Tech & Trends KI-Cops in Hamburg: Deutscher Testlauf im Schatten von Chinas Überwachungsstaat

KI-Cops in Hamburg: Deutscher Testlauf im Schatten von Chinas Überwachungsstaat

Fehlalarme und Verdrängungseffekte

Die Testphase am Hansaplatz von Juli bis Oktober 2023 zeigte die Schwächen des Systems. Trotz positiver Selbstevaluation durch die Polizei kam es nur zu einem einzigen Strafverfahren – aber zu mehreren Fehlalarmen. Matthias Marx vom Chaos Computer Club (CCC) findet klare Worte: „Das System kann nicht leisten, was es verspricht. Es kann Umarmungen nicht sauber von einer Schlägerei unterscheiden“, so Marx laut „taz.de“.

Noch problematischer sei jedoch der gesellschaftliche Aspekt. Der Hansaplatz ist bekannt als Treffpunkt marginalisierter Gruppen wie Drogenabhängiger, Sexarbeiter und Obdachloser. Die verstärkte Überwachung verdrängt diese Menschen lediglich in andere Bereiche, ohne die sozialen Probleme zu lösen. Das Bündnis Hansaplatz, das sich als Reaktion auf die KI-Testphase 2023 gegründet hat, kritisiert diese Verdrängungspolitik scharf.

Bundesweiter Trend zur KI-Überwachung

Hamburg ist nicht allein mit seinen Plänen. Bundesweit setzen immer mehr Bundesländer auf KI-gestützte Videoüberwachung. Berlin nutzt ähnliche Systeme bereits, Hessen und Rheinland-Pfalz testen sie, und auch Niedersachsens Innenministerin Behrends (SPD) zeigt Interesse, wie „taz.de“ berichtet. Gleichzeitig lehnte Hamburg kürzlich die umstrittene Analysesoftware des US-Unternehmens Palantir ab – ein Zeichen für die Ambivalenz im Umgang mit Überwachungstechnologien.

Die Hamburger Regierungsparteien SPD und Grüne haben sich bereits für eine Ausweitung der KI-Überwachung auf weitere Standorte ausgesprochen. Ob das System tatsächlich wie geplant am 1. September startet, bleibt jedoch offen – zu viele datenschutzrechtliche Fragen sind noch ungeklärt.

Business Punk Check

Die KI-Überwachung in Hamburg zeigt exemplarisch, wie Tech-Hype und Realität auseinanderklaffen. Die Technologie verspricht präventive Sicherheit, liefert aber hauptsächlich Fehlalarme und Verdrängungseffekte. Der eigentliche Zweck scheint weniger die Verbrechensbekämpfung als die Sammlung von Trainingsdaten für KI-Systeme zu sein – auf Kosten der Privatsphäre.

Für Unternehmen im Security-Tech-Bereich öffnet sich ein Milliardenmarkt, während die ethischen Fragen unbeantwortet bleiben. Die wahre Innovation wäre ein System, das soziale Probleme löst statt sie zu verschieben. Entscheider sollten sich fragen: Ist mehr Überwachung wirklich die Antwort auf gesellschaftliche Herausforderungen, oder brauchen wir intelligentere Lösungen jenseits des Kontrollparadigmas?

Häufig gestellte Fragen

  • Wie zuverlässig ist die KI-gestützte Videoüberwachung wirklich?
    Die bisherigen Tests in Hamburg zeigen erhebliche Schwächen: Das System produzierte mehrere Fehlalarme und konnte alltägliche Interaktionen wie Umarmungen nicht zuverlässig von Schlägereien unterscheiden. In der gesamten Testphase 2023 führte die Technologie nur zu einem einzigen Strafverfahren.
  • Welche Datenschutzprobleme entstehen durch die KI-Überwachung?
    Die größten Probleme liegen in der Speicherung und Weitergabe der Daten. Hamburg hat sein Polizeigesetz so geändert, dass Überwachungsdaten als Trainingsdaten für KI-Systeme genutzt werden können – bei zu hohem Anonymisierungsaufwand sogar ohne Anonymisierung. Zudem bleibt unklar, wer Zugang zu den Daten erhält und wie lange sie gespeichert werden.
  • Welche Alternativen gibt es zur technologischen Überwachung?
    Statt in Überwachungstechnologie könnten Städte in soziale Programme, Suchtprävention und Wohnungslosenhilfe investieren. Erfolgreiche Modelle aus anderen Städten zeigen, dass aufsuchende Sozialarbeit, niedrigschwellige Hilfsangebote und Begegnungsorte nachhaltigere Lösungen bieten als Verdrängungspolitik durch Überwachung.
  • Wie entwickelt sich der Markt für KI-Überwachungstechnologie?
    Der globale Markt für KI-gestützte Sicherheitstechnologie wächst rasant und soll bis 2028 ein Volumen von über 35 Milliarden Dollar erreichen. Neben etablierten Anbietern wie dem Fraunhofer-Institut drängen zahlreiche Startups in den Markt. Gleichzeitig wächst der gesellschaftliche Widerstand, was zu strengeren Regulierungen führen könnte.

Quellen: „futurezone.at“, „taz.de“, „ndr.de“

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