Work & Winning Bragi: Das Ohr dieses Typen ist schlauer als du

Bragi: Das Ohr dieses Typen ist schlauer als du

Für die gestaltet sich der Trip bislang jedoch noch als anstrengender Abenteuerurlaub. In der „The Dash Group“ auf Facebook klagen sie über Bugs. Die Bluetooth-Verbindung zum Handy reiße oft ab, die Kommunikation zwischen den beiden Ohrknöpfen funktioniere nicht zuverlässig, The Dash würde unrealistische Fitnessdaten anzeigen, die Soundqualität lasse zu wünschen übrig, nach einem Softwareupdate können einige Nutzer ihr Gerät nicht mehr anschalten. Manche beschweren sich, -Bragis Supportteam brauche zu lange, um zu antworten. Hviid hat einigen Kunden persönlich auf Facebook geschrieben, sich für die Probleme entschuldigt und angeboten, ihr Gerät zurückzunehmen. Die meisten hätten verständnisvoll reagiert, sagt er. Hviid und seine Leute sollten sich auf jeden Fall beeilen, die Bugs und Kinderkrankheiten aus der Welt zu schaffen. Konkurrenten, die technisch vielleicht nicht so ambitioniert sind wie das Münchner Start-up, dafür größer und stärker, scheinen kurz davor, ebenfalls kabellose In-Ear-Kopfhörer auf den Markt zu bringen. Bereits 2008 hat Apple ein Patent auf Fitness-Headphones angemeldet und es 2014 erhalten. Gerüchten zufolge könnte das im Herbst erscheinende neue iPhone keine Kopfhörerbuchse mehr haben. Möglich, dass der US-Konzern dann gleich zu jedem Handy ein Paar Blue-tooth-Ohrstecker mitliefert. Ende April tauchten im Netz außerdem Bilder eines entsprechenden Samsung-Produkts auf. Was passiert, wenn sie günstiger sind und weniger Bugs haben? Bragi sei dabei, etwas vorzubereiten. Was? Das könne und wolle man vor Ende Juni nicht öffentlich sagen.

Doch selbst wenn die Menschen bald ähnliche Kopfhörer woanders kaufen könnten, ist Hviid optimistisch, dass sich genügend für ein Bragi-Modell entscheiden. Eigentlich hofft er sogar, die nächste -iPhone-Generation werde ganz auf Bluetooth setzen. „Für uns wäre das fantastisch“, sagt Hviid. Es würde die Nachfrage nach kabellosen In-Ear-Kopfhörern insgesamt vergrößern. Und einen Vorsprung hätte Bragi vermutlich immer noch: Dass Apple oder Samsung in absehbarer Zeit Produkte entwickeln, die wie The Dash auch komplett ohne Smartphone funktionieren, gilt als unwahrscheinlich, schließlich verdienen beide Unternehmen mit diesen Geräten derzeit das meiste Geld. Aber auch Nokia hat mit Handys mal sehr viel Geld verdient.

BRAGI

Hviids sanfte Art, seine leise Zurückhaltung, sein Wunsch, helfen zu wollen, die von Hviid wie von allen Mitarbeitern gebetsmühlenartig wiederholte „No-Asshole-Policy“ – wenn man gerade anfängt, die Geschichte von Bragi als Muster-Case-Study zu sehen, holt einen der Chef persönlich auf den Boden zurück. „Wenn du mich heute fragen würdest, ob ich das alles noch mal machen würde, ich würde Nein sagen“, entgegnet Hviid auf die Frage, ob er glücklich sei. Worauf seine Pressefrau Lorena Poy ehrlich fassungslos ein erstauntes „What?!“ ausstößt. „Ich habe jahrelang nichts anderes gemacht als essen, schlafen und arbeiten. Ich habe zu viele Opfer gebracht. Es war meiner Familie gegenüber nicht fair“, erklärt Hviid. Dann erzählt er noch, wie er vor -einer Woche mal wieder auf Geschäftsreise in China war. Hviid und seine Frau haben drei Kinder, zwei Jungs im Alter von sechs und vier Jahren und ein acht Monate altes Mädchen. Als er von China aus mit seinem jüngeren Sohn telefoniert hat, sagte der: „Papa, ich liebe dich, aber ich glaube, ich kenne dich nicht mehr so gut.“ Und als sein Ältester vor einiger Zeit in den Kindergarten kam, wurde der Junge gefragt, was er später einmal machen will. Was er geantwortet hat? Auf keinen Fall Kopfhörer.

Nikolaj Hviid muss los und verschwindet im abgeschotteten Teil der Bragi-Zentrale, wo sie an der Zukunft seines diskreten Assistenten arbeiten. Wo die Entwickler mit den Sensoren von The Dash herumexperimentieren, den Stress von Gamern messen und Einfluss auf den Spielverlauf nehmen lassen, solche Sachen. Für einen Teil von Hviids Mannschaft ist für heute aber erst mal Feierabend. Um Ingenieur Daniel Garner und PR-Frau -Lorena Poy hat sich in der Lobby ein Dutzend Kollegen versammelt, um gemeinsam in einen Biergarten aufzubrechen. Bei Bragi verbringen viele Mitarbeiter ihre Freizeit gemeinsam. Die meisten sind aus dem Ausland nach Deutschland gezogen und kennen in München nur wenige Leute. Und nur weil man gerade keine Überstunden macht, heißt das ja nicht, dass man seine Zeit mit anderen Leuten verbringen wollte. Schließlich arbeiten hier alle an derselben Vision: einem Gerät, das vielleicht einmal bedeutender werden könnte als das Smartphone. „Auf manche Außenstehende wirken wir wahrscheinlich wie eine Sekte“, sagt Poy und lacht. Vermutlich ein gutes Zeichen – in deren besten Zeiten hat man das über Apple auch gesagt.

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