Work & Winning Stärkste Armee Europas? Beim wichtigsten Projekt der Bundeswehr klemmt es

Stärkste Armee Europas? Beim wichtigsten Projekt der Bundeswehr klemmt es

Der Kanzler hat das Ziel ausgegeben, die Bundeswehr zur stärksten Armee Europas auszubauen. Doch ausgerechnet beim mehr als Neun-Milliarden Euro Prestigeobjekt zum Bau neuer Schiffe, hakt es. Der Hersteller reißt den Liefertermin.

Die Bundeswehr soll die stärkste konventionelle Armee Europas werden. Diese Ansage hat Friedrich Merz in seiner ersten Regierungserklärung als Kanzler gemacht. Aufgehorcht haben alle, die Schlagzeile von der deutschen Aufrüstung ging um die Welt. Sie passt auch gut in die Welt des Donald Trump, der von den Nato-Staaten verlangt, dass sie fünf Prozent der Summe, die ihr Bruttoinlandsprodukt beträgt, in die Rüstung stecken. Doch keine vier Wochen später landet der neue Kanzler in den alten Problemen: Bei der Ausrüstung der Bundeswehr hakt es. Projekte werden nicht rechtzeitig fertig. Ob Merz noch Kanzler ist, wenn das, was er anschiebt, Wirklichkeit wird, ist alles andere ausgemachte Sache.

Aktuell steht ausgerechnet der Zeitplan für das größte Prestigeprojekt der Bundeswehr auf der Kippe. Es geht um den Bau und die Auslieferung von sechs Fregatten der Klasse 126 für die Marine. Wie zunächst die Fachzeitschrift „Täglicher Hafenbau“ und inzwischen auch die „Kieler Nachrichten“ berichten, ist der Bau ins Stocken geraten. Schuld sind offenbar Abstimmungsprobleme innerhalb des deutsch-niederländischen Konsortiums, dass die Schiffe konstruieren sollte. Statt zum Ende der Legislaturperiode im Jahr 2028 werde der neuen Fregatten wohl frühestens 2030 fertig gestellt sein. Der Auftrag ist mit einem Volumen von mehr als neun Milliarden Euro einer der größten, den die Bundeswehr bisher in diesem Jahrzehnt zu vergeben hatte.

Es gebe, so heißt es in Fachkreisen, „Probleme bei der Übertragung der Konstruktionspläne aus den Niederlanden von Generalunternehmer Damen Shipyards zu den beteiligten Werften in Deutschland“. Die Folge sei ein Stillstand des Projekts. Eigentlich sollte bei German Naval Yards in Kiel seit dem vergangenen Sommer am Vorschiff der ersten Fregatte der neuen sogenannte „Niedersachsen-Klasse“ gearbeitet. Aber tatsächlich wurden andere Aufträge vorgezogen. Offiziell äußerten sich die Partner nicht zum Fortschritt des Projekts. Ein Sprecher des Verteidigungsministeriums bestätigte allerdings inzwischen auf Anfrage „eine verspätete Ablieferung des ersten Schiffes“.  Man erarbeite „Maßnahmen zur Reduzierung der Auswirkungen“. Laut aktueller Analyse der Niederländer habe die Verzögerung beim Bau des ersten Schiffes aber keine Auswirkungen auf die Konstruktion und die Auslieferung der nachfolgenden fünf weiteren Fregatten der Klasse 126. „Die Marine erwartet alle sechs Fregatten der Klasse 126 bis zum Jahr 2034 zur Verfügung zu haben.“

Die Niederländer hatten im Juni 2020 nach einer europaweiten Ausschreibung vom Verteidigungsministerium den Auftrag als Generalunternehmer erhalten. Zwischenzeitlich handelten sie noch einen finanziellen Nachschlag als „Inflationsausgleich“ heraus. Die ersten vier Fregatten des neuen Typs F126 sollten für 6,72 Milliarden statt der ursprünglich vereinbarter 5,5 Milliarden Euro gebaut und ab ursprünglich ab Mitte 2028 ausgeliefert werden. Zwei nachbestellten Schiffe sollten zum Preis für 3,1 Milliarden Euro ab 2030 ausgeliefert werden.

Der Bau der Schiffe ist längst durchgeplant, heißt es im „Hafenbericht“. Die Achterschiffe baue die Peenewerft in Wolgast, die Vorschiffe German Naval Yards in Kiel. Dort sollen dann die Rumpfhälften „verheiratet“ werden. Im Anschluss sei geplant, die Neubauten nach Hamburg zur NVL-Werft Blohm + Voss zu schippern, um sie fertig zustellen – ein echtes europäisches Projekt also, das an den Airbus-Bau erinnert.

In einer Pressemitteilung hatte sich der Hersteller noch vor etwa einem Jahr optimistisch gegeben: „Die Ablieferung des ersten Schiffes soll im Jahr 2028 erfolgen. Das hochkomplexe Projekt erhält und stärkt die Schlüsseltechnologie ‚Marine-Überwasserschiffbau‘ in Deutschland, erweitert diese um zusätzliches Know-how aus den Niederlanden und sichert tausende Arbeitsplätze auf den beteiligten Werften sowie bei zahlreichen Zulieferunternehmen und Partnern in ganz Deutschland.“

Merz Ziel verzögert sich damit an einem entscheidenden Punkt. In seinem Plan „Kurs Marine 2035“ beziffert der Inspekteur der Marine den Bedarf auf sechs Einheiten der neuen Fregatten-Klasse F 126. Er richtet sich dabei an den Verteidigungsplanungszielen der NATO aus sowie an dem Rhythmus von Einsätzen, Ausbildungs- und Instandsetzungsphasen der Marine. Die Ausrüstung der Marine ist ein entscheidender Teil für das Vorhaben, die stärkste Armee Europas zu schaffen. Bisher ist es dahin noch ein weiter Weg: Der Global Firepower Index“ vergleicht die Kapazität zur konventionellen Kriegsführung verschiedener Länder. In das Ranking fließen militärische, demografische, finanzielle, logistische und geografische Faktoren ein. Innerhalb von Europa nimmt Deutschland in dem Index Platz vier ein, hinter Großbritannien Frankreich und Italien. Global gesehen liegt Deutschland auf dem 14. Rang. Ohne die neuen Fregatten dürfte es mit einem schnellen Aufstieg schwierig werden.