Startup & Scaling E-Scooter-Markt 2025: Vom Hype-Objekt zum Überlebenskampf

E-Scooter-Markt 2025: Vom Hype-Objekt zum Überlebenskampf

Bundesweit sorgte jüngst ein Vorstoß des Bundesverkehrsministers Patrick Schnieder (CDU) für Aufsehen: Ein neuer Verordnungsentwurf vom Juni 2025 sieht vor, dass Verleih-Scooter nicht mehr einfach auf Gehwegen oder in Fußgängerzonen abgestellt werden dürfen. Für kommerzielle Leihroller würde das Abstellen auf öffentlichem Grund als Sondernutzung mit Genehmigungs- und Gebührenpflicht eingestuft. „Wir schaffen nun Rechtsklarheit“, heißt es aus dem Ministerium – zur Freude der Städte, die schon lange auf eine Handhabe gegen Roller-Wildwuchs drängen.

Die gesellschaftlichen Spannungen nehmen zu. Laut Bitkom sind 85% der Deutschen der Meinung, dass E-Scooter das Stadtbild verschandeln, und 78% ärgern sich über blockierte Rad- und Fußwege. Jeder zweite Senior würde die Roller am liebsten generell verbieten lassen. Einige Kommunen haben kreative Auflagen erlassen: So koppelte Gelsenkirchen die Betriebserlaubnis an eine verpflichtende Identitätsprüfung jeder Nutzerin per App. Die Betreiber Tier und Bolt zogen daraufhin ihre Roller aus Gelsenkirchen ab und klagten gegen die Auflage.

Sicherheit als Achillesferse

Sicherheitsbedenken befeuern die Debatte zusätzlich. Die Unfallzahlen steigen alarmierend: Bundesweit registrierte die Polizei 2023 fast 9.500 Unfälle mit E-Scootern – 14% mehr als im Vorjahr – und die Zahl der Todesfälle hat sich auf 22 verdoppelt. Besonders häufig verunglücken junge Fahrer, oft unter Alkoholeinfluss oder nach Regelverstößen.

Diese Bilanz verstärkt den Ruf nach strengeren Regeln. Städte richten vermehrt Sonderzonen ein – ausgeschilderte Abstellflächen, Geschwindigkeitsbegrenzungen oder sogar No-Go-Areas für Roller. Ein Komplettverbot wie in Paris steht in Deutschland zwar bisher nicht auf der Agenda, doch der Unmut vieler Bürger zwingt zum Handeln.

Branchenvertreter argumentieren, dass viele Konflikte durch bessere Infrastruktur entschärft werden könnten wie etwa mit einer Neuaufteilung des Straßenraums – mehr Radwege und ausgewiesene Roller-Parkflächen, notfalls auf Kosten von Autostellplätzen.

Technologie als Rettungsanker

Während Markt und Regulierung den E-Scooter-Anbietern zusetzen, ruhen viele Hoffnungen auf technologischen Innovationen. Die Branche investiert in smartere, sicherere und effizientere Lösungen, um ihre Daseinsberechtigung zu untermauern.

Ein vielversprechender Ansatz ist Teleoperation: In Pilotprojekten erproben Firmen, E-Scooter per Fernsteuerung zu bewegen. Mittels Kameras und Mobilfunk könnten Roller künftig von zentralen Operateuren aus der Ferne aus Parkverbotszonen „weggefahren“ werden. Eng damit verwandt sind autonome Scooter – Fahrzeuge, die selbstständig zu Lade- oder Parkstationen zurückkehren.

Bereits konkreter ist der Einsatz von Künstlicher Intelligenz zur Überwachung der Fahrdaten. In Helsinki läuft ein EU-gefördertes Projekt mit 40 E-Scootern von Tier-Dott, die mit KI-Sensoren plötzliche Bremsmanöver, Schlingerbewegungen und Erschütterungen erkennen. „Durch fortschrittliche Technologie kann die Stadt neue Informationen über Unfälle und Beinahe-Unfälle gewinnen“, erläutert Projektleiterin Noora Reittu.

Andere Anbieter testen Systeme, die anhand von Fahrmustern erkennen, ob jemand verbotenerweise auf dem Gehweg fährt oder zu zweit auf einem Roller steht. Computer Vision in Smartphone-Apps soll zudem das korrekte Abstellen per Foto-Scan überprüfen, bevor die Miete beendet werden kann.

Auch die Akku-Technologie entwickelt sich weiter. Batteriewechsel-Systeme sind heute Standard: Statt komplette Fahrzeuge einzusammeln, werden Akkus vor Ort getauscht. Tier installierte in einigen Städten automatisierte Akku-Ladestationen in Supermärkten, wo Nutzer gegen Bonuspunkte leere Batterien gegen volle tauschen können – ein cleverer Schachzug, der die Community einbindet und Kosten spart.

Zwischen Integration und Existenzkampf

Der E-Scooter-Markt 2025: Die Konsolidierung hat wenige, finanzstärkere Akteure übriggelassen, die nun um ihr Überleben kämpfen – indem sie ihr Geschäftsmodell auf solide Erlöse und strategische Partnerschaften ausrichten.

Die Vision der kommenden Jahre: E-Scooter, E-Bikes, Carsharing und ÖPNV verschmelzen in ganzheitlichen Mobilitäts-Apps, in denen Nutzer per Abo Zugang zu allem erhalten. Städte wie Hamburg und München planen Mobilitäts-Hubs an ÖPNV-Knoten, wo künftig neben Leihfahrrädern auch Roller bereitstehen sollen, um die Lücke zwischen Haltestelle und Haustür zu schließen.

Gleichzeitig wächst der Druck von außen: Die Gesellschaft fordert Lösungen für Chaos und Sicherheitsprobleme, die Politik setzt klare Grenzen. Die anhaltende Nachfrage zeigt jedoch, dass elektrische Tretroller keinen kurzlebigen Trend darstellen. Ob dies so bleibt, hängt davon ab, wie gut die Anbieter die Balance zwischen Innovation und Regulierung meistern. Schaffen sie es, die Städte von ihrem Nutzen zu überzeugen – etwa durch Datenkooperation, nachhaltige Konzepte und zuverlässigen Service – könnten E-Scooter zum festen Baustein einer umweltfreundlichen urbanen Mobilität werden. Versagen Sie jedoch, drohen noch schärfere Einschnitte oder gar ein Komplettverbot nach Pariser Vorbild. 2025 ist somit ein entscheidendes Jahr auf dem Weg vom Start-up-Spielzeug zum ernstzunehmenden Verkehrsmittel.

Quellen: Handelsblatt; Wirtschaftswoche; Tagesspiegel Background; Bitkom; Interview-Aussagen von Tier-CEO Lawrence Leuschner

Seite 2 / 2
Vorherige Seite Zur Startseite