Tech & Trends Auf der Uberholspur

Auf der Uberholspur

In irrer Hochgeschwindigkeit wächst Uber vom Taxi-Konkurrenten zur Mobility-Plattform. Die Mission: eine Super-App. Der Aktienkurs steigt schon mal auf ein Rekordhoch. Was kommt da denn noch auf uns zu?   

Wer in Austin, Texas, einen Spaziergang durch die Stadt macht, der stellt schnell fest: auf den Gehwegen der Stadt darf seit kurzem auch gefahren werden. Mit bis zu acht Kilometern pro Stunde rollt dort immer öfter und ganz von selbst etwas entlang, das aussieht wie ein auf dem Bauch liegender Handgepäckskoffer. Darin verstaut: Burger, Pizza, Bowls, vielleicht ein Bier. Die kleinen autonomen Sidewalk-Roboter, die sich selbstständig durch den Großstadtverkehr manövrieren und an jeder roten Ampel vorbildlich halt machen, liefern im Auftrag von Uber Eats Essens- und Getränkebestellungen aus. Kunden können ihre Order via App aufgeben und mithilfe derselben wenig später den Robo-Rollkoffer öffnen. Das Angebot gibt es inzwischen auch in weiteren US-Städten. Bis Ende des Jahres plant Uber gemeinsam mit Hersteller Avride hunderte der autonomen Kuriere loszuschicken. Und bald kommen die womöglich nicht mehr nur zum Lunch vorbei, sondern liefern zum Feierabend auch schnell das Buch der besten Freundin. Schon jetzt bietet Uber einen Kurierdienst an, noch per Auto oder Fahrrad allerdings, der Same-Day-Lieferungen von kleinen bis mittelgroßen Sendungen möglich macht. Praktisch, wer gern mal seinen Schlüssel oder das Handy liegen lässt – oder schlicht schnell und unkompliziert etwas von A nach B bringen will. Vor kurzem ging der Dienst auch in ausgewählten deutschen Großstädten an den Start.

Bei Uber geht es längst nicht mehr nur darum, eine Alternative zum Taxi zu bieten. Der Fahrdienstvermittler, 2009 von Travis Kalanick und Garret Camp in San Francisco gegründet, ist auf bestem Weg hin zur globalen Mobility-Plattform und arbeitet akribisch an der Konzeption einer Super-App für alles, was in irgendeiner Art etwas mit Mobilität zu tun hat.

Uber überall

Mit Uber Health vermitteln die Kalifornier medizinische Transporte, die kein Notfall sind. In manchen Städten und Regionen bietet Uber über Partner Mietwägen an. Auch die Leihe von Fahrrädern und E-Scootern gehört mancherorts zum Portfolio. Uber Freight bringt derweil als Fracht-Vermittler Spediteure und Verlader auf einer Plattform zusammen. Frachten können dort entsprechend angeboten und nachgefragt werden. Lieferketten lassen sich so optimieren, Transportvorgänge werden effizienter. Mit Uber for Business haben die Kalifornier darüber hinaus ein Tool entwickelt, mit dessen Hilfe sich geschäftliche Fahrten und Mitarbeiter-Reisen planen lassen. Im vergangenen Jahr kursierten Gerüchte rundum eine mögliche Expedia-Übernahme, bestätigten sich aber bislang nicht. Fakt ist, Uber plant langfristig auch den Reise-Markt zu bedienen. Auf Anfrage teilte Uber mit: „Wir sind immer offen für Partnerschaften, um Mobilität für die Menschen noch einfacher zugänglich zu machen. Wir sehen uns als Mobilitätsplattform, die möglichst alle Mobilitätsbedürfnisse ihrer Nutzer bedienen möchte. Dafür integrieren wir verschiedenste Services in unsere App wie beispielsweise Züge oder in Großbritannien auch Flüge.“

Uber überall. So wirkt es gerade. CEO Dara Khosrowshahi, der vor seinem Wechsel 2017 zu Uber auf dem Chefsessel bei Expedia saß, hat Uber aus der Krise manövriert. Damals noch hatten die Negativschlagezeilen rundum eine toxische Unternehmenskultur regiert und Ubers Ansatz eines Wachstums zu jedem Preis wurde zunehmend zu einem Wachstumshindernis. „Ich bin hereingekommen und musste die Unternehmenskultur verändern“, erklärte Khosrowshahi vor kurzem in einem Interview mit dem US-Newsportal CBS. Rückblickend sei das Unternehmen in mancher Hinsicht zu aggressiv vorgegangen, gab er zu. Mit Khosrowshahi, der 1978 aus Teheran zunächst nach Frankreich floh und später in die USA immigrierte, geht es nun konzentrierter und mit klarem Plan in die Zukunft. Nach vielen defizitären Jahren steigert Uber seit 2023 kontinuierlich den Gewinn.

