Tech & Trends Roboter statt Rentendebatte – Hellermann baut die Zukunft schneller als Deutschland Anträge stempeln kann

Roboter statt Rentendebatte – Hellermann baut die Zukunft schneller als Deutschland Anträge stempeln kann

Er redet nicht über die nächste Dating-App, sondern über Roboter-Rente, 48-Stunden-Baugenehmigungen und Bollywood-Transformatoren. Patric Hellermann, Founding Partner beim VC-Fonds Foundamental, investiert in ConstructionTech und baut damit an nichts Geringerem als dem nächsten Wirtschaftswunder – global, laut und mit deutscher Gründlichkeit.

Herr Hellermann, Sie sprechen von einer „Roboter-Rente“. Können Sie uns erklären, was Sie darunter verstehen?

Patric Hellermann: Sehr gerne. Wir diskutieren in Deutschland seit Jahren darüber, ob wir länger arbeiten, müssen, weil die Demografie uns dazu zwingt. Friedrich Merz sagt: „Wir müssen wieder fleißig sein“. Dem stimme ich zu. Ich sage aber: Lassen wir Technologie für uns arbeiten, können wir die Debatte umdrehen. Mit Robotik und Automatisierung schaffen wir es, dass wir Deutschen früher in den Ruhestand gehen, können, nicht später. Jeder Bauroboter übernimmt schwere körperliche Arbeit, die bislang Menschen belastet hat. Dadurch entstehen mehr Freizeit und gesündere Lebensjahre. Bauarbeiter werden zu Aufsehern, zu Robot-Supervisoren. Das ist ein Paradigmenwechsel: Von der Maloche zur frühen Rente, weil wir mit Optimismus unseren Sinn für Automatisierung wieder entdecken. Eine Gesellschaft, die so arbeitet, kann mit 55 gesund in Rente gehen und das ist eine Perspektive, die viele begeistert. Wenn man ihnen erstmal Optimismus gibt.

Ein anderes Thema, das Sie stark machen, sind schnellere Genehmigungen. Sie sprechen von einer 48-Stunden-Baugenehmigung. Ist das nicht eine kühne Vision?

Ja, es ist kühn, aber absolut machbar. Wir brauchen nur den Mut, Bestehendes zu hinterfragen. In Estland etwa dauert ein Bauantrag weniger als 30 Tage. Dort wurde die Verwaltung radikal digitalisiert. Große Sprachmodelle in der KI sind absolut in der Lage, enorme Textmengen zuverlässig zu verarbeiten. Warum also nicht bei uns zwei Tage? Der einzige Grund ist ein politischer Unwille. Technologisch ist das heute Abend möglich. Mein Vorschlag: Gründergeist dorthin bringen, wo heute Bürokratie herrscht, direkt in die Bauämter. Ein „Gründer pro Gemeinde“ könnte Prozesse digitalisieren, Genehmigungen automatisieren und so ganze Bauvorhaben beschleunigen. In den Vereinigten Staaten stellt das Department of Defense Gründertalente ein und stellt diese für 10-12 Wochen an junge Unternehmen ab, die mit dem DoD ins Geschäft kommen wollen. Die Aufgabe dieser Talente ist, den Kompetenz- und Technologietransfer massiv zu beschleunigen. Das funktioniert. Stellen Sie sich nun vor: Man reicht einen Antrag ein, und zwei Tage später ist die Genehmigung da. Das wäre ein Signal, dass Deutschland Tempo kann. Und ein Wirtschaftswachstum um Milliarden innerhalb weniger Monate.

Sie fordern auch beim Thema Energiewende neue Wege und sagen „Namaste Netzausbau“. Was meinen Sie damit?

