Person
Interview icon Interview Gast:
Felix Nienstädt
  Gründer:

- Felix Nienstädt

- Co-Founder Gixel

- Vollzeit-CEO & Tech-Visionär im Bereich AR-Displays

- Background: Informatiker und Architekt, mit Expertise in Data

- Mission: reale AR-Erlebnisse durch Mikrospiegel-Displays


Unternehmen:

- Name: Gixel GmbH

- Gründung: 2019

- Sitz: Karlsruhe

- Branche: AR-/Display-Technologie & Optoelektronik


www.gixel.de
16. Oktober 2025

Felix Nienstädt

Science ohne Fiction – der Traum vom AR-Alltag

Felix baut an der Zukunft, die wir bisher nur aus Sci-Fi-Filmen kennen. Als Mitgründer von Gixel arbeitet er an AR- und AI-Brillen, die virtuelle und reale Welt verschmelzen lassen – nicht als Gimmick, sondern als neues Interface fürs Leben. Vom Hochbegabtenprogramm über Architektur und Software Engineering bis zu DeepTech-Gründung: Felix verbindet Design, Ingenieurskunst und Vision.

Ein Gründer, der das Unsichtbare sichtbar machen will und Deutschland zeigen, dass DeepTech auch hier radikal möglich ist.

[André Patrzek]: Felix, wenn du an deine Kindheit denkst, gab es etwas, das deine berufliche Laufbahn schon damals geprägt hat? 

[Felix Nienstädt]: Ich war immer neugierig – und Technik hatte auf mich schon als Kind eine fast magische Anziehung. Computer, Elektronik, alles, was man irgendwie verstehen oder auseinandernehmen konnte, hat mich fasziniert. Ich wollte nicht nur wissen, wie Dinge funktionieren, sondern warum – und wie man sie besser machen kann. Dieses Verständnis zu nutzen, um etwas Neues zu erschaffen, ist bis heute mein Antrieb als Gründer.

[AP]: Warst du früher eher Bastler, Gamer oder Träumer?

[FN]: In meiner Teenagerzeit war’s klar Gaming, auch richtig kompetitiv. Da ging’s nicht nur ums Spielen, sondern ums Verstehen und immer besser werden. Meist im Team, zu zweit bis hin zu einem eigenen Clan mit Hunderten Mitgliedern weltweit. Das war eine spannende und lehrreiche Zeit – zum Beispiel, wie man sich über Zeitzonen hinweg organisiert. Und das in den 90ern, als es noch kein Discord oder Slack gab.

[AP]: Du warst Teil eines Hochbegabtenprogramms. Wie war das, mehr Chance oder mehr Druck?

[FN]: Ich habe in der Schule alles schnell aufgenommen, war aber ehrlich gesagt oft faul. Wenn das Tempo zu langsam war, ist meine Motivation in den Keller gefallen. Das Hochbegabteninternat in Braunschweig war da ein echter Gamechanger. Der Stoff war schneller, tiefer und die Lehrkräfte, teils Uni-Professoren, haben uns wirklich gefordert und ihren Beruf als Leidenschaft verstanden. Ich hatte schon immer ein großes Interesse am Lernen und Neuen, auch wenn der Begriff ‚Lernen‘ in der Schule leider oft ein negatives Image hat. Das liegt meiner Meinung nach aber eher am System, nicht am Lernen selbst. Lernen ist eigentlich das Natürlichste überhaupt.

[AP]: Was hast du aus deinem Architekturstudium am KIT mitgenommen, fürs Denken, fürs Design, fürs Gründen?

[FN]: Das Architekturstudium war toll. Es hat meinen Horizont in eine ganz andere Richtung erweitert – den Menschen, Usability, Design. Ein Professor hat es einmal treffend formuliert: Ingenieure lösen scharfe, klar definierte Probleme. Architekten lernen, unscharfe Probleme zu lösen. Und genau das ist auch Gründen, man arbeitet in einem offenen Raum voller Unbekannter und muss Struktur in Unschärfe bringen. Gleichzeitig hat mir das Studium Fleiß beigebracht, dieses Dranbleiben, Tage und Nächte, über Monate hinweg, bis etwas dem Perfekten so nah wie möglich kommt.

