Migrationspolitik: Macht Alexander Dobrindt ernst? Oder nur PR?
Der CSU-Innenminister will am Mittwoch im Kabinett den Familiennachzug aussetzen lassen. Doch das betrifft nicht alle Fälle, sondern nur die der subsidiär Verfolgten, sagen die Kritiker. Dobrindt hat noch weitere Maßnahmen auf der Agenda. Taugt das Paket zum Stopp der illegalen Migration?
Ist es schon ein Paradigmenwechsel in der Migrationspolitik, wie von Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) im Wahlkampf versprochen? Oder geht es nur um eine symbolische PR-Maßnahme für die drängelnde Wählerschaft, die lediglich einen kleinen Teil des Problems der illegalen Zuwanderung berührt? Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) hat Ende der Woche die zweijährige Aussetzung des Familiennachzugs für Geflüchtete ohne Asylstatus verkündet. Am Mittwoch soll das Kabinett einen entsprechenden Beschluss fassen, berichtete zuerst „Bild“.
Die von Dobrindt angestrebte Gesetzesänderung zielt darauf ab, das seit 2018 geltende monatliche Kontingent des Nachzugs von 1000 Familienangehörigen für subsidiär Schutzberechtigte auszusetzen. Hierbei handelt es sich um Personen, die zwar keinen Anspruch auf Asyl haben, denen jedoch im Heimatland ernsthafte Gefahren drohen. Die Begründung für diesen Schritt liegt, dem Minister zufolge, in der Notwendigkeit, Anreize für irreguläre Migration nach Deutschland zu reduzieren und damit die Migrationspolitik grundlegend zu ändern. „Wir müssen die Pull-Faktoren nach Deutschland deutlich reduzieren. Auch damit zeigen wir, die Migrationspolitik in Deutschland hat sich geändert“, so Dobrindt.
Während Befürworter der Maßnahme auf die Notwendigkeit verweisen, dass die Aufnahmekapazitäten in den Kommunen bereits seit geraumer Zeit überfordert sind und eine Integration längst nicht mehr möglich ist, sehen Kritiker darin einen Verstoß gegen humanitäre Prinzipien. Und andere schließlich, darunter der frühere „Bild“-Chefredakteur Julian Reichelt, bemängeln, dass dieser Schritt von Dobrindt zwar im Kern zu begrüßen sei, aber nicht den Familiennachzug insgesamt betrifft, sondern nur jenen für subsidiär Schutzberechtigte und damit lediglich einen kleinen Teil des gesamten Familiennachzugs. Das verschweigt Dobrindt keineswegs – aber in den Medien wird dieser Tage sehr häufig vereinfachend von einem „Ende des Familiennachzugs“ gesprochen, so als sei an dieser Stelle ein grundsätzlicher Stopp zu erwarten.
Reichelt beziffert den Anteil des Nachzugs zu subsidiär Schutzberechtigten auf X auf „rund ein Zehntel des gesamten Familiennachzugs“. Das Statistische Bundesamt schreibt hingegen in einer Pressemitteilung vom 23. Mai 2024 zu den Gesamtzahlen des Vorjahrs: „Der Anteil subsidiär Schutzberechtigter lag bei 30 % (326 000) der befristet anerkannten Schutzsuchenden, die Ihren Schutzstatus in einem Asylverfahren erhielten.“
In jedem Fall bilden aber die subsidiär Schutzberechtigten, viele von ihnen aus der Ukraine kommend, nur eine Minderheit unter den nach Deutschland zuströmenden Migranten. Will die Koalition also das wichtigste Motiv in der Bevölkerung für die Wahl der AfD aushebeln, nämlich die illegale Migration insgesamt, darf es Dobrindt nicht bei diesem ersten Schritt in Sachen Familiennachzug belassen.
Zu weiteren Neujustierungen in der Migrationspolitik, an denen der CSU-Innenminister werkelt, zählen verschärfte Kontrollen an den Grenzen. Sie hatte Dobrindt unmittelbar nach Amtsantritt angeordnet. Die Zahl der Zurückweisungen sei damit seit dem 8. Mai um 45 Prozent gestiegen, verkündete eine Sprecherin des Bundesinnenministeriums. Und Dobrindt sagte zu „Focus“: „Die aktuellen Zahlen zeigen: Die verstärkten Grenzkontrollen wirken.“