Tech & Trends „Wir steuern nicht nur ein Produkt – wir formen das Energiesystem von morgen“

„Wir steuern nicht nur ein Produkt – wir formen das Energiesystem von morgen“

Ein Interview mit Philipp Schröder, Gründer & CEO von 1KOMMA5°

Carsten: Hi Philipp, wie geht’s Dir heute?
Philipp: Hi Carsten – sehr gut, danke Dir. Ich freue mich auf unser Gespräch.

Carsten: Du warst einst Country Director bei Tesla für Deutschland & Österreich – wie prägend war diese Zeit für Dich und was hast Du mitgenommen für 1KOMMA5°?
Philipp: Bei Tesla habe ich erlebt, wie man ein ambitioniertes Ziel konsequent nach vorne bringt: radikale KPIs, Vertical Integration, End-to-end-Denken – vom Showroom bis zur Fabrik. Diese Mentalität bringe ich heute mit: Systemdenken statt Einzelprodukt. Die Energiewende ist mehr als nur Solarpanels – sie ist eine Umgestaltung des gesamten Systems.

Carsten: Wie übersetzt sich das konkret im heutigen Geschäftsmodell?
Philipp: Bei 1KOMMA5° liefern wir eine Komplettlösung: Hardware (PV, Speicher, Wärmepumpe, Wallbox) und Software mit unserer Energy-Automation-Layer „Heartbeat AI“. Damit vernetzen wir Haushalte, steuern Lasten, fördern Flexibilität – kurz: Wir bauen ein virtuelles Kraftwerk aus privaten Systemen und können so die Stromkosten stark senken. Gerade erst haben wir unsere Optimierung für Millionen von Haushalten geöffnet, die schon Systeme installiert haben, ein echter Game-Changer.

Carsten: Du sprichst oft vom richtigen „Timing“ und dem passenden „Team“. Was meinst Du damit konkret?
Philipp: Timing heißt für mich: den Moment erkennen, in dem Technik, Politik, Marktkontext und Kunden­bereitschaft zusammenkommen. Bei der Energiewende befinden wir uns genau in so einer Phase – Speicher werden preiswerter, Smart Meter kommen, Nachfrage steigt.
Team heißt: Gründungsmitglieder, die komplementär sind; Leute, die aus der Praxis wissen, wie man Technologie in großem Maßstab skaliert. Ohne solche Strukturen wär’s nicht gegangen.

Carsten: Welche Rolle haben Investoren und Kapital in diesem Spiel gespielt?
Philipp: Kapital ist Mittel zum Zweck – aber es kann auch ablenken. Wir legen Wert auf das „Right to Play“ – also zuerst die Voraussetzungen schaffen (Markt, Produkt-Markt-Fit, Team), bevor Kapital Lawinen losrollen. Wer zu früh zu viel Geld bekommt, verliert oft den Fokus.

Carsten: Ihr habt Hardware-Komponenten – Speicher, Wärmepumpen und Co. – und zugleich eine KI-Optimierung. Wie gelingt Euch die Integration?
Philipp: Genau hier liegt unser Hebel: Wir kombinieren Installation, Handwerk, Real-World-Hardware mit Software, die dynamisch steuert. Im TechLab in Berlin werden verschiedene Konstellationen durchgespielt.
Wir haben uns bewusst für ein „One-Stop-Shop“-Modell und eine tiefe Integration entschieden: Wir installieren nicht nur ein Teil, sondern gehen auf das vernetzte System-Erlebnis. So bekommen Kunden am Ende immer den günstigsten und saubersten Strom.

Carsten: Wo steht Ihr heute bei den Zahlen?
Philipp: Wir steuern bereits 600 Megawatt Flexibilität im virtuellen Kraftwerk, damit steuern wir von der Kapazität auf das erste zentrale Kraftwerk zu. Unser Ziel: bis 2030 wollen wir 20 GW gebündelte Kapazität – für uns der Maßstab, um mit klassischen Großkraftwerken zu konkurrieren.

Carsten: Regulierung ist für viele Start-ups ein Hemmnis. Wie seht Ihr das?
Philipp: Regulierung kann Bremsklotz oder Turbo sein. Entscheidend sind Regeln, die langfristig Bestand haben.
Ein aktuelles Thema: Der Staat plant, den Bau neuer Gaskraftwerke im großen Maßstab zu subventionieren – wir halten das für marktverzerrend gegenüber dezentraler Flexibilität und haben deshalb Beschwerde bei der EU eingereicht.

Carsten: Wenn ich richtig verstehe: Ihr wollt, dass Flexibilität genauso behandelt wird wie klassischer Kraftwerks-Bau?
Philipp: Genau. Intelligent gesteuert werden Haushalte mit Speicher, Wärmepumpe, Wallbox Teil eines Netzwerks – und bieten Flexibilität. Diese Assets sind heute schon millionenfach in Haushalten vorhanden und müssen nicht erst subventioniert werden. Diese Leistung darf nicht schlechter behandelt werden als zentrale Gas-Kraftwerke. Die Märkte müssen technologie-neutral entscheiden.

Carsten: Was ist Deine Vision für 2030?
Philipp: Wir wollen mit 1KOMMA5° 1,5 Millionen Gebäude elektrifizieren und smart betreiben – das entspricht einer signifikanten Größe im Netz. Gleichzeitig eine Marktkapitalisierung, die es uns erlaubt, weltweit zu skalieren und nicht nur regional.
Und: Wir wollen, dass Strom für Haushalte so günstig wie möglich wird – mit intelligentem Netzbetrieb, Eigenproduktion und Speichern.

Carsten: Last question: Welchen Rat gibst Du Gründerinnen und Gründern in der Cleantech-Branche?
Philipp: Fokussierung zahlt sich aus – wähle ein Thema, wo Hardware, Software und Markt zusammenkommen. Baue das richtige Team, vernachlässige nicht die Installations-/Handwerksseite – bei Energie zählt die „last mile“. Und: Sei früh marktplatzfähig, nicht nur technologiefähig.

Vielen Dank, Philipp, für das inspirierende Gespräch. Wir sind gespannt auf die nächsten Schritte bei 1KOMMA5° – und darauf, wie sich der Energiemarkt mit Euch wandelt.