[AP]: Nebenbei hast du dich tief in Informatik und Software reingearbeitet. Was hat dich an dieser Kombi aus Struktur und Kreativität gereizt?

[FN]: Computer und Software waren von dem Moment an, als ich Zugang zu einem Rechner hatte, meine Leidenschaft. Wie in der Architektur konnte ich auch hier Dinge erschaffen, nur eben digital. Aber sie waren trotzdem real, weil sie da draußen von echten Menschen genutzt wurden. Es war auch ein Ausgleich: Logik und Struktur, und gleichzeitig mein Einstieg ins Arbeitsleben. Ich konnte damit mein Studium finanzieren.

[AP]: Deine erste Station war effective GmbH – Software, Echtzeit-Analytics, Hardcore-Tech. Was waren die prägendsten Lektionen aus dieser Zeit?

[FN]: Ich hatte das Glück, bei effective für spannenden und komplexen Themen geholt zu werden. Ich hatte schnell freie Hand, die komplette Architektur zu entwerfen, umzusetzen und über Jahre zu betreuen. Dadurch habe ich früh den ganzen Lifecycle von Anwendungen erlebt und verantwortet. Die Learnings waren Gold wert. Echtzeit-Analytics war eines davon, von User Interface über Datenverarbeitung bis Skalierung, und das zu einer Zeit, als es Tools wie Google Analytics noch nicht gab.

[AP]: Später hast du Semper (UnlockYourBrain) mitgegründet. Was waren die besten Learnings, und die größten Fails?

[FN]: Semper – oder UnlockYourBrain – war mein erstes Startup, und allein deshalb unglaublich wertvoll. Geld raisen, Team aufbauen, Produkt entwickeln, Marketing, Support, das volle Programm. Wir haben damals Mikrolearning gemacht: Beim Entsperren des Smartphones bekam man kleine, kurze Aufgaben, die sich dem eigenen Lernfortschritt anpassten. Es gab unzählige Learnings, aber das wichtigste war sicher das Thema Team und Hiring. Die richtigen Menschen an Bord zu haben verändert alles, und wenn es kein Fit ist, sich schnell zu trennen. 

[AP]: Wie entstand die Idee zu Gixel, was war deine Vision?

[FN]: Gixel hat sich entwickelt. Wir sind damals mit dem Team gestartet – Miro kannte ich noch aus der Uni, wir sind viel zusammen gesegelt und arbeiten extrem gut zusammen. Ding wiederum war in Miros Arbeitsgruppe und die beiden haben schon super zusammengearbeitet. Wir ergänzen uns perfekt. Am Anfang ging’s um optische Qualitätssicherung, KI-basiert. Das lief solide, von Anfang an profitabel und komplett ohne Fremdkapital. Dann kam Corona, und wir haben die Zeit genutzt, um ein echtes Leidenschaftsthema tiefer zu erkunden: AR mit Kommunikation als Nordstern, als klares Anwendungsfeld, ohne in reines Research abzurutschen. Wir hatten vorher immer wieder damit geliebäugelt, aber auch Respekt davor, wie dick dieses Brett ist. SprinD war für uns ein echter Türöffner, sie haben an das Thema geglaubt, als es noch Vision war. Das hat uns an den Punkt gebracht, an dem wir heute stehen. Es gab keine passende Hardware. Also haben wir sie gebaut – das Display. Das war der Anfang von Gixel, wie es heute existiert.

[AP]: Ihr habt 2025 rund fünf Millionen Euro Seed-Finanzierung eingesammelt, daran hängen natürlich viele Erwartungen der Investoren. Wie gehst du damit um? 

[FN]: Mich treibt im Grunde nur eine Frage an: Wie machen wir Gixel erfolgreich? Das ist das, worüber ich nachdenke, wenn ich einschlafe, und womit ich aufwache. Vielleicht hilft der Kontext: Wir waren dank SprinD schon vorher sehr gut finanziert, ohne sie wären wir heute nicht da, wo wir sind. Die neue Seed-Runde ist also keine Zäsur, sondern der nächste logische Schritt. Der Unterschied ist: Jetzt geht’s um Beschleunigung. Wir haben die Technologie gebaut – jetzt skalieren wir sie in erste Produktintegrationen. Das Kapital gibt uns die Freiheit, Tempo zu machen, ohne Kompromisse bei Qualität und Fokus.

