Leadership & Karriere Wir haben Gründerinnen gefