Work & Winning „Wenn Trump Grönland kaufen will, sollten wir Kanada auffordern, der EU beizutreten“ 

„Wenn Trump Grönland kaufen will, sollten wir Kanada auffordern, der EU beizutreten“ 

Welche Konsequenzen ziehen Sie als Wirtschaftshistoriker daraus? 

Überall, wo man nicht lange an der alten Technologie festhielt, sondern schnell umsteuerte, war man am Ende besser beraten. Und Massenarbeitslosigkeit entstand daraus niemals, sondern es entstanden neue Jobs vor allem im Dienstleistungsbereich. 

Droht der Autoindustrie in Deutschland das gleiche Schicksal wie der Montanindustrie?  

Wir müssen uns fragen, warum Deutschland so erfolgreich Autos exportiert hat. Meine These ist: Es hat etwas mit Rohstoffmangel zu tun. Er zwang die Industrie dazu, ressourcensparende und robuste Motoren zu entwickeln. Das hat die deutsche Autoindustrie wettbewerbsfähiger gemacht als alle anderen. Ressourcenmangel führt zu technologischer Verbesserung. Das gleiche gilt für die Chemieindustrie. Deutschland hatte kaum Kolonien, von denen es Rohmaterialien importieren konnte. Der Rübenzucker ist eine Erfindung, die aus dieser Not kam. Bevor es ihn gab, war Deutschland ein großer Zuckerimporteur aus den Kolonien anderer europäischer Länder. Dann erfanden die Ingenieure ein Verfahren, um Zucker aus Rüben zu gewinnen und Deutschland wurde zeitweilig zum größten Zuckerproduzenten und -exporteur der Welt. Der Mangel und die technologische Antwort darauf, haben Deutschland und Europa immer wieder in Wellen vorangebracht. Da haben wir Expertise. Auch die Autoindustrie wird eine Antwort finden. 

So richtig abreiten können wir die Wellen aber nicht gerade. 

Wir befinden uns im Wellental. Was zum Beispiel die Potenziale von KI anbelangt, stehen wir nicht gut da. In den USA findet mehr Innovation statt, weil die Regulierung stark abgebaut wird. Das ist eine gefährliche Situation für Deutschland und Europa. Wir brauchen Innovation und ihre Anwendung. Deutschland hat es geschafft aus Krisen durch Innovation herauszukommen. Die Chance müssen wir uns erhalten. Und auch den europäischen Blickwinkel dürfen wir nicht verlieren. Hier liegt traditionell unsere Außenhandelsstärke. Wir brauchen noch mehr Kooperation auf europäischer Ebene. Etwa in der Sicherheitspolitik. Es geht nicht nur ums Wieder-flott-machen der Bundeswehr. Es geht um neue Waffensysteme auf europäischer Ebene. 

Welche Rolle spielen politische Entscheidungen? 

Wirtschaftszyklen sind unabhängig von politischen Entwicklungen. Und technologische Umbrüche spielen eine viel größere Rolle als politische Entscheidungen. Was man als Historiker zeigen kann, ist, dass die Qualität von Institutionen fundamental wichtig ist für langfristiges Wachstum. Dazu eine möglichst stabile Regierung. Und es wäre vernünftig, wenn nicht jede neue Regierung alles rückgängig macht, was die Vorgängerregierung auf den Weg gebracht hat. 

Was lässt sich aus den jüngeren Krisen lernen? Die Finanz- und Schuldenkrise etwa – oder ja: Corona?  

Das war traumatisch. Aber in Wahrheit sind wir mit jeder Krise weitergekommen. Corona hat einen Digitalisierungsschub ausgelöst. Ich habe es an der Uni selbst erlebt: Online-Seminare waren vorher etwas für Nerds. Inzwischen weiß jeder, dass man Lehre auch online machen kann. Oder schauen sie sich Biontech an, denen der Durchbruch bei der Impfforschung gelungen ist. Das Unternehmen ist ein Superstar geworden, und die Hoffnung ist, dass von dort aus nun auch Durchbrüche in der Krebsforschung kommen. Es bleibt die Binsenweisheit vom Anfang: Krisen bergen Chancen. Die Geschichte beweist das. 

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