Ohne Netzhardware keine Energiewende. Denken Sie beispielsweise an Transformatoren. ZVEI schätzt richtigerweise, Deutschland braucht 25.000 Stück pro Jahr – 500.000 bis 2045 – um unsere Netze fit zu machen. Das Problem: Die Produktionskapazität haben wir heute nicht in unseren Lieferketten. Indien dagegen produziert Transformatoren in höchster Qualität und enormer Stückzahl. Warum also nicht Partnerschaften eingehen? Deutsche Ingenieurskunst und Sicherheitsstandards treffen auf indische Produktionsstärke. Das ist kein Notbehelf, sondern eine Win-Win-Situation. Wir sichern unsere Energieversorgung und schaffen gleichzeitig neue Brücken zwischen Kulturen und Märkten. Vom „Bollywood bis zur Baustelle“ – diese Zusammenarbeit ist entscheidend für den Erfolg der Energiewende.

Was heißt das für den deutschen Mittelstand? Viele fürchten, beim Wandel abgehängt zu werden.

Im Gegenteil: Für unseren Mittelstand öffnen sich riesige Chancen. Ein Beispiel ist das intelligente Koppeln deutscher Roboter und Automatisierungssysteme mit neuen Finanzprodukten. Bisher mussten Kunden deutscher Maschinenbauer häufig unsere teuren Maschinen kaufen, ein Modell, das bei weicher Nachfrage zu massiven Produktionseinbrüchen führen kann. Das sehen wir beispielsweise bei unseren heimischen Marktführern in der Maschinerie für Batteriefertigung. Es besteht eine große Finanzierungslücke in Europa und den USA, Automatisierungstechnik von unseren Mittelständlern zu beschaffen. Mit innovativen Finanzprodukten, die unseren Mittelständlern zugänglich gemacht werden, wird High-Tech plötzlich für jeden unserer Kunden in jeder Marktsituation erschwinglich. Ich kenne Unternehmen, die ihren Umsatz verdreifacht haben, weil ihre Maschinen so für viel mehr Kunden zugänglich wurden. Die Banken finanzieren das aber nicht, Leasinggesellschaften benötigen Restwerte. Wir haben hier eine enorme Chance, die Wettbewerbsfähigkeit des Mittelstands massiv zu beschleunigen.

Sie sprechen oft über internationale Erfolge deutscher Investoren, gerade in Asien. Warum hören wir davon so wenig?

Weil die erfolgreichsten Geschichten oft leise passieren. Während gerne über die nächste KI-Welle gesprochen wird, haben wir als in Deutschland ansässiger, aber globaler Investor über Jahre zwei der größten Construction-Tech-IPOs in Asien vorbereitet. Und das kommt in Asien extrem gut an und ist bemerkenswert: Hier zeigt sich, dass deutsche Gründlichkeit, gepaart mit internationalem Unternehmergeist, die globale Wirkung entfalten kann. Von Bielefeld nach Bombay – das ist kein Slogan, sondern Realität. Wir können mit Stolz anerkennen, dass wir mit deutschen Tugenden weltweit Investitionserfolge erzielen können, oft dort, wo niemand zunächst hinschaut.

Also, die Zukunft des Bauens entsteht nicht in Berlin, sondern eher in Bielefeld?

 (lacht) Ja, das kann man so sagen. In Regionen wie Ostwestfalen gibt es eine Kultur der Beständigkeit und des Tuns. Ich wohne heute selbst dort. Dort gilt: „Nicht reden, machen.“ Diese Haltung führt zu realer Substanz. Das ist vielleicht weniger kurzfristig glamourös, aber langfristig wirkungsvoller.

Sie sehen auch China als Vorbild für die Bauwirtschaft. Was kann Deutschland dort konkret lernen?

