Tech & Trends Bei dieser Frau beißt Mark Zuckerberg auf Granit

Bei dieser Frau beißt Mark Zuckerberg auf Granit

Erst wollte der Meta-Chef ihr Unternehmen kaufen, dann ihre Mitarbeiter abwerben. Doch Zuckerberg hatte seine Rechnung ohne Mira Murati gemacht.

Wer ist die Frau, die das Ansinnen von Mark Zuckerberg abgelehnt und sich nicht seinem Überkonzern Meta angeschlossen hat? Wer ist die Lady, die es danach auch noch geschafft hat, dass kein einziger aus ihrem Team ein geradezu unmoralisches Angebot von 1,5 Milliarden Dollar Gehalt annahm, das Meta-CEO Zuckerberg denjenigen anbot, die in seinen Laden wechseln würden?

Sie heißt Mira Murati und hat mal für ein paar Tage den ChatGPT Mutterkonzern OpenAI geleitet, als der eigentliche Anführer Sam Altman gerade durch eine Palastrevolte am Chefsein verhindert war. Ein Kollege berichtete damals via der Plattform X: „In der verrückten Zeit, in der ChatGPT entstanden ist, war Mira Murati diejenige, die in den täglichen Stand-ups finale Entscheidungen getroffen hat.“ Später hat sie sich mit ihrem eigenen KI-Startup Thinking Machines Lab selbständig gemacht. 50 Mitarbeiter ist es groß, es könnte aber das nächste ganz große Ding im Silicon Valley werden, weswegen es Zuckerberg auf dem Einkaufszettel hatte.

Muratis Mitgründer heißt Andrew Tulloch. Nachdem ihm die Umwornene einen Korb gegeben hatte bombardierte Zuckerberg zuerst Tulloch und dann ein rundes Dutzend anderer Murati-Jünger mit Angeoten, in denen er einzelnen über einen Zeitraum von sechs Jahren eben jene bis zu 1,5 Milliarden US-Dollar Gehalt und Bonus anbot. Doch Tulloch blieb treu wie das gesamte Murati-Team. Das Wallstreet Journal berichtete jüngst darüber. Ein Meta-Sprecher bezeichnet das ganze als „ungenau und lächerlich“. Dementiert hat er allerdings nicht.

Wer also ist Mira Murati? Das einstige Wunderkind aus Albanien zählt bei „Fortune“ zu den mächtigsten Frauen der Welt. Die 36jährige inzwischen längst eingebürgerte US-Amerikanerin mit kanadischer Spitzenausbildung, die als Studentin einen Rennwagen entwarf und Teslas „Model X“ mitentwickelte, hat einst als Technologie-Chefin bei OpenAI den Bildgenerator, und die Sprachprogramme an den Start gebracht. Sie macht sich Gedanken, wo die Grenzen liegen, die sie anschließend entschlossen verschiebt.

Die Frau, die zweimal Nein sagte

In einem Beitrag für die Fachzeitschrift „Daedalus“ formulierte sie bereits 2022 über ihre Ziele und Überlegungen: „In dem Maße, wie wir Modelle wie ChatGPT kompetenter machen, müssen wir sie auch stärker an menschlichen Werten ausrichten, was bedeutet, dass sie ehrlicher und harmloser sein sollten.“ Die Forscher von OpenAI haben unter ihrer Anleitung Sprachmodelle trainiert, die den Absichten der Nutzer besser folgen können. Die Mathematikerin und Programmiererin mit Maschinenbau-Diplom faszinieren nach eigener Auskunft Fragen der Philosophie und Neurowissenschaften. Wie entsteht Sprache? Welche Hirnareale sind beim Sprechen wann aktiv, und wie agieren sie bei bestimmten Inhalten? Der Forschungsprozess, so Murati über ihre Ziele, soll sie auf die Spur der Ursprünge des Denkens bringen, und gleichzeitig Gesetzmäßigkeiten des Wortgebrauchs und der Wortfindung entschlüsseln – sei es nun durch Erforschung der Babysprache oder des Verständnisses dichterischer, poetischer Werke: „Technologie, Kultur, Zivilisation: nichts davon entsteht ohne Sprache. Die Sprache ist sowohl ein Höhepunkt als auch die Grundlage der menschlichen Intelligenz.“

Das einstige Wunderkind aus der albanischen Küstenstadt Vlora scheint erst am Anfang einer bisher schon erstaunlichen Karriere zu stehen. Ihr Lieblingsbuch sei, so berichtet sie dem Time Magazine, „Duineser Elegien, eine Gedichtsammlung von Rainer Maria Rilke“, ihr Lieblingslied „Paranoid Android“ von Radiohead und ihr Lieblingsfilm „2001: Odyssee im Weltraum“. „Zum ersten Mal für künstliche Intelligenz habe ich mich interessiert, als ich als Kind Videospiele gespielt habe. Ich habe darüber nachgedacht, ob die Charaktere irgendeine Art von logischem Denken haben oder nicht“, erzählt sie. 2018 landete sie bei OpenAI als Leiterin des Forschungsteams und setzte sich von Anfang an dafür ein, dass die KI nicht außer Rand und Band gerät. KI kann missbraucht werden, oder sie kann von schlechten Akteuren eingesetzt werden. Es stellt sich also die Frage, wie man den Einsatz dieser Technologie weltweit regeln kann“, doziert sie öffentlich. Und dann kommen die Sätze, die sie bewogen haben, Zuckerberg einen Korb zu geben: „Dies ist ein einzigartiger Moment in der Zeit, in dem wir Einfluss darauf haben, wie es die Gesellschaft formt. Und es geht in beide Richtungen: Die Technologie prägt uns und wir prägen sie.“ Murati will zu denen gehören, die prägen und nicht zu denen, die geprägt werden. Sie hat das mit Zuckerberg gemeinsam – was eben nicht die beste Voraussetzung für eine funktionierende Zusammenarbeit ist.