[AP]: Was ist aktuell die größte technische Challenge für AR‑/AI‑Display‑Brillen – Optik, Gewicht, Wärme oder Preis? Und wie geht ihr die bei Gixel an?

[FN]: Ja, eine echte See-Through-Optik ist eines der komplexesten Probleme überhaupt. Sie darf nichts wiegen, keinen Strom verbrauchen und noch unsichtbar sein. Und dann kommen noch Dutzende weiterer Herausforderungen hinzu – Andrew Bosworth, der CTO von Meta, hat dies in einem Interview treffend beschrieben. Genau deshalb gibt es bis heute keine wirklich optimale Lösung, obwohl weltweit Milliarden in die Lösungssuche investiert wurden und werden.

Wir haben eine fundamental andere optische Architektur, und sind überzeugt, dass sie das AR-Display-Problem dauerhaft löst.

„Gründen heißt, Struktur in Unschärfe zu bringen, und dabei jeden Tag etwas Neues zu lernen.“
Felix Nienstädt
Felix Nienstädt

[AP]: Wie nah seid ihr an einem echten Produkt, das man wirklich tragen will, nicht nur ein Labor-Prototyp?

[FN]: Wichtig ist: Wir arbeiten an der zentralen Komponente, wenn man so will, dem Display selbst. Wir sind dem voll funktionsfähigen Prototypen sehr nahe. Bis das Ganze dann in ein Produkt integriert ist, vergeht noch etwas Zeit, aber das kommt schneller, als viele denken. Der Schritt zur Integration ist kein Traum mehr, sondern reines Engineering.

[AP]: Der Film „Minority Report“ mit Tom Cruise hat 2002 alle mit AR-Fantasien angesteckt. Hat dich das beeinflusst, oder nervt dich der Vergleich eher?

[FN]: Ehrlich gesagt weder noch, ich mag den Film, aber er war für uns nicht die Inspiration. Mich reizt die Idee einer Welt, in der sich die digitale und die physische Realität wirklich annähern, vielleicht sogar verschmelzen. Das ist wahrscheinlich auch durch meinen Hintergrund geprägt – Software auf der einen, Architektur auf der anderen Seite.

[AP]: Du hast mal gesagt, dass ihr großen Wert auf “company culture” legt. Wie äußert sich das, und was sind eure ungeschriebenen Regeln im Team?

[FN]: Wenn ich’s kurz zusammenfasse: Wir arbeiten ohne feste Meetings, ohne starre Regeln oder Prozesse. Wir geben dem Team ein extremes Maß an Flexibilität, erwarten dafür aber Verantwortung und Mitdenken. Es geht nicht darum, einem Prozess zu folgen und den Kopf auszuschalten, sondern aktiv das Ziel voranzutreiben, mitzudenken. Wir Gründer geben uns große Mühe, ehrliches Feedback zu geben und eine Kultur zu leben, in der das normal ist. Ich habe bei Semper viel gelernt und bin heute wirklich stolz auf unser Team bei Gixel.

[AP]: Wie gehst Du mit Rückschlägen und Fehlschlägen um, sowohl persönlich als auch mit Deinem Team?

[FN]: Wir sind da ganz klassisch Startup. Wir wollen nicht unüberlegt handeln, aber auch nicht um jeden Preis Fehler vermeiden. Geschwindigkeit prägt uns, lieber schnell sein und aus Fehlern lernen. Wichtig ist, dass wir hinschauen, drüber sprechen und sie nicht wiederholen. Bisher fahren wir damit sehr gut: anschauen, reden, lernen, weitermachen.

[AP]: Hast du Mentoren oder Vorbilder, die dich beruflich inspirieren?

[FN]: Klar, erfolgreiche Persönlichkeiten sind immer faszinierend. Wir haben bei Gixel das Glück, mit Leuten wie Palmer Luckey oder Brendan Iribe im engen Austausch zu sein, das ist schon toll. Gerade persönliche Treffen sind extrem inspirierend.

[AP]: Wo siehst du Deutschland im Vergleich zu den USA oder China beim Thema DeepTech? Gibt es etwas, das sich dringend ändern müsste?