China schafft es, in Monaten ganze Stadtteile zu bauen, während wir in Deutschland oft noch über den ersten Bauantrag diskutieren. Ich spreche dabei erstmal nicht über Sinn oder Unsinn der Bautätigkeit dort. Aber Fakt ist: Der Unterschied liegt im standardisierten Bauen, planbarer und wiederholbarer Nachfrage, in guten Vorfertigungsprozessen und in einer konsequenten Umsetzungsgeschwindigkeit. Das bedeutet nicht, dass wir chinesische Standards kopieren müssen, denn wir haben die Vorfertigungs-Kompetenz zu Lande. Aber wir können uns dort in unseren Kompetenzen bestätigt sehen: Präzision bei der Planung, Standardisierung und Automatisierung in der Vorfertigung. Unsere Schwächen liegen in wiederholbarer Nachfrage Pipeline und Bürokratie. Lösen wir beides, kann hier die Post abgehen.

Sie sagen: „Deutsches Geld baut globale Bau-Giganten.“ Was meinen Sie damit?

Viele unserer größten Erfolgsgeschichten im Construction-Tech-Bereich sind nicht in Deutschland selbst entstanden, sondern im Ausland – ermöglicht durch deutsches Kapital, deutsches Know-how und unsere Art, Risiken zu kalkulieren. Ein Beispiel: Mit unseren 50 Millionen Euro Kapital – Made in Germany – halfen auch wir dabei, ein asiatisches Unternehmen aufzubauen, das heute mehrere Milliarden wert ist. „Gründlichkeit goes Global“, unsere Tugenden werden im Ausland oft besser verwertet als hierzulande. Deshalb sage ich: Wir müssen lernen, die Früchte dieser Erfolge auch zurück nach Deutschland zu holen.

Wo es aber auch viele Positiv-Beispiele gibt.

Absolut! Nehmen Sie zum Beispiel Heidelberg Materials und Dominik von Achten. Dort zeigen sie mit Mut und Weitblick, wie ein Weltmarktführer mit traditionellen Wurzeln die Zukunft aktiv gestalten kann, etwa durch Investitionen in CO2-arme Technologien. Und Goldbeck aus Ostwestfalen steht sinnbildlich für das, was ich „Hidden Champions 2.0“ nenne: Familienunternehmen, die still und leise eine ganze Branche modernisieren. Diese und mehr Beispiele sind für mich Leuchttürme und Ansporn. Sie zeigen, dass die deutsche Bau- und Baustoffindustrie nicht in der Vergangenheit stecken bleiben muss, sondern Vorreiter ist.

Viele Ihrer Ideen klingen mutig. Wie reagieren traditionelle Branchen auf Ihre Vorschläge?

Durchweg Aufbruchstimmung. Und genau das ist der Punkt: Wollen wir das Wirtschaftswunder wiederholen, müssen wir mutig handeln. Unsere größten Erfolge bauten wir immer schon auf Substanz, Kompetenz und Risikobereitschaft. Doch wenn wir nicht jetzt handeln, zahlen wir morgen den Preis für Untätigkeit. Das zeigt doch die Renteneintrittsalter-Debatte. Lasst uns darüber sprechen, wie wir andere mit uns für uns arbeiten lassen. Das lief im Wirtschaftswunder auch nicht viel anders. Deshalb setze ich auf konkrete Lösungen. Untätigkeit ist unser größter Risikofaktor als mutig zur Tat zu schreiten

Wie bleiben Sie eigentlich so optimistisch??

Indem ich meinen Blick auf unsere Chancen richte. Wir stehen an einem Wendepunkt voller Möglichkeiten: von grüner Energie über Robotik bis hin zu neuen Finanzierungsmodellen. Für mich ist das kein Grund zur Angst, sondern zur Aufbruchsstimmung. Es geht nicht darum, das Unbekannte zu fürchten, sondern es mit Mut und Neugier zu gestalten. Genau das will ich vermitteln: Die Zukunft ist nicht etwas, das uns überrollt, sie ist etwas, das wir aktiv bauen. Deutschland kann dafür stehen!

Wenn Sie einen Wunsch frei hätten: Was müsste Deutschland sofort tun, um den Wandel zu beschleunigen?

