Work & Winning Fachkräftekrise eskaliert: 2,8 Millionen junge Menschen ohne Abschluss

Fachkräftekrise eskaliert: 2,8 Millionen junge Menschen ohne Abschluss

Die Zahl junger Menschen ohne Berufsabschluss steigt dramatisch, während der Fachkräftemangel zunimmt. Parallel dazu sinkt die Ausbildungsbeteiligung der Unternehmen. Ein Teufelskreis mit fatalen Folgen für Wirtschaft und Gesellschaft.

Deutschland steuert auf einen bildungspolitischen Kollaps zu. 2,8 Millionen junge Erwachsene zwischen 20 und 34 Jahren stehen ohne Berufsabschluss da – fast jeder Fünfte dieser Altersgruppe. Gleichzeitig fehlen bundesweit über 530.000 qualifizierte Arbeitskräfte. Eine toxische Kombination, die den Wirtschaftsstandort Deutschland massiv gefährdet.

Ausbildungslücke wächst rasant

Die Zahlen sprechen eine klare Sprache: Jährlich verlassen 47.500 Jugendliche die Schule ohne Hauptschulabschluss – das entspricht sechs Prozent aller Schulabgänger. Ohne dieses Fundament sinken die Chancen auf einen Ausbildungsvertrag dramatisch. Drei Viertel der jungen Menschen ohne Berufsabschluss haben auch keinen Schulabschluss.

„Der Abschluss hat in Deutschland einen sehr hohen Signalwert“, erklärt IAB-Professor Enzo Weber gegenüber „n-tv.de“. Doch während die Wirtschaft händeringend nach Fachkräften sucht, bleiben 73.000 Ausbildungsplätze unbesetzt – mehr als ein Drittel aller angebotenen Stellen. Die Deutsche Industrie- und Handelskammer berichtet, dass jeder zweite Ausbildungsbetrieb zu wenige Azubis findet. Viele Unternehmen erhalten nicht einmal eine Bewerbung.

Demografischer Wandel verschärft die Krise

Die Situation wird sich weiter zuspitzen. „Über die nächsten 15 Jahre verlieren wir aus Alterungsgründen sieben Millionen Erwerbspersonen“, warnt Weber. Gleichzeitig erfordern Digitalisierung, KI-Einsatz und grüne Technologien hochqualifizierte Fachkräfte. Für über drei Viertel der Arbeitsplätze in Deutschland ist eine entsprechende Ausbildung notwendig.

Der aktuelle Berufsbildungsbericht der Bundesregierung zeichnet ein düsteres Bild: Die Ausbildungsbeteiligung der Unternehmen ist auf 18,8 Prozent gesunken – nicht einmal jedes fünfte Unternehmen bildet aus. Gleichzeitig steigt die Vertragslösungsquote auf 29,7 Prozent – fast jeder dritte Azubi bricht seine Lehre ab.

Zuwanderung als Herausforderung und Chance

Ein wesentlicher Faktor für die steigende Zahl junger Menschen ohne Ausbildung ist die Zuwanderung. Etwa 45 Prozent der 20- bis 34-jährigen Geflüchteten aus Asylherkunftsländern haben keinen Berufsabschluss. „Das heißt nicht, dass Zugewanderte bildungsfauler sind“, betont Weber. Viele kommen aus ganz anderen Bildungssystemen nach Deutschland. Unsere berufliche Ausbildung ist einzigartig.

Die Wirtschaftsweise Veronika Grimm fordert „mehr Aufmerksamkeit für Bildung“ von der Politik. „Im deutschen Schulsystem werden zu viele Schüler abgehängt“, kritisiert sie. Positive Beispiele wie Hamburg mit dem „verpflichtenden Ganztag“ zeigten, dass Fortschritte möglich seien.

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