Tech & Trends Wie aus dem H2-Hype die langweilige Realität wird

Wie aus dem H2-Hype die langweilige Realität wird

Wasserstoff war vor einiger Zeit noch das nächste große Ding. Dann tauchte das Thema aus der Öffentlichkeit ab. Doch im Hintergrund wird hart daran gearbeitet, den Brennstoff der Zukunft durchzusetzen.

In Salzgitter wird derzeit hart gearbeitet. Schon 2026 soll hier die erste Stahlanlage stehen, die vollständig mit Wasserstoff arbeitet. 9000 Tonnen des Energieträgers will die Salzgitter AG selbst vor Ort herstellen, weitere 141.000 Tonnen importieren. „Wir haben ehrgeizige Ziele“, sagt Holger Kreetz mit Blick auf ganz Deutschland auf dem Ludwig-Erhard-Gipfel am Tegernsee. Der COO von Uniper steht in der ersten Reihe beim Aufbau der deutschen Wasserstoff-Industrie und rechnet vor: 60 Megawatt Elektrolyse-Kapazitäten gäbe es schon, mehrere hundert seien im Bau. Benötigt werden laut Zielsetzung bis 2030 aber zehn Gigawatt. „Für eine klimaneutrale Wirtschaft müssen wir elektrifizieren, aber für die Industrie, Schwerlast und so weiter brauchen wir Wasserstoff“, sagt Veronika Grimm aus dem Sachverständigenrat für Wirtschaft, „aber die Umsetzung ist ein Paradebeispiel, wie man es nicht machen sollte.“

Die Wirtschaftsweise bemängelt vor allem die Komplexität der 2020 aufgesetzten Nationalen Wasserstoffstrategie. Es seien so viele Regelungen geschaffen worden, „durch die nur Großkonzerne mit entsprechenden Kapazitäten durchblicken können.“ Kleinere und mittlere Betriebe würden so faktisch vom Wettbewerb ausgeschlossen. Ergebnis: Der Hype, den es noch vor wenigen Jahren um Wasserstoff gab, ist verflogen.

Dabei ist die Umstellung von Kohle und Gas auf Wasserstoff enorm wichtig für die deutsche Wirtschaft. „Wenn wir die Industrie wie Stahl und Chemie in Deutschland halten wollen, müssen wir von Methan auf Wasserstoff wechseln“, sagt Kreetz. Während sich vieles in der Gesellschaft elektrisieren lasse, gelte das nicht für die Schwerindustrie oder den Schwertransport, also zum Beispiel Schiffe.

Gelinge die Transformation hier nicht besser, sieht Grimm große Probleme. „Durch Deindustrialisierung fördern wir auch den Klimaschutz nicht, die Produkte werden dann anderswo schmutziger hergestellt und wieder importiert.“ Für sie ist klar, dass Deutschland „eine gut funktionierende Wirtschaft mit Klimaschutz kombinieren“ müsse. Das würde dann auch als Vorbild für aufstrebende Schwellenländer wie Indien wirken. „Die werden nur auf klimafreundliche Industrie umschwenken, wenn wir zeigen, dass das geht.“ Dass es geht, davon ist die Wirtschaftsweise überzeugt. Klimaschutz und steigendes Wirtschaftswachstum seien kein Widerspruch.

Wie in vielen anderen Bereichen bemängelt die Wirtschaft aber auch beim Wasserstoff die zu große Wankelmütigkeit der Politik. „Wasserstoff ist unersetzlich“, sagt Timm Kehler, Vorstand des Verbandes der Gas- und Wasserstoffwirtschaft, „aber die Infrastruktur dafür aufzubauen, ist eine Sache von Jahrzehnten.“ Er hat große Angst, dass die Politik die zarten Anfänge gleich wieder torpediert – etwa durch zu viele und zu engmaschige Regeln. „Es geht derzeit um langfristige Investitionen, etwa in der Stahlindustrie. Da sind weniger Regularien besser, weil man besser planen kann.“ Außerdem würde das Unternehmen ein bisschen Luft für Experimente lassen.

Ein Detail, über das viel diskutiert wird, ist die passende Farbe des Wasserstoffs. Das Element an sich ist farblos, doch Wasserstoff wird je nach seiner Gewinnungsart in Farben eingeteilt. Am besten ist grüner Wasserstoff, der aus Wasser und erneuerbaren Energien komplett emissionsfrei hergestellt wird. „Grüner Wasserstoff ist am besten, um Spitzen bei der Produktion erneuerbarer Energien ausgleichen zu können“, sagt Kehler. Wenn die Sonne knallt und der Wind pfeift, können Überkapazitäten so in Wasserstoff gespeichert werden – für Dunkelflauten zum Beispiel. Gaskraftwerke können den Stoff dann wieder in Strom umwandeln. „Langfristig wird es nur grünen Wasserstoff geben. Nichts ist günstiger, als Solarstrom in der Wüste zu erzeugen. Da kommen wir an viel günstigeren Wasserstoff als heute“, sagt Kehler.

Doch kurzfristig ist noch blauer Wasserstoff nötig. Der wird aus Methan gewonnen, was wiederum aus Erdgas stammt. Dabei entsteht CO2 als Abgas. „Für eine Grundversorgung brauchen wir blauen Wasserstoff“, sagt Kehler. Auch Uniper-COO Kreetz glaubt, dass die ehrgeizigen Ausbauziele nur damit zu erreichen sind. Solche Fragen müssen parallel zum Aufbau der Infrastruktur diskutiert werden. Es braucht Gasspeicher, Leitungen und Importterminals. „Wir bauen jetzt das Kernnetz auf, das wird aber bis Mitte der 2030er Jahre dauern“, sagt Kehler. Von der neuen Bundesregierung erhoffen sich alle drei dabei viel Unterstützung.