Work & Winning Das kann weg: Pflegefälle und Bürokratielasten

Das kann weg: Pflegefälle und Bürokratielasten

Immerhin, so sieht es natürlich auch Carsten Breuer, ist die grundsätzliche Regelung der Dienstleistungen gemäß Unfallverhütungsvorschriften und anderen elementaren Vorkehrungen mehr als sinnvoll. Aber es kommt immer wieder vor, dass man Tage in einem Lehrgang verbringt, wo man bezüglich des zu betreuenden Seniors lernt, “dass wenn der so eine elektrische, hochfahrbare, unterfahrbare Liege hat, dass da so ein Kreuz in der Mitte ist und ich da nicht den Fuß zwischen stelle. Also irgendwo denke ich manchmal, die Menschen sind ja nicht ganz blöd”. Dies dahingestellt, handelt es sich bei der Fortbildung im Auftrag der Berufsgenossenschaft natürlich um eine breit angelegte Sache – und die Teilnehmer kommen aus unterschiedlichen Branchen. Breuer traf Arzthelferinnen und einen “Pommesbudenbesitzer”, wie er sagt. Und da sind die Gemeinsamkeiten bei der Gefahrenabwehr nicht so leicht zu entschlüsseln. Wieder kommt das klassische Beispiel – der Umgang mit Leitern: “Und wir zum Beispiel dürfen nicht auf Leitern steigen, weil wir ja keine Gebäudereiniger sind. Denn wir müssten dann eine Leiter vorführen, die müsste dann einmal eher vom TÜV geprüft werden, ob die dann noch standfest ist und einen Absturzgriff dann haben muss und was nicht alles.” Das Leiter- und Trittwesen samt Überprüfung scheint bei vielen Kleinunternehmern ein rotes Tuch. Selbst wenn man keine Leiter im Einsatz hat – sobald es beim Senior in die Höhe gehen soll, theoretisch, Prüfpflicht: “theoretisch müsste ich die mitbringen und sie mir auch vom TÜV prüfen lassen. Oder von jedem Kunden die Leiter mitnehmen und zum TÜV bringen und das auch noch prüfen lassen”. 

Die KSB- Dienstleistungen haben sich unterdessen auch wegen der Anforderungen gewandelt: Es ist nicht mehr so sehr Betreuung im Alltag, oder auch einkaufen für die Kunden, sondern der Wohnungsputz. Da ist das Leiterthema klar geregelt und erledigt: “Und wir zum Beispiel dürfen nicht auf Leitern steigen, weil wir ja keine Gebäudereiniger sind”. Außerdem verkleinert sich Carsten Breuer: Statt Kleinunternehmen wird er demnächst als Kleinstunternehmen firmieren, und die Mitarbeiterzahl auf unter zehn reduzieren. Weniger Umsatz, aber auch weniger Kosten: Jeder Mitarbeiter nutzt ein Auto, zum Beispiel, ohne das geht es in einer mittelgroßen Stadt und weiteren Umgebung nicht. Der Stundensatz von KSB liegt bei 38 Euro derzeit, das ist für Alltagshelfer so geregelt. Demgegenüber hätten die großen etablierten Anbieter von Alltagshilfen inzwischen an die doppelt so hohe Preise. Und Breuer beobachtet, wie große Adressen dennoch ihr Angebot schließen – es rentiert nicht. 

KSB verlagert unterdessen seinen Schwerpunkt – von der Alltagshilfe für Ältere nun auf Pflegeberatung. Die ist für Pflegebedürftige in regelmäßigen Abständen, bis zu viermal im Jahr, vorgeschrieben. Das ist, so Carsten Breuer, “bürokratisch viel weniger und es bleibt einem am Ende mehr”.

Aber es entsteht womöglich wieder eine Lücke im Angebot für Pflegebedürftige. Dementsprechend warnen auch die großen Krankenkassen und Verbände regelmäßig vor einer wachsenden Bürokratie. Seien es der Barmer Pflegereport (“umfangreiche Dokumentationspflichten belasten erheblich”), die Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen BAGSO (“…dass die bestehenden bürokratischen Hürden die Inanspruchnahme von Entlastungsleistungen erschweren”) oder der Paritätische Gesamtverband (“dass die aktuellen Regelungen zu einem hohen Verwaltungsaufwand führen und die Versorgung der Pflegebedürftigen erschweren..”).

Ob Abhilfe in Sicht ist? Darauf wetten möchte Carsten Breuer nicht. Ihn beschäftigt derzeit noch zusätzlich zur Bürokratie das Auftreten einer unheimlichen Konkurrenz: Die sogenannte Nachbarschaftshilfe. Vulgo: Schwarzarbeit. Er höre von solchen “Nachbarschaftshelfern”, die eine zweistellige Zahl von Senioren unterstützen und deren 131 Euro abschöpfen. Die haben natürlich weder Sozialversicherungsabgaben noch Steuern, noch Berichtspflichten oder Einzahlungen in betriebliche Renten. Und pflegen mitunter den Garten und nicht den Kunden. Fürs Geld von der Pflegekasse.

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