Tech & Trends „Nach über 100 Jahren ein neuer deutscher Panzerbauer – das wird Industriegeschichte schreiben.“

„Nach über 100 Jahren ein neuer deutscher Panzerbauer – das wird Industriegeschichte schreiben.“

Leicht zu verlegen, schwer zu stoppen: ARX erreicht Wirkung im Gefecht über Vernetzung, nicht durch Masse.

Ich habe mit Marc Wietfeld gesprochen – ehemaliger Bundeswehroffizier und Mitgründer von ARX Robotics in München. ARX baut kleine, robuste Bodenroboter für gefährliche Aufgaben: Kisten durchs Gefechtsfeld schleppen, Verwundete ziehen, voraus aufklären. Dazu kommt ein Betriebssystem, das neue und alte Fahrzeuge miteinander vernetzt und per Funk aktualisiert. Ziel: weniger Risiko für Menschen, mehr Wirkung im Team.

Das für den Kontext. Zurück in meinen Interview-Vormittag: Mein Kaffee wird kalt. Wir hatten über LinkedIn geschrieben; ein Treffen in München scheiterte an unseren beiden Kalendern. Also Teams, kurz vor Mittag. Marc Wietfeld kommt ein paar Minuten später in den Call – „sorry, wichtige Gespräche“ – und legt los.
„Unser Produkt kommt aus den Bedürfnissen aus der Truppe und nicht von irgendwelchen wilden Gedanken aus der Silicon Valley Garage.“ Zwei Sätze – und die Richtung stand. Kein Gründerpathos, sondern wir stiegen direkt ab ins Produkt.

Die Skizze seines Geschäftsmodells ist klar: erst der Bedarf in der Truppe, daraus das Produkt, am Ende die Serie. Genau darüber sprechen wir: GEREON als leichtes Lasttier, das in einen Transporter passt und keine Schwerlastlogistik braucht. Mithra OS als Betriebssystem für das Zusammenspiel zwischen den Fahrzeugen. Und die Grundidee dahinter: Teamplay schlägt Masse.

Was ARX baut 

Stell dir ein elektrisches Lasttier auf Ketten oder Rädern vor. Es trägt Munition und Wasser, zieht Verwundete aus der Gefahrenzone und schaut um die Ecke, bevor Menschen es tun müssen. Das ist GEREON: ein unbemanntes Bodenfahrzeug, modular ausrüstbar für Logistik, Aufklärung und Verwundetentransport.

Die Basisklasse wiegt rund 400 Kilo, bewegt eine gute halbe Tonne Nutzlast, fährt je nach Gelände 20 bis 30 km/h und kommt pro Einsatz bis etwa 40 Kilometer weit. Fernsteuerung läuft über gesicherten Funk über einige Kilometer; wo Mobilfunk verfügbar ist, lässt sich die Reichweite über 4G oder 5G verlängern. Entscheidend ist weniger die einzelne Maschine als die Geschwindigkeit, mit der sie am Ort ist, und wie gut sie mit anderen zusammenarbeitet.

Warum das Zusammenspiel der Hebel ist

Allein ist so ein Roboter nützlich. Im Verbund wird er stark – im Team mit weiteren Robotern, mit Drohnen, mit bemannten Fahrzeugen und natürlich mit den Menschen. Die Software dafür heißt Mithra OS. Man kann sich das wie beim Smartphone vorstellen: Aus einer einzelnen Maschine wird ein vernetztes Endgerät, das sich per Funk aktualisieren lässt – robust genug für den Einsatz.

Was das im Alltag bedeutet:

  • Fernsteuerung aus dem Leitstand, stabil und sicher.
  • Wegpunkte: vorher festgelegte Routen, die der Roboter eigenständig abfährt.
  • Folgemodus: der Roboter zieht Kisten oder eine Trage und bleibt automatisch beim Trupp; die Soldaten haben die Hände frei.
  • MUM-T (Manned Unmanned Teaming): ein bemanntes System steuert unbemannte Plattformen direkt, zum Beispiel ein Schützenfahrzeug oder Drohnen.
  • C2-Anbindung: die digitale Lagekarte mit Aufträgen; GEREON ist dort voll integriert.
  • Funk-Updates während des Betriebs: neue Funktionen kommen drahtlos, die Flotte bleibt einsatzbereit.

Das gilt nicht nur für neue Plattformen. Nachrüsten macht Bestandsfahrzeuge smart. Drive by Wire bedeutet, dass Gas, Bremse und Lenkung elektronisch angesteuert werden. Sensoren und Rechner ergänzen das System – fertig ist das softwaredefinierte Fahrzeug. Wietfelds Praxisbeispiel: Bei der Mercedes-G-Klasse war der Umbau in etwa zwei Wochen erledigt, tief bis in Motor und Getriebe. Sein Fazit zu Mithra OS: „ein Gehirn“ für alte Fahrzeuge.