[FN]: SprinD ist ein guter Ansatz und geht definitiv in die richtige Richtung. Aber Finanzierung in Deutschland ist nach wie vor schwierig. Es beginnt schon bei der Vision, in den USA oder China ist allen klar: Das Neue kommt, man muss es nur bauen. In Deutschland wird oft gewartet, bis es da ist, und dann ist es zu spät. Auch beim Kapital ist der Unterschied spürbar. Wir sind hier stark darin, Ideen anzustoßen, aber dann fehlt die Struktur und das Geld, um die Wertschöpfung im Land zu halten. Das ist schade, und genau da müssten wir dringend mutiger werden.

[AP]: Wie gehst du mit dem Risiko um, dass eure Technologie vielleicht irgendwann überholt ist, oder ein anderes Interface den Markt übernimmt? Kann man sich auf so ein Szenario vorbereiten?

[FN]: Klar gibt es das Risiko, aber in den letzten 15 Jahren ist es nicht passiert, trotz massivem Geldeinsatz weltweit. Andere Risiken sehe ich eher bei technologischen Lock-ins, wenn sich am Ende eine technisch unterlegene Lösung durch riesigen Kapitaleinsatz durchsetzt. 

Ich sehe das ein bisschen wie beim Segeln: Ich gewinne das Rennen, wenn ich nach vorne schaue und gut konzentriert segel. Wenn ich ständig die Boote hinter mir beobachte, werde ich vermutlich nicht als Erster im Ziel sein.

[AP]: AR-Brillen bringen auch ethische Fragen: Privatsphäre, Abhängigkeit, Reizüberflutung. Wie gehst du damit um?

[FN]: Wir glauben, dass sich Verantwortung und Technologie nicht ausschließen, im Gegenteil, sie bedingen sich. Die Technologie wird kommen, und als Gesellschaft werden wir Wege finden, damit umzugehen. Ich bin da eher positiv eingestellt: Ich glaube, dass sich Dinge einpendeln, wenn sie da sind. Wir haben als Menschheit immer gelernt, mit neuen Technologien umzugehen, das wird hier nicht anders sein. Wir sehen es als unsere Verantwortung, Technologie so zu gestalten, dass sie den Menschen stärkt, nicht ablenkt.

[AP]: Wie sieht deine Vision für Gixel in fünf bis zehn Jahren aus, technisch, wirtschaftlich, gesellschaftlich?

[FN]: In fünf bis zehn Jahren ist Gixel der Standard für Displays in AR- und AI-Brillen – von Consumer-Tech bis B2B, von Smart Glasses bis MedTech. Überall, wo ein transparentes Display gebraucht wird, steckt Gixel drin. Technisch bedeutet das: höchste Bildqualität bei minimalem Energieverbrauch – so effizient, leicht und transparent, dass das Display selbst verschwindet. 

Spatial Computing wird die nächste Plattform nach dem Smartphone und wir liefern die bislang fehlende Schlüsselkomponente dafür.

[AP]: Wovon träumst Du persönlich, was würdest Du machen, wenn Zeit, Budget und Ressourcen keine Rolle spielten?

[FN]: Kurzfristig würde ich gern mehr von der Welt sehen, und mehr segeln. Das ist für mich Freiheit und Fokus zugleich. Wenn Ressourcen wirklich keine Rolle spielten, würde ich daran arbeiten, wie wir als Menschheit eine Welt schaffen, die dauerhaft ohne Krieg auskommt und lebenswert bleibt.

[AP]: Gibt es Ideen, die du bisher noch nicht verfolgt hast, aber unbedingt irgendwann realisieren willst?

[FN]: Ich hätte gern einen kleinen, mobilen Laserturm, der Mücken und Mosquitos automatisch anpeilt und in der Luft verglühen lässt.

[AP]: Und ganz ehrlich: Was bringt dich morgens wieder an den Schreibtisch, selbst wenn’s gerade richtig schwer ist?

[Felix Nienstädt]: Mich treibt die Idee an, etwas zu bauen, das bleibt. Technologie, die man nicht mehr sieht, weil sie einfach funktioniert.

[André Patrzek]: Vielen Dank Felix für das inspirierende Gespräch. Dein Weg ist echt beindruckend. Ich finde es sehr spannend, wie ihr die große Vision von Gixel angeht und dabei auf Neugier, Teamwork und Ausdauer setzt.

Das Interview führte André Patrzek für UnternehmerNEXT von Business Punk.

