Startup & Scaling Open Web oder Open Wound? Startups im Überlebenskampf

Open Web oder Open Wound? Startups im Überlebenskampf

Die Zukunft des Open Web bewegt die Digitalbranche. Nach kontroversen Aussagen von P&G-CMO Kristina Bulle diskutieren Experten bei der Dmexco über Chancen und Herausforderungen für Startups und etablierte Player.

Die Debatte um das Open Web nimmt Fahrt auf. In den vergangenen Wochen hat sich die Digitalbranche intensiv mit dem aktuellen Status und den Zukunftsperspektiven des offenen Internets beschäftigt. Besonders ein Interview mit P&G-CMO Kristina Bulle in „horizont.net“ hat für Gesprächsstoff gesorgt und die Diskussion befeuert. Bei der Digitalmesse Dmexco nutzten Branchenexperten die Gelegenheit, ihre Einschätzungen zu teilen und Strategien für die Zukunft zu skizzieren.

Zwischen Innovation und Kontrolle

Das Open Web steht an einem Scheideweg. Während Tech-Giganten ihre Walled Gardens ausbauen und zunehmend Kontrolle über Nutzerdaten gewinnen, kämpfen innovative Startups um ihre Position im digitalen Ökosystem.

Laut „horizont.net“ sehen Experten bei der Dmexco sowohl Risiken als auch Chancen in dieser Entwicklung. Besonders für junge Unternehmen wird es entscheidend sein, sich durch innovative Geschäftsmodelle von den großen Playern abzuheben und gleichzeitig Kooperationsmöglichkeiten zu identifizieren.

Datensouveränität als Wettbewerbsvorteil

Uli Hegge, CEO der NetID, positioniert sich als einer der Vordenker in dieser Debatte. Wie „horizont.net“ berichtet, setzt er auf Datensouveränität als entscheidenden Wettbewerbsvorteil für Startups im digitalen Umfeld.

Köln hat gezeigt: Die Werbungtreibenden haben mittlerweile erkannt, dass sie eine Balance zwischen den digitalen offenen und geschlossenen Welten wieder herstellen müssen. Ansonsten fehlen ihnen zukünftig Wahlmöglichkeiten in technischer, rechtlicher und kommerzieller Hinsicht. Und dies beinhaltet den Wunsch nach Transparenz und darauf basierendem Vertrauen, sowohl der Unternehmen untereinander als auch im Verhältnis zu Nutzerinnen und Nutzern.

Die auf dieser Einsicht basierenden Forderungen der Werbungtreibenden an die Inhalte- und Diensteanbieter im Open Web wurden auch in Köln gehört und werden den existierenden Trend wesentlich verstärken. Die Technologien stehen zur Verfügung und sind vielfach getestet, entsprechend steht einem weiteren schnellen Ausbau nichts im Weg.

Die Fähigkeit, Nutzerdaten DSGVO-konform zu sammeln und intelligent zu nutzen, könnte zum entscheidenden Differenzierungsmerkmal werden. Für Scale-ups bietet sich hier die Chance, durch transparente Datennutzung Vertrauen aufzubauen und sich als Alternative zu den großen Plattformen zu etablieren.

Finanzierungsrealität im Open Web

Die Finanzierungslandschaft für Open-Web-Startups verändert sich rapide. Venture-Capital-Geber schauen heute genauer hin, wie Unternehmen im Spannungsfeld zwischen offenen Standards und geschlossenen Ökosystemen agieren.

Auf der Dmexco wurde deutlich, dass besonders jene Geschäftsmodelle Aufmerksamkeit erhalten, die Unabhängigkeit von den großen Plattformen bieten oder deren Schwächen gezielt adressieren. Die Experten bei der Digitalmesse betonten laut „horizont.net“, dass nachhaltige Monetarisierungsstrategien jenseits der Tech-Giganten zunehmend an Bedeutung gewinnen.