Drei Dinge: Erstens, Verwaltung digitalisieren und Regeln abschaffen – ohne Wenn und Aber. Zweitens, mutig in Zukunftstechnologien investieren mit einer massiven Mobilisierung von Kapital auch aus den Pensionskassen, statt nur laufend über Risiken zu diskutieren. Und drittens, aktiv gestaltete Partnerschaften mit indischen und chinesischen Herstellern und Geschäftspartnern. Dieses zögerliche Handeln in der volatilen Weltpolitik ist ein Fehler. Wir können mit Selbstbewusstsein, Pragmatismus und Unternehmertum die Partnerschaften der nächsten 20 Jahre heute aufsetzen. Und diese liegen in Asien mehr denn je.

Noch Lust auf ein paar persönliche Fragen?

Gerne, schießen Sie los.

Sie sagen, Sie könnten in einem Gespräch mit Stille ebenso gut umgehen wie mit Kritik. Warum?

Weil ich beides als Werkzeug begreife. Ich mag Stille und nutze sie, um mehr von Gründern oder Kandidaten zu erfahren. Kritik ohne Beleidigungen nehme ich nicht persönlich. Und selbst Beleidigungen kann ich rational einordnen, glücklicherweise bleiben sie mir meist erspart. Mich interessiert immer: Welcher Kern steckt drin, den ich lernen kann?

Viele Investoren lassen sich von Glanz und Show beeindrucken. Sie sagen: keine Fassade, keine Propaganda. Was meinen Sie damit?

Es gibt überall im Geschäftsleben Menschen, die bauen mehr Schein als Substanz, oft auch geprägt durch einen Überschuss an Kapital in schnelllebigen Sektoren wie der Tech-Industrie, in der ich mich bewege. Der Venture-Bereich verstärkt dieses Problem durchaus, und ich möchte zu einer gesunden Substanz beitragen. Ich investiere daher gezielt nicht in solche Fassaden. Für mich zählt die Substanz.

Was ist für Sie wichtiger? Fundament oder Mauern?

Bildlich gesprochen dienen Mauern der Abwehr, das interessiert mich nicht. Mich treibt der Aufbau an. Das Fundament ist entscheidend: Der richtige Markt, die richtige Strategie, beeinflussen die Returns oft mit am meisten. Dann erledigt sich der Wettbewerb manchmal von selbst. Ich habe schon als Kind Bauanleitungen weggeworfen und mit Lego lieber eigenes erschaffen. Meine Mutter lacht da heute noch drüber. So arbeite ich auch heute noch: lieber aufbauen als verteidigen.

Wenn Sie eine Minute Zeit hätten und die ganze Welt würde zuhören – was würden Sie sagen?

Hört auf, zu allem eine Meinung zu haben, und überlasst die fundierte Meinung den Menschen mit der größten Kompetenz. Wenn wir den Dunning-Kruger-Effekt überwinden, lösen wir viele Probleme von Politik bis Governance und könnten die Menschheit in 100 Jahren zu einer multiplaneten Spezies machen. Klingt erstmal verrückt, aber denkt mal drüber nach. Was uns wirklich zurückhält, sind inkompetente Meinungen, die Einfluss auf große Entscheidungen ausüben. Da kann sich jeder von uns zurücknehmen.

Sie definieren Mut nicht als Angstfreiheit, sondern als Handeln trotz Angst. Warum ist das für Sie zentral?

Weil Mut nur dann relevant ist, wenn ein echtes Risiko da ist. Die Erfolgreichsten sind nicht die, die Angst ignorieren, sondern die, die sie anerkennen und trotzdem handeln. Mut ist ein Muskel, den man sich antrainiert.

Wenn Sie Ihre Memoiren schreiben würden: Wie würden Sie beginnen und wie enden?

Wahrscheinlich so: „Ich dachte nicht, dass ich all das kann.“ Und der letzte Satz wäre: „Und deshalb kannst du das auch.“