Was sich dadurch im Einsatz ändert

  • Nachschub: Früher trugen Soldaten Kisten über das offene, ungeschützte Feld. Heute fährt GEREON vor und nimmt das Risiko.
  • Aufklärung: Zuerst schaut das System um die Ecke, danach entscheiden die Menschen.
  • Verwundetentransport: Der Roboter bringt Verwundete bis zur Sammelstelle; dort übernehmen die größeren Fahrzeuge.

Das bringt Tempo, spart Sonderlogistik – und rettet Leben.

Vom Übungsplatz in den Einsatz

Labor-Show ist das nicht. Die Feuerprobe sind NATO-Übungen. In Litauen liefen GEREON-Teams in Logistik, Aufklärung und Verwundetentransport; in Großbritannien folgten Vorführungen mit der British Army. „Das waren keine reinen Innovation-Tracks, sondern einsatzähnliche Lagen mit echtem Systemdruck – und sie zeigen, wie solche Systeme zum taktischen Mittel der Wahl werden können,“ sagt Marc Wietfeld.

Das setzt sich in der Ukraine fort: Deutschland finanzierte 30 GEREON-Fahrzeuge. Die Entscheidung fiel Ende 2024, Serie und Anlieferungen starteten Anfang 2025. Darauf baut ARX die Combat-Linie: Combat GEREON nutzt die gleiche Basis, ergänzt um eine ferngesteuerte Waffenstation (LOKI). Das Betriebssystem bleibt identisch, die Rolle ist eine andere. Wichtig ist der Lernzyklus: Aus dem Einsatz wird Feedback, daraus entstehen Updates, die per Funk in die Flotte gehen. So reift das System im Betrieb – nicht im Prospekt.

Tempo zählt: Beschaffung, Standort, Kapital

Bis 2023 war das Umfeld in Deutschland zäh: kleine Budgets, langsame Prozesse, wenig Infrastruktur für Neues. Wietfelds Grundsatz: „Unbemannte Systeme sind ein Numbers Game. Serie statt Pilotromantik.“ Genau dorthin bewegt sich ARX – mit Finanzierung für Software und Produktion und mit München als Standort. Universität der Bundeswehr, Übungsplätze, belastbare Zulieferer: ein Ort, an dem man Roboter nicht nur zeigt, sondern unter realen Bedingungen erprobt und ausrollt. Zivile Piloten hat es gegeben, der Fokus bleibt militärisch – weil dort der Bedarf akut ist.

Wie die Partnerschaft mit RENK die Schlacht verändert

RENK steht in Deutschland und Europa für Antriebe und Getriebe bei schweren Kettenfahrzeugen; beim Leopard 2 stammt das Getriebe von dort. Übersetzt bedeutet das: Zuverlässigkeit, Zulassung, Lieferketten.

Gemeinsam legen ARX und RENK die Basis für softwaredefinierte Mobilität am Boden. Robotik und Software treffen auf Fertigungsdisziplin und Industrialisierung. Praktisch heißt das: heute Sensorpaket und Fernsteuerung, morgen ein Autonomie-Modul – ohne das Grundfahrzeug zu tauschen. Die gleiche Logik skaliert nach oben, bis in zweistellige Tonnenklassen. Wietfeld setzt die Klammer: „Nach über 100 Jahren bekommt Deutschland einen neuen Panzerbauer.“ Gemeint ist nicht der nächste Stahlkoloss, sondern Landfähigkeiten, die durch Software wachsen. Verfügbarkeit, Nachrüstbarkeit, Updates im Feld – genau das entscheidet am Ende die Lage.

Wie geht es mit ARX weiter?

„Serie schlägt Showcase – nur, was in der Truppe trägt, zählt,“ sagt Wietfeld. Daran hängt für ihn auch die Grundsatzfrage: Heizen solche Systeme Konflikte an – oder verhindern sie sie? Seine Linie ist eindeutig: „Verteidigung heißt, dem Angreifer die Lust am Angriff zu nehmen. Niemand führt einen Krieg, den er sicher verliert.“ Abschreckung als Schutzmechanik, nicht als Pose.

Die Leitplanken sind klar. In Deutschland greift die Exportkontrolle des BAFA, in der EU die Dual-Use-Verordnung – inklusive Catch-all, der Auffangklausel, die auch nicht gelistete Güter umfasst, wenn sie militärisch nutzbar sind. ARX legt darüber Selbstbindung: westlich-europäische Eigentümerstruktur, klare Investorenlinien, Fokus Europa. Oder, wie Wietfeld es auf den Punkt bringt: „Die Technologie bleibt hier.“

Der Blick nach vorn ist damit umrissen: nachrüsten statt wegwerfen, Software statt Stillstand, Funk-Updates im laufenden Betrieb – und all das innerhalb eines sauberen regulatorischen Rahmens. Nimmt Europa diesen Ansatz ernst, entsteht genau das, was er zu Beginn skizziert hat: Industriegeschichte – leise, skalierbar, verantwortet.

Und ja: ein neuer deutscher Panzerbauer – softwaredefiniert statt stahlverliebt.