So sieht es auch David von Hilchen, Director, Sales DACH und Country Lead bei StackAdapt. Das Open Web ist mehr als Technologie – es geht um Zugänglichkeit. Programmatic Advertising muss so einfach nutzbar sein wie Werbung über Meta oder Google, dabei aber Transparenz und Qualität wahren. Während Plattformen mit strikten Policies Hürden errichten, bleibt für viele Marken die Messbarkeit das größere Problem: Wer über Handelspartner verkauft, kann Erfolge oft nur schwer bewerten. Gefragt sind daher vertikale Strategien mit passgenauen Kennzahlen. Nur durch branchenspezifische Ansätze – von FMCG über Retail bis B2B – kann das Open Web sein Potenzial als fairer, transparenter und wirksamer Werberaum ausschöpfen.

Business Punk Check

Die Realität hinter dem Open-Web-Hype ist ernüchternd. Während alle von Offenheit sprechen, bauen die Tech-Giganten ihre Mauern höher. Für Startups bedeutet das: Entweder clever die Lücken im System finden oder untergehen. Die wahre Herausforderung liegt nicht im technischen Können, sondern im strategischen Denken.

Wer heute im Open Web erfolgreich sein will, muss paradoxerweise sowohl mit als auch gegen die Plattform-Ökonomie arbeiten. Die meisten Gründer unterschätzen dabei, wie viel Kapital nötig ist, um gegen die Datenmacht der Großen anzukommen. Die unbequeme Wahrheit: Ohne klare Positionierung zwischen Kooperation und Disruption wird kein Open-Web-Startup die nächsten drei Jahre überleben.

Häufig gestellte Fragen

  • Welche Nischen im Open Web bieten aktuell die besten Chancen für Startups?
    Besonders vielversprechend sind Bereiche, die Datensouveränität und Transparenz in den Mittelpunkt stellen. Startups, die Nutzern die Kontrolle über ihre Daten zurückgeben und gleichzeitig Werbetreibenden effektive, DSGVO-konforme Targeting-Möglichkeiten bieten, haben aktuell die besten Skalierungschancen.
  • Wie viel Kapital braucht ein Open-Web-Startup mindestens, um gegen die Tech-Giganten zu bestehen?
    Die Mindestausstattung liegt bei 3-5 Millionen Euro für die ersten 18 Monate. Entscheidend ist jedoch nicht nur die Summe, sondern auch die strategische Kapitalallokation: 40 % in Technologie, 35 % in Marktentwicklung und 25 % als Liquiditätsreserve für schnelle Anpassungen an Marktveränderungen.
  • Welche Kooperationsmodelle mit Tech-Giganten sind für Startups sinnvoll, ohne die eigene Unabhängigkeit zu gefährden?
    API-basierte Integrationen bieten den besten Kompromiss. Sie ermöglichen Zugang zu Reichweite und Dateninfrastruktur der Großen, während das Startup die Kontrolle über sein Kernprodukt und die Kundenschnittstelle behält. Vermeide exklusive Partnerschaften und setze auf Multi-Plattform-Strategien.
  • Wie realistisch sind Exit-Optionen für Open-Web-Startups in den nächsten zwei Jahren?
    Der Exit-Markt polarisiert sich zunehmend: Während technologisch innovative Lösungen mit nachweisbarem Wachstum Bewertungen im hohen zweistelligen Millionenbereich erzielen können, werden Startups ohne klares Alleinstellungsmerkmal kaum Käufer finden. Die realistischsten Exit-Optionen bieten derzeit nicht die Tech-Giganten selbst, sondern mittelgroße Digitalunternehmen auf Akquisitionskurs.
  • Welche Metriken sollten Open-Web-Startups priorisieren, um für VCs attraktiv zu bleiben?
    Statt reinem Nutzerwachstum zählen heute vor allem Nutzerretention (>60 % nach 3 Monaten), Conversion-Rate zu zahlenden Kunden (>3%) und der Customer Acquisition Cost im Verhältnis zum Customer Lifetime Value (CAC:LTV-Ratio unter 1:3). Besonders wertvoll: nachweisbare Unabhängigkeit von einzelnen Plattformen bei der Kundenakquise.

Quellen: „horizont.net“