß nie genau, was passiert, aber die besten Ideen entstehen oft spontan. Ein guter Raum, kluge Leute, gutes Essen und Zeit – mehr braucht es oft nicht.

Sherin: Das klingt nach einer Vision, die über reine Wirtschaftlichkeit hinausgeht.

Dominik: Absolut. Es geht um mehr als nur Start-ups. Wir wollen eine Kultur des Muts und der Offenheit schaffen, Menschen ermutigen, Neues zu wagen. Damit wächst nicht nur eine Region, sondern wir stärken die gesamte deutsche Innovationslandschaft.

Sherin: Wo siehst du Ostwestfalen in zehn Jahren?

Dominik: Ich bin optimistisch, dass wir eine eigene Innovations-Identität haben, in der Mittelstand und Start-ups eng zusammenarbeiten. Die Kombination aus bewährter Industrie und frischem Gründergeist ist unsere Stärke. Wichtig ist, dass wir offen bleiben, international denken und uns nicht nur mit anderen deutschen Städten, sondern global messen.

Sherin: Dominik, wie erklärst du dir das Ungleichgewicht bei der Start-up-Finanzierung in Deutschland und Europa?

Dominik: Grundsätzlich holen wir auf. Zum Beispiel hat ein deutsches US-Unicorn seine große Finanzierungsrunde nach Paris verlegt – immerhin ein dreistelliger Millionenbetrag. Das zeigt, dass sich das Blatt langsam wendet. Viele amerikanische Fonds interessieren sich zunehmend für Investitionen in Deutschland und Europa.

Aber ganz ehrlich: Die Finanzierungslücke ist da und groß. Dealroom hat zuletzt ermittelt, dass es rund 35.000 Frühphasen-Start-ups in Europa gibt – die meisten weltweit, wenn man vergleichbare Regionen anschaut. Trotzdem fehlt eine Finanzierungslücke von 400 bis 500 Milliarden Euro.

Zwei Faktoren spielen eine große Rolle: Erstens allokieren wir Kapital oft an den falschen Stellen. Pensionskassen investieren kaum in Start-ups, dabei wäre das nicht nur renditestark, sondern würde auch frisches Kapital in die VC-Szene spülen, damit größere Deals möglich werden.

Zweitens haben wir eine breite Stiftungslandschaft – viele Familienunternehmen schaffen Vermögen über Generationen. Aber in Deutschland ist es quasi unmöglich, aus Stiftungsvermögen in Risikokapital zu investieren. Das wäre eine relativ einfache Reform, die viel Kapital freisetzen könnte.

Sherin: Du sagst, das sei relativ einfach zu lösen. Wie sieht dein Ansatz aus? Habt ihr das bei der Founders Foundation diskutiert?

Dominik: Fairerweise haben wir da wenig Einfluss. Das ist eher eine Aufgabe für die Bundesregierung und gesetzgeberische Reformen. Stiftungen müssen ihr Vermögen konservativ anlegen. Die Rechtslage erlaubt ein gewisses Maß an Risikoanlage, aber Verantwortliche fürchten Haftungsrisiken, wenn sie Geld in riskantere Assets wie Start-ups stecken.

Eine Änderung der Abgabenordnung oder der Stiftungsverordnung könnte das Problem lösen. Wenn man nur 10 Prozent des Milliardenvermögens großer Stiftungen für Risikokapital freigibt, hätten wir Single-LPs, die 100 Millionen Euro und mehr investieren könnten – ein riesiger Boost für viele VC-Fonds in Deutschland.

Sherin: Das klingt nach einem enormen Hebel. Aber du hast auch die deutsche Mittelstandsmentalität angesprochen – wie sehr bremst die das Wachstum von Start-ups?

Dominik: Das ist ein zentraler Punkt. Der deutsche Mittelstand ist über Jahrzehnte mit altem Geld gewachsen, oft aus eigener Kraft. Beteiligungen oder Fremdkapital werden eher kritisch gesehen, Risiken gescheut, Kredite werden meist zurückgezahlt. Venture Capital ist kaum Teil der DNA.

Da müssen wir kulturell viel aufholen – es braucht bessere Anreize und mehr Verständnis. Und dann gibt es noch den Exit-Markt: Börsengänge sind hier selten, was Kapitalrückflüsse erschwert. Klar, wir haben vielversprechende Kandidaten, aber der Markt ist noch nicht so reif wie in den USA.

Sherin: Gerade die jüngeren Generationen von Vermögensverwaltern und Investoren scheinen offener zu sein für neue Modelle, Venture Capital und Innovationen. Da liegt viel Hoffnung.

Dominik: Absolut. Nach und nach werden ältere Strukturen abgelöst, und mit der Professionalisierung der VC-Szene wächst auch das Verständnis für Risikokapital. Wir müssen aber weiterhin Aufklärungsarbeit leisten und Transparenz schaffen, damit mehr Kapital gezielt in Innovationen fließt.

Sherin: Danke, Dominik, für die ehrlichen und tiefgehenden Einblicke. 

Dominik: Danke, Sherin. Ökosysteme wachsen nicht über Nacht, aber wenn wir alle an einem Strang ziehen, können wir Großes erreichen.

🎧 Die ganze Folge mit Dominik Gross gibt es jetzt auf allen Podcast-Plattformen.
 Mehr zur Hinterland of Things: https://www.hinterland-of-things.de
 Mehr zur Founders Foundation: https://foundersfoundation.de

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