Work & Winning Zu wenig Lohn: Arbeitsagentur verhindert massenhaft Einsatz ausländischer Fachkräfte

Zu wenig Lohn: Arbeitsagentur verhindert massenhaft Einsatz ausländischer Fachkräfte

Agentur verlangt für Migranten mehr Gehalt als für Einheimische

Ähnliche Fälle, bei denen es sogar eigens im Ausland angeworbene Facharbeiter betrifft, sind auch aus Hamburg und Berlin dokumentiert. Die Verkehrsplaner von Argus in Hamburg zum Beispiel wollten einen Bauzeichner aus Aserbeidschan einstellen. Beide Seiten waren sich einig. Doch das ausgehandelte Gehalt im Vertrag lag ein paar Hundert Euro unter den Vorstellungen der Bundesagentur für Arbeit. „In dem Fall realitätsfremd“, nennen die Argus-Chefs die Forderung der Behörde. Die eigenen Mitarbeiter lägen bei gleicher Qualifikation mit ihrem Gehalt darunter. Auch hier platzte der Vertrag. Oder ein Fall aus Berlin: Dort wollte ein Studio, das Virtual-Reality-Installationen entwickelt, einen indische Gamedesigner, der in Amsterdam studiert hatte, für 2500 Euro brutto einstellen. Die Bundesagentur für Arbeit befand: zu wenig. Der Inder trat seinen Job nicht an.

Das alles sind keine Einzelfälle, sondern inzwischen ein Massenphänomen. Nach Auskunft der Bundesanstalt für Arbeit hat sie im vergangenen Jahr mehr als 90 000 Anträge auf Beschäftigung von ausländischen Arbeitskräften abgelehnt, in knapp 27 000 Fällen hat sie sich dabei auf den Paragrafen 39 des Aufenthaltsgesetzes berufen, laut dem „Ausländer nicht zu ungünstigeren Arbeitsbedingungen als vergleichbare inländische Arbeitnehmer beschäftigt“ werden dürfen. Das waren rund 75 Prozent mehr Ablehnungen mit Gehaltsbezug als im Vorjahr. Politiker, die landauf, landab die „Arbeitsmigration“ als willkommenste Form der Einwanderung nach Deutschland preisen, weil hier doch dringend Fachkräfte gesucht würden, müssten an sich alarmiert sein. Aber bislang rührt sich niemand. Fairness und der Schutz vor Lohndumping hätten „einen hohen Stellenwert“, teilt eine Sprecherin von Noch-Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) auf Anfrage der „Zeit“ mit. Daher sei keine Änderung geplant.

Hintergrund für die Bürokratiefalle, die sich die Bundesagentur für Arbeit damit offenbar selbst gestellt hat, ist ihr „Entgeltatlas“. Eigentlich ist der eine gute Sache, weil er auf den Netzseiten der Bundesagentur mit wenigen Klicks Auskunft darüber gibt, wer, wo, wie viel verdient. Interessenten geben eine Jobbezeichnung ein. Mehr als 4000 Berufsbezeichnungen sind aufgelistet. Darunter zum Beispiel „Erzieher“ oder „Unternehmensberaterin“. Automatisch wird dann der Median für das monatliche Bruttoentgelt angezeigt. Es sind auf den Cent genaue Werte, die sich aus einer Fülle von Daten ergeben – aber eben nicht berücksichtigen, was im jeweiligen Betrieb tatsächlich gezahlt wird.

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