Tech & Trends Kampf, KI und Lebensretter

Kampf, KI und Lebensretter

„Wir müssen mit 1500 Schwerverletzten rechnen – pro Tag!“ Peter Bibertaler wählt drastische Worte, wenn es um die Folgen von Kriegen geht. Seine Prognose für den Fall eines Konfliktes zwischen der Nato und Russland baut auf den Erfahrungen aus dem Krieg in der Ukraine. Seit drei Jahren versorgt der Leiter der Unfallchirurgie im Münchener „Klinikum Rechts der Isar“ viele Opfer aus diesem Konflikt. Wichtig sei eine schnelle Versorgung, so der Spezialist. Aus diesem Grund habe man zu Beginn des Krieges die Ärzte an die Front gebracht. Das hatte fatale Folgen: Heute fehlen viele Ärzte, weil sie durch Nähe zu den Kampfhandlungen umgekommen sind. 

Diese Entwicklung betrachtet auch die Bundeswehr mit Sorge und hat deshalb bei Ernst Wilhelm Rittinghaus nachgefragt, ob es nicht eine Möglichkeit gäbe, Verletzte schnell vom Schlachtfeld weg zu einer gesicherten Versorgung zu transportieren – möglichst ausgeflogen. Den Militärs schwebte eine Rettungsdrohne vor. Der Unternehmer kennt sich als Miteigentümer des Rettungswagenbauers Binz mit der Materie aus. „Am Anfang habe ich bei diesem Gedanken gelacht“, gibt er zu. Doch im Gespräch mit Bibertaler und anderen Spezialisten ist aus der schrägen Idee in konkretes Geschäftsmodell geworden.

Vier Jahre später hat das Start-up Avilus von Rittinghaus und seinen Partnern mit der Serienfertigung von so einer Rettungsdrohne begonnen. Im kommenden März sollen die ersten Modelle ausgeliefert werden. Aktuell beschäftigt das Unternehmen aus Ismaning bei München rund 100 Ingenieure. Das Flugobjekt hat eine Spannweite von acht Metern und wird von zwölf Elektromotoren angetrieben. Die Reichweite beträgt rund 60 Kilometer. „So viel brauchen wir in der Praxis nicht. In der Regel reichen 20 bis 30 Kilometer“, erklärt Rittinghaus. Die Rettungsdrohne wird autonom von einer KI gesteuert. Geflogen wird in nur 30 Metern Höhe was den Abschuss erschwert. Die Systeme seien mehrfach ausgelegt, so dass auch einzelne Treffer den Flug nicht stoppen könnten. Im Extremfall könnte sie aber per Fallschirm immer noch sicher Landen. Langfristig will die Bundeswehr mehr als 200 der selbstfliegenden Rettungsinseln beschaffen.

Prof. Dr. Peter Biberthaler bei DieBusinessPunk 2025 im Rahmen des Ludwig Erhard Gipfels in Gmund am Tegernsee, Foto Credit: Stellan Gottschalk

Die Rettungsflieger sind im Gegensatz zu Hubschraubern leicht zu warten. Kommt der Patient am Ziel an, wird der Speicher und eventuell beschädigte Teile schnell ausgetauscht. Und schon kann der nächste Flug beginnen, der auch in der Nacht erfolgen kann – die KI machts möglich. Avilus-Chef Rittinghaus sieht nichts Verwerfliches darin, dass die Entwicklung auf Basis von militärischen Vorgaben begonnen wurde. „Wir sind die Guten, weil wir Menschenleben retten.“ Er sieht in zivilen Anwendungen für die kommenden Jahre Wachstumsraten, von denen die Autoindustrie nur träumen kann.

Die einzelne Rettungsdrohne kostet derzeit zwar weit mehr als eine Million Euro. Allerdings ist dies immer noch weit weniger als der Preis, der für einen Hubschrauber aufgerufen wird. Für Profi-Retter Bibertaler eröffnet die Technologie nicht nur deshalb völlig neue Möglichkeiten. Bei der Flutkatastrophe im Ahrtal hätten zerstörte Straßen einen schnellen Einsatz verhindert. Auch bei Unglücken in schwer zugänglichem Gelände, könnten die Rettungsdrohnen dazu beitragen, dass Menschenleben gerettet werden. „Zeit ist aus Sicht der Chirurgen wie Medizin“, sagt Bibertaler. Inzwischen entwickle man die KI schon weiter. Sie soll vor Ort selbst erkennen, welcher Patient besonders schnell abtransportiert werden muss. 

Der Talk: KI und Krieg bei DieBusinessPunk 2025 im Rahmen des Ludwig Erhard Gipfels in Gmund am Tegernsee, Foto Credit: Stellan Gottschalk

Das Beispiel macht deutlich, wie KI auch den Krieg zunehmend prägt. So ist es der Technologie zu verdanken, dass das ukrainische Militär durch Auswertung von Daten, Kommunikation und Satellitenbildern bis heute der russischen Übermacht trotzen konnte. KI wird aber auch zunehmend bei Cyberangriffen und Desinformationskampagnen eingesetzt.