VW ist nicht allein. Deutsche Top-Konzerne schicken zehntausende Kollegen nach Hause
Chemie und Schwerindustrie: BASF, Bayer und Thyssenkrupp
Etwas deutlicher, aber immer sehr zurückhaltend äußert sich das weltgrößte Chemieunternehmen BASF zu den Herausforderungen der gegenwärtigen Zeitenwende. BASF schließt am Stammsitz Ludwigshafen ganze Fabrikationsanlagen, dies allerdings eher wohldosiert. Ob Ammoniak, Schaumstoff, Kunststoffvorprodukte oder Unkrautvernichter: In Deutschland werden Standorte aufgegeben und der Stammsitz „neu ausgerichtet.” In den nächsten Jahren werden einige tausend Arbeitsplätze verschwinden, oder anders gesagt: auswandern. In China baut BASF an einem gewaltigen Verbundstandort. Die lange Vertrautheit mit dem Land kommt BASF im Fernen Osten zugute. In Deutschland, das benennt der Konzern dann doch recht offen, hindern hohe Energiekosten, Bürokratie und Steuern an sinnvollen Zukunftskonzepten.
Branchenkollege Bayer nennt keine belastbaren Abbauzahlen für die Zukunft, hat aber in den ersten Monaten des Jahres bereits 1500 Stellen gestrichen. Die meisten davon im Management – was darauf hindeutet, dass der Konzern selbst ein gesundes Bürokratiewachstum hinter sich hat. Bayer will sich in Deutschland organisatorisch neu erfinden, dazu gehören straffere Organisation und weniger Hierarchie. Bill Anderson, der Bayer-CEO, hatte bereits kurz nach seinem Amtsantritt im Januar festgestellt, dass zwischen ihm und dem ersten Kunden zwölf Hierarchiestufen eingezogen seien. Beim Abbau in der Verwaltung soll es allerdings nicht bleiben, schlechte Nachrichten für die Beschäftigten sind zu erwarten. Erst ab 2026 sind betriebsbedingte Kündigungen möglich. Bis dahin versucht der Konzern, Mitarbeiter mit üppigen Prämien zum Gehen zu bewegen.
Schließlich wackelt die Schwerindustrie, wo man, wie bei Thyssenkrupp, aber schon seit Jahren an vielen Problemen herumlaboriert. Unlängst eskalierten die Zustände bei der Tochtergesellschaft Thyssenkrupp Stahl, wo der offenbar autoritär auftretende Konzernchef Miguel Lopez Führungskräfte wahlweise vergrault oder hinauswirft. Topmanager und Aufsichtsräte ziehen daher für sich die Konsequenzen. Die Dauerkrise beim Stahl forderte bereits tausende Arbeitsplätze und dürfte weitere fordern – lediglich die Zusagen von EU-Mitteln für „grüne” Stahlproduktion hat die Situation etwas entspannt. Ob dies aber zu vertretbaren Kosten mit Hilfe von grünem Wasserstoff eine Zukunft hat, ist noch nicht erwiesen. In der Stahlsparte sind 27.000 Leute beschäftigt. Thyssenkrupp versucht seit längerem, durch geplante Verkäufe anderer Unternehmenssparten das Kerngeschäft zu retten. Das soll es ermöglichen, den Stahlbetrieb auf eigene Beine zu stellen. Da nun aber vor kurzem das Topmanagement von Thyssenkrupp Stahl vor die Tür gesetzt wurde, ist alles wieder offen. Der Aufsichtsrat des Gesamtkonzerns warf den Geschassten noch ein Urteil hinterher: “Unfähigkeit”. In einer Branche, die im Krisenmodus arbeitet, hat das gerade noch gefehlt.
Die Beispiele zeigen, dass die deutsche Industrie in vielen Bereichen vor einer Herausforderung steht, die es in den vergangenen 60 Jahren so nicht gegeben hat. Dabei vermischen sich geopolitische Probleme mit Fragen des Freihandels und hausgemachten europäischen Sonderwegen. Die Nachrichten über Arbeitsplatzabbau bei den großen Mittelständlern und Konzernen füllen derzeit die Schlagzeilen. Was man sich hinzudenken muss, sind die Folgen für zahlreiche Regionen und kleine Zulieferer, denen dadurch der Abstieg droht.