Startup & Scaling Wenn Avatare mit den Händen sprechen – KI gibt Gehörlosen Stimme online

Wenn Avatare mit den Händen sprechen – KI gibt Gehörlosen Stimme online

Wie KI-gestützte Gebärdensprach-Avatare die digitale Kommunikation revolutionieren und eine Million Hörgeschädigte in Deutschland erstmals vollständig in die digitale Welt integrieren könnten.

Der digitale Behördengang ist für die meisten Menschen längst Alltag. Doch für rund 80.000 Gehörlose in Deutschland bleibt er eine unüberwindbare Hürde. Während seit Juni 2025 das Barrierefreiheits-Stärkungsgesetz (BFSG) greift, arbeiten Kommunen und Tech-Unternehmen bereits an einer Lösung, die weit über die gesetzlichen Mindestanforderungen hinausgeht: KI-gestützte Avatare, die Deutsche Gebärdensprache (DGS) beherrschen und behördliche Informationen übersetzen.

Wenn Schrift zur Fremdsprache wird

Für 80 Prozent der Gehörlosen fühlt sich komplexe Schriftsprache wie eine Fremdsprache an, wie alangu berichtet. Der Grund: Die deutsche Schriftsprache basiert auf Lauten, die ohne Gehör nicht wahrnehmbar sind. Die bisherige Lösung – Untertitel für Audioinhalte – greift daher zu kurz.

„Wir haben selbst nur sehr eingeschränkten Zugang zu den Gehörlosen“, erklärt Lea Widmer, Vorsitzende des Beirats der Menschen mit Behinderungen in Fulda, laut osthessen-news.de. „Das ist eine ganz eigene Community, sehr in sich geschlossen. Durch die spezielle Art der Beeinträchtigung leben diese Menschen in einer eigenen Welt.“.

KI als Sprachbrücke

Die Kölner Firma alangu GmbH entwickelt mit Unterstützung von etwa 50 deutschen Kommunen ein Baukasten-System, das Behörden-Websites in DGS übersetzen kann. Das System nutzt einen innovativen Ansatz: Annotation. Dabei werden Animationsdaten mit detaillierten Beschreibungen der ausgeführten Gebärden verknüpft. Die KI analysiert Handform, Handstellung, Verortung im Raum, Bewegung und Mimik – alles entscheidende Parameter für die Bedeutung einer Gebärde.

Der Lernprozess ähnelt dem menschlichen Spracherwerb: Durch wiederholte Zuordnung visueller Merkmale zu sprachlichen Bedeutungen baut die KI ein Regelwerk auf. Die Software wandelt dann Texteingaben per Drag & Drop in Gebärdensprache-Videos um, wie alangu erklärt. Besonders wichtig: Die Avatare kommunizieren auch über ihre Mimik – ein entscheidender Vorteil gegenüber herkömmlichen Video-Tools.

Digitale Inklusion als Wirtschaftsfaktor

Der Deutsche Schwerhörigenbund (DSB) geht davon aus, dass etwa 19 Prozent der deutschen Bevölkerung über 14 Jahren hörbeeinträchtigt oder gehörlos sind – allein in Hessen wären das 1,1 Millionen Menschen, wie „osthessen-news.de“ berichtet. Mit der alternden Bevölkerung steigen diese Zahlen weiter.

Die Stadt Fulda nimmt hier eine Vorreiterrolle ein. Seit 2022 unterstützt sie das alangu-Projekt und plant, die KI-Avatare auf ihrer neu gestalteten Website zu integrieren. Der Magistrat hat das Projekt bis August 2027 verlängert und wird die Nutzungszahlen analysieren, um über die langfristige Implementierung zu entscheiden.

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