Company logo
  Gründer:

- Felix Nienstädt

- Co-Founder Gixel

- Vollzeit-CEO & Tech-Visionär im Bereich AR-Displays

- Background: Informatiker und Architekt, mit Expertise in Data

- Mission: reale AR-Erlebnisse durch Mikrospiegel-Displays


Unternehmen:

- Name: Gixel GmbH

- Gründung: 2019

- Sitz: Karlsruhe

- Branche: AR-/Display-Technologie & Optoelektronik


www.gixel.de
16. Oktober 2025

Felix Nienstädt

Science ohne Fiction – der Traum vom AR-Alltag

Felix baut an der Zukunft, die wir bisher nur aus Sci-Fi-Filmen kennen. Als Mitgründer von Gixel arbeitet er an AR- und AI-Brillen, die virtuelle und reale Welt verschmelzen lassen – nicht als Gimmick, sondern als neues Interface fürs Leben. Vom Hochbegabtenprogramm über Architektur und Software Engineering bis zu DeepTech-Gründung: Felix verbindet Design, Ingenieurskunst und Vision.

Ein Gründer, der das Unsichtbare sichtbar machen will und Deutschland zeigen, dass DeepTech auch hier radikal möglich ist.

[André Patrzek]: Felix, wenn du an deine Kindheit denkst, gab es etwas, das deine berufliche Laufbahn schon damals geprägt hat? 

[Felix Nienstädt]: Ich war immer neugierig – und Technik hatte auf mich schon als Kind eine fast magische Anziehung. Computer, Elektronik, alles, was man irgendwie verstehen oder auseinandernehmen konnte, hat mich fasziniert. Ich wollte nicht nur wissen, wie Dinge funktionieren, sondern warum – und wie man sie besser machen kann. Dieses Verständnis zu nutzen, um etwas Neues zu erschaffen, ist bis heute mein Antrieb als Gründer.

[AP]: Warst du früher eher Bastler, Gamer oder Träumer?

[FN]: In meiner Teenagerzeit war’s klar Gaming, auch richtig kompetitiv. Da ging’s nicht nur ums Spielen, sondern ums Verstehen und immer besser werden. Meist im Team, zu zweit bis hin zu einem eigenen Clan mit Hunderten Mitgliedern weltweit. Das war eine spannende und lehrreiche Zeit – zum Beispiel, wie man sich über Zeitzonen hinweg organisiert. Und das in den 90ern, als es noch kein Discord oder Slack gab.

[AP]: Du warst Teil eines Hochbegabtenprogramms. Wie war das, mehr Chance oder mehr Druck?

[FN]: Ich habe in der Schule alles schnell aufgenommen, war aber ehrlich gesagt oft faul. Wenn das Tempo zu langsam war, ist meine Motivation in den Keller gefallen. Das Hochbegabteninternat in Braunschweig war da ein echter Gamechanger. Der Stoff war schneller, tiefer und die Lehrkräfte, teils Uni-Professoren, haben uns wirklich gefordert und ihren Beruf als Leidenschaft verstanden. Ich hatte schon immer ein großes Interesse am Lernen und Neuen, auch wenn der Begriff ‚Lernen‘ in der Schule leider oft ein negatives Image hat. Das liegt meiner Meinung nach aber eher am System, nicht am Lernen selbst. Lernen ist eigentlich das Natürlichste überhaupt.

[AP]: Was hast du aus deinem Architekturstudium am KIT mitgenommen, fürs Denken, fürs Design, fürs Gründen?

[FN]: Das Architekturstudium war toll. Es hat meinen Horizont in eine ganz andere Richtung erweitert – den Menschen, Usability, Design. Ein Professor hat es einmal treffend formuliert: Ingenieure lösen scharfe, klar definierte Probleme. Architekten lernen, unscharfe Probleme zu lösen. Und genau das ist auch Gründen, man arbeitet in einem offenen Raum voller Unbekannter und muss Struktur in Unschärfe bringen. Gleichzeitig hat mir das Studium Fleiß beigebracht, dieses Dranbleiben, Tage und Nächte, über Monate hinweg, bis etwas dem Perfekten so nah wie möglich kommt.

[AP]: Nebenbei hast du dich tief in Informatik und Software reingearbeitet. Was hat dich an dieser Kombi aus Struktur und Kreativität gereizt?