180 Millionen App-Nutzer, über elf Milliarden Fahrten jährlich

Auch beim autonomen Fahren spielt man selbstverständlich mit. Der Markt für selbstfahrende Taxis ist für den Moment noch klein. Dem Investmentbanking-Beratungsunternehmen Evercore nach, umfasst er rund eine Milliarde US-Dollar. Doch schon innerhalb der nächsten zehn Jahre könnte er auf zwei Billionen Dollar emporschnellen. Für Uber besteht darin zwar auch ein Risiko, sollten etablierte Player wie die Alphabet-Tochter Waymo, deren Autos sich beispielsweise in San Francisco schon buchen lassen, den Markt für sich beanspruchen. Gleichzeitig könnten ein breites Ausrollen der Technologie dazu führen, dass das sogenannte Ride-Sharing von einer noch breiteren Masse nachgefragt wird und Uber auch einen Teil dieser Fahrten aufgrund seiner Plattformvorteile vermittelt. Immerhin hat Uber rund 180 Millionen App-Nutzer und vermittelte 2024 insgesamt 11,27 Milliarden Fahrten – fast sieben Mal so viele wie 2016. Allein zwischen 2021 und 2024 gelang in drei Jahren ein Plus von vier Milliarden Fahrten. Dazu gewinnt Uber auch immer mehr Kunden für das Treue-Abo Uber One, das Nutzern gegen monatliche Zahlung einige zusätzliche Annehmlichkeiten bietet.

„Der Ride-Sharing-Markt wächst, weil es immer mehr Anwendungsfälle gibt“, erklärt Wedbush-Analyst Scott Devitt. „Das führt zu einer höheren Fahrzeugdichte. Und das ist langfristig extrem bullish für Uber.“ Mit Waymo arbeitet Uber neben vielen weiteren Unternehmen, darunter Cruise oder seit kurzem auch Volkswagen, aus dem Sektor bereits zusammen. Und das offenbar sehr erfolgreich. Wie Uber angibt, sollen die 100 Waymo-Autos, die Uber-Nutzer im texanischen Austin nutzen können, produktiver fahren als 99 Prozent der menschlichen Fahrer in der Stadt. „Schon jetzt haben wir 18 AV-Partner und in kürzester Zeit 1,5 Millionen jährliche AV-Fahrten im Bereich Mobilität und Lieferung erreicht“, erklärte der Uber Deutschland-Sprecher gegenüber AnlagePunk. „Unser Ziel ist es, Uber zur besten Plattform für alle AV-Technologien zu machen. Sowohl die Anzahl an menschlichen Fahrern als auch an autonomen Fahrzeugen wird noch sehr lange Seite an Seite auf der Plattform wachsen.“ 

Aktie strahlt und strahlt

All das rückt die nach dem Börsengang 2019 lange Zeit mit einem wenig überzeugenden Kursverlauf versehene Uber-Aktie in neues Licht. Gekauft wird nicht mehr der über viele Jahre hinweg defizitäre Fahrdienstleister, der dazu weltweit immer wieder in Konflikten mit nationalen Taxi-Unternehmen stand und immer noch steht, was auf die globale Expansion drückt, sondern ein Mobility-Konzern mit gigantischen Netzwerkeffekten und den sich daraus generierenden Wachstumschancen.

Der Markt ist noch immer stark fragmentiert, ob nun mit Blick auf den Personenverkehr, Essenslieferungen, oder auch die Unternehmenslogistik. Uber könnte hier seine erlangten Größenvorteile ausspielen und zu einem Plattform-Giganten werden. Damit einhergehend schlummert möglicherweise großes Erlöspotenzial im Ausspielen von Werbung. Bislang macht Uber mit Werbung nur wenig Umsatz. Doch je weiter die Angebote wachsen und die Uber-App mehr und mehr zum alltäglichen Begleiter vieler Nutzer wird, desto mehr Werbekunden dürften anklopfen. Eine an der Wall-Street bis dato unterschätzte Chance, meint Jason Ware, Chief Investment Officer der Albion Financial Group. „Niemand spricht über dieses kleine Juwel ihres Werbegeschäfts und die Zielgruppe, die darauf wartet, mit Anzeigen beliefert zu werden.“

Kurs vervierfacht

Trotzdem hat sich der Aktienkurs von 2023 bis zum Sommer 2025 in etwa vervierfacht. Uber hatte im erstgenenannten Jahr zum ersten Mal profitabel gewirtschaftet und blieb seither in den schwarzen Zahlen. 2024 stand ein operatives Ergebnis von knapp 2,8 Milliarden Dollar in den Büchern. Der Umsatz erreichte bei einem Plus von 18 Prozent gegenüber dem Vorjahr rund 44 Milliarden Dollar. In den ersten beiden Quartalen des laufenden Jahres setzte sich das profitable Wachstum fort. Von April bis Juni stieg der Umsatz um 18 Prozent auf 12,7 Milliarden Dollar, das bereinigte Ebitda kletterte um 35 Prozent auf 2,1 Milliarden Dollar. Die Bruttobuchungen legten um 17 Prozent auf 46,8 Milliarden Dollar zu.


Angesichts dieser Erwartungen erscheint die Aktie trotz ihres Rekordniveaus mit einem KGV von 33,54 nicht sehr hoch bewertet. Einige Analysten, darunter die Experten von Stifel, Citi und JPMorgan haben Kursziele von über 100 Dollar ausgegeben. Gleichwohl gehören Uber-Papiere zu den volatileren Titeln am Markt, weshalb mit Rücksetzern stets zu rechnen ist. Ein solcher aber könnte „kurzfristige Chancen und attraktive Einstiegspunkte in einen potenziellen Mehrjahresgewinner schaffen“, schreibt Morgan-Stanley-Analyst Brian Nowak. Vor kurzem kündigte Uber zudem ein 20 Milliarden Dollar schweres Aktienrückkaufprogramm an. Fundamental scheint Uber für den Moment auf der Überholspur. Es geht voran, auf dem Weg zur Mega-Mobility-Plattform und Super-App. Ubers Börsenwert lag zuletzt übrigens bei etwas über 200 Milliarden Dollar – und damit höher als die addierte Marktkapitalisierung von Mercedes Benz, BMW und Volkswagen.