Work & Winning Der Held fällt: Selenskyj verliert das Vertrauen der eigenen Partei

Der Held fällt: Selenskyj verliert das Vertrauen der eigenen Partei

Die Rechercheergebnisse eines internationalen Journalistennetzwerks umfassten damals die Verstrickung von mehr als 330 Politikern und Amtsträgern aus 91 Ländern. Die mehr als 11,9 Millionen geleakten Dokumente trugen den Namen „Pandora Papers“ und stammen angeblich aus einer anonymen Quelle. In den Dokumenten von 14 in Steueroasen tätigen Finanzdienstleistern finden sich auch Namen von prominenten Spitzensportlern und Firmenvorständen.

Die Veröffentlichungen warfen ein schlechtes Licht auf die Ukraine. Gleich 38 Ukrainer, wurden in den Pandora Papers genannt. Unter ihnen eben Selenskyj selbst. Der Vorwurf: Kaum im Amt, ging der Ex-Kabarettist auf mehrere Oligarchen los, fror Vermögen ein, schickte Ermittler. Einer der bekanntesten ukrainischen Oligarchen aber kam erstaunlich ungeschoren davon: Kolomoisky, ein in Genf und Israel lebender ukrainischer Oligarch. Er und seine Familie besitzen am Genfersee mehrere Luxusimmobilien. Das Magazin „Forbes“ schätzt sein Vermögen auf etwa zwei Milliarden Franken. Er hat Selenskyj in dessen Wahlkampf 2019 unterstützt. Ukrainische Zeitungen schrieben damals, dass Selenskyj seinen Förderer mehrmals in Tel Aviv und in Genf besucht habe.

Kolomoisky soll mit einem Geschäftspartner mehr als fünf Milliarden Franken aus der „PrivatBank“ abgezweigt haben, die den beiden gehörte. In Großbritannien, Zypern, Israel und den USA wurde Kolomoisky darauf von seiner Ex-Bank verklagt. Im März 2021 verhängte das US-Außenministerium Sanktionen wegen des Vorwurfs schwerwiegender Korruption: Kolomoisky und seine Familie dürfen seither nicht mehr in die USA einreisen. Kolomoisky dementiert alle Vorwürfe.

Mehrere Millionen Dollar der Bank flossen an Briefkastenfirmen in Zypern, Panama, Belize und auf den Seychellen. Daten aus den Pandora Papers zeigten: Hinter zehn jener Briefkastenfirmen standen Selenskyj und gute Freunde von ihm: sein ehemaliger Produzent Serhiy Schefir, der zu seinem Chefsekretär aufgestiegen ist, sowie der damalige Chef des Inlandsgeheimdienstes, Iwan Bakanow. Zwei der Offshore-Gesellschaften erwarben Immobilien im Stadtzentrum von London. Woher die Millionen für den Kauf stammten, ist unklar. Weder Selenskyj noch Bakanow reagierten damals auf Fragen. Auch Schefir, der im September 2021 einen Mordanschlag überlebt hatte, ließ Nachfragen damals unbeantwortet.   Rein formell wurde Selenskyj die Anteile an den Briefkastenfirmen rechtzeitig wieder los, bevor er in den Präsidentenpalast einzog. Er übertrug die Anteile einer Firma an seinen Freund Schefir, der anders als der Präsident Vermögenswerte und Geschäftsverbindungen nicht offenlegen muss.

Dazu passen die Ergebnisse eines EU-Sonderberichts „zur Bekämpfung der Großkorruption in der Ukraine“ aus dem Jahr 2021, der seither nur noch ganz selten thematisiert wurde. Darin stellen die Autoren fest, dass Großkorruption, also die Verwicklung hoher Würdenträger aus Staat und Wirtschaft in kriminelle Geschäfte, „nach wie vor ein zentrales Problem in der Ukraine“ sei. Eine Justizreform habe Rückschläge erlitten und die Korruptionsbekämpfungseinrichtungen seien gefährdet. Nur „vereinzelt kommt es zu Verurteilungen wegen Großkorruption“, stellen die Sonderberichterstatter fest. „In der Ukraine beruht dies auf informellen Verbindungen zwischen Regierungsbeamten, Parlamentsmitgliedern, Staatsanwälten, Richtern, Strafverfolgungsbehörden, Geschäftsführern von staatseigenen Unternehmen, politisch vernetzten Einzelpersonen und Unternehmen.“

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