[FN]: Computer und Software waren von dem Moment an, als ich Zugang zu einem Rechner hatte, meine Leidenschaft. Wie in der Architektur konnte ich auch hier Dinge erschaffen, nur eben digital. Aber sie waren trotzdem real, weil sie da draußen von echten Menschen genutzt wurden. Es war auch ein Ausgleich: Logik und Struktur, und gleichzeitig mein Einstieg ins Arbeitsleben. Ich konnte damit mein Studium finanzieren.

[AP]: Deine erste Station war effective GmbH – Software, Echtzeit-Analytics, Hardcore-Tech. Was waren die prägendsten Lektionen aus dieser Zeit?

[FN]: Ich hatte das Glück, bei effective für spannenden und komplexen Themen geholt zu werden. Ich hatte schnell freie Hand, die komplette Architektur zu entwerfen, umzusetzen und über Jahre zu betreuen. Dadurch habe ich früh den ganzen Lifecycle von Anwendungen erlebt und verantwortet. Die Learnings waren Gold wert. Echtzeit-Analytics war eines davon, von User Interface über Datenverarbeitung bis Skalierung, und das zu einer Zeit, als es Tools wie Google Analytics noch nicht gab.

[AP]: Später hast du Semper (UnlockYourBrain) mitgegründet. Was waren die besten Learnings, und die größten Fails?

[FN]: Semper – oder UnlockYourBrain – war mein erstes Startup, und allein deshalb unglaublich wertvoll. Geld raisen, Team aufbauen, Produkt entwickeln, Marketing, Support, das volle Programm. Wir haben damals Mikrolearning gemacht: Beim Entsperren des Smartphones bekam man kleine, kurze Aufgaben, die sich dem eigenen Lernfortschritt anpassten. Es gab unzählige Learnings, aber das wichtigste war sicher das Thema Team und Hiring. Die richtigen Menschen an Bord zu haben verändert alles, und wenn es kein Fit ist, sich schnell zu trennen. 

[AP]: Wie entstand die Idee zu Gixel, was war deine Vision?

[FN]: Gixel hat sich entwickelt. Wir sind damals mit dem Team gestartet – Miro kannte ich noch aus der Uni, wir sind viel zusammen gesegelt und arbeiten extrem gut zusammen. Ding wiederum war in Miros Arbeitsgruppe und die beiden haben schon super zusammengearbeitet. Wir ergänzen uns perfekt. Am Anfang ging’s um optische Qualitätssicherung, KI-basiert. Das lief solide, von Anfang an profitabel und komplett ohne Fremdkapital. Dann kam Corona, und wir haben die Zeit genutzt, um ein echtes Leidenschaftsthema tiefer zu erkunden: AR mit Kommunikation als Nordstern, als klares Anwendungsfeld, ohne in reines Research abzurutschen. Wir hatten vorher immer wieder damit geliebäugelt, aber auch Respekt davor, wie dick dieses Brett ist. SprinD war für uns ein echter Türöffner, sie haben an das Thema geglaubt, als es noch Vision war. Das hat uns an den Punkt gebracht, an dem wir heute stehen. Es gab keine passende Hardware. Also haben wir sie gebaut – das Display. Das war der Anfang von Gixel, wie es heute existiert.

[AP]: Ihr habt 2025 rund fünf Millionen Euro Seed-Finanzierung eingesammelt, daran hängen natürlich viele Erwartungen der Investoren. Wie gehst du damit um? 

[FN]: Mich treibt im Grunde nur eine Frage an: Wie machen wir Gixel erfolgreich? Das ist das, worüber ich nachdenke, wenn ich einschlafe, und womit ich aufwache. Vielleicht hilft der Kontext: Wir waren dank SprinD schon vorher sehr gut finanziert, ohne sie wären wir heute nicht da, wo wir sind. Die neue Seed-Runde ist also keine Zäsur, sondern der nächste logische Schritt. Der Unterschied ist: Jetzt geht’s um Beschleunigung. Wir haben die Technologie gebaut – jetzt skalieren wir sie in erste Produktintegrationen. Das Kapital gibt uns die Freiheit, Tempo zu machen, ohne Kompromisse bei Qualität und Fokus.

[AP]: Was ist aktuell die größte technische Challenge für AR‑/AI‑Display‑Brillen – Optik, Gewicht, Wärme oder Preis? Und wie geht ihr die bei Gixel an?

[FN]: Ja, eine echte See-Through-Optik ist eines der komplexesten Probleme überhaupt. Sie darf nichts wiegen, keinen Strom verbrauchen und noch unsichtbar sein. Und dann kommen noch Dutzende weiterer Herausforderungen hinzu – Andrew Bosworth, der CTO von Meta, hat dies in einem Interview treffend beschrieben. Genau deshalb gibt es bis heute keine wirklich optimale Lösung, obwohl weltweit Milliarden in die Lösungssuche investiert wurden und werden.

Wir haben eine fundamental andere optische Architektur, und sind überzeugt, dass sie das AR-Display-Problem dauerhaft löst.

„Gründen heißt, Struktur in Unschärfe zu bringen, und dabei jeden Tag etwas Neues zu lernen.“
Felix Nienstädt
Felix Nienstädt

[AP]: Wie nah seid ihr an einem echten Produkt, das man wirklich tragen will, nicht nur ein Labor-Prototyp?

[FN]: Wichtig ist: Wir arbeiten an der zentralen Komponente, wenn man so will, dem Display selbst. Wir sind dem voll funktionsfähigen Prototypen sehr nahe. Bis das Ganze dann in ein Produkt integriert ist, vergeht noch etwas Zeit, aber das kommt schneller, als viele denken. Der Schritt zur Integration ist kein Traum mehr, sondern reines Engineering.

[AP]: Der Film „Minority Report“ mit Tom Cruise hat 2002 alle mit AR-Fantasien angesteckt. Hat dich das beeinflusst, oder nervt dich der Vergleich eher?

[FN]: Ehrlich gesagt weder noch, ich mag den Film, aber er war für uns nicht die Inspiration. Mich reizt die Idee einer Welt, in der sich die digitale und die physische Realität wirklich annähern, vielleicht sogar verschmelzen. Das ist wahrscheinlich auch durch meinen Hintergrund geprägt – Software auf der einen, Architektur auf der anderen Seite.

[AP]: Du hast mal gesagt, dass ihr großen Wert auf “company culture” legt. Wie äußert sich das, und was sind eure ungeschriebenen Regeln im Team?

[FN]: Wenn ich’s kurz zusammenfasse: Wir arbeiten ohne feste Meetings, ohne starre Regeln oder Prozesse. Wir geben dem Team ein extremes Maß an Flexibilität, erwarten dafür aber Verantwortung und Mitdenken. Es geht nicht darum, einem Prozess zu folgen und den Kopf auszuschalten, sondern aktiv das Ziel voranzutreiben, mitzudenken. Wir Gründer geben uns große Mühe, ehrliches Feedback zu geben und eine Kultur zu leben, in der das normal ist. Ich habe bei Semper viel gelernt und bin heute wirklich stolz auf unser Team bei Gixel.

[AP]: Wie gehst Du mit Rückschlägen und Fehlschlägen um, sowohl persönlich als auch mit Deinem Team?

[FN]: Wir sind da ganz klassisch Startup. Wir wollen nicht unüberlegt handeln, aber auch nicht um jeden Preis Fehler vermeiden. Geschwindigkeit prägt uns, lieber schnell sein und aus Fehlern lernen. Wichtig ist, dass wir hinschauen, drüber sprechen und sie nicht wiederholen. Bisher fahren wir damit sehr gut: anschauen, reden, lernen, weitermachen.

[AP]: Hast du Mentoren oder Vorbilder, die dich beruflich inspirieren?

[FN]: Klar, erfolgreiche Persönlichkeiten sind immer faszinierend. Wir haben bei Gixel das Glück, mit Leuten wie Palmer Luckey oder Brendan Iribe im engen Austausch zu sein, das ist schon toll. Gerade persönliche Treffen sind extrem inspirierend.

[AP]: Wo siehst du Deutschland im Vergleich zu den USA oder China beim Thema DeepTech? Gibt es etwas, das sich dringend ändern müsste?

[FN]: SprinD ist ein guter Ansatz und geht definitiv in die richtige Richtung. Aber Finanzierung in Deutschland ist nach wie vor schwierig. Es beginnt schon bei der Vision, in den USA oder China ist allen klar: Das Neue kommt, man muss es nur bauen. In Deutschland wird oft gewartet, bis es da ist, und dann ist es zu spät. Auch beim Kapital ist der Unterschied spürbar. Wir sind hier stark darin, Ideen anzustoßen, aber dann fehlt die Struktur und das Geld, um die Wertschöpfung im Land zu halten. Das ist schade, und genau da müssten wir dringend mutiger werden.

[AP]: Wie gehst du mit dem Risiko um, dass eure Technologie vielleicht irgendwann überholt ist, oder ein anderes Interface den Markt übernimmt? Kann man sich auf so ein Szenario vorbereiten?

[FN]: Klar gibt es das Risiko, aber in den letzten 15 Jahren ist es nicht passiert, trotz massivem Geldeinsatz weltweit. Andere Risiken sehe ich eher bei technologischen Lock-ins, wenn sich am Ende eine technisch unterlegene Lösung durch riesigen Kapitaleinsatz durchsetzt. 

Ich sehe das ein bisschen wie beim Segeln: Ich gewinne das Rennen, wenn ich nach vorne schaue und gut konzentriert segel. Wenn ich ständig die Boote hinter mir beobachte, werde ich vermutlich nicht als Erster im Ziel sein.

[AP]: AR-Brillen bringen auch ethische Fragen: Privatsphäre, Abhängigkeit, Reizüberflutung. Wie gehst du damit um?

[FN]: Wir glauben, dass sich Verantwortung und Technologie nicht ausschließen, im Gegenteil, sie bedingen sich. Die Technologie wird kommen, und als Gesellschaft werden wir Wege finden, damit umzugehen. Ich bin da eher positiv eingestellt: Ich glaube, dass sich Dinge einpendeln, wenn sie da sind. Wir haben als Menschheit immer gelernt, mit neuen Technologien umzugehen, das wird hier nicht anders sein. Wir sehen es als unsere Verantwortung, Technologie so zu gestalten, dass sie den Menschen stärkt, nicht ablenkt.

[AP]: Wie sieht deine Vision für Gixel in fünf bis zehn Jahren aus, technisch, wirtschaftlich, gesellschaftlich?

[FN]: In fünf bis zehn Jahren ist Gixel der Standard für Displays in AR- und AI-Brillen – von Consumer-Tech bis B2B, von Smart Glasses bis MedTech. Überall, wo ein transparentes Display gebraucht wird, steckt Gixel drin. Technisch bedeutet das: höchste Bildqualität bei minimalem Energieverbrauch – so effizient, leicht und transparent, dass das Display selbst verschwindet. 

Spatial Computing wird die nächste Plattform nach dem Smartphone und wir liefern die bislang fehlende Schlüsselkomponente dafür.

[AP]: Wovon träumst Du persönlich, was würdest Du machen, wenn Zeit, Budget und Ressourcen keine Rolle spielten?

[FN]: Kurzfristig würde ich gern mehr von der Welt sehen, und mehr segeln. Das ist für mich Freiheit und Fokus zugleich. Wenn Ressourcen wirklich keine Rolle spielten, würde ich daran arbeiten, wie wir als Menschheit eine Welt schaffen, die dauerhaft ohne Krieg auskommt und lebenswert bleibt.

[AP]: Gibt es Ideen, die du bisher noch nicht verfolgt hast, aber unbedingt irgendwann realisieren willst?

[FN]: Ich hätte gern einen kleinen, mobilen Laserturm, der Mücken und Mosquitos automatisch anpeilt und in der Luft verglühen lässt.

[AP]: Und ganz ehrlich: Was bringt dich morgens wieder an den Schreibtisch, selbst wenn’s gerade richtig schwer ist?

[Felix Nienstädt]: Mich treibt die Idee an, etwas zu bauen, das bleibt. Technologie, die man nicht mehr sieht, weil sie einfach funktioniert.

[André Patrzek]: Vielen Dank Felix für das inspirierende Gespräch. Dein Weg ist echt beindruckend. Ich finde es sehr spannend, wie ihr die große Vision von Gixel angeht und dabei auf Neugier, Teamwork und Ausdauer setzt.

Das Interview führte André Patrzek für UnternehmerNEXT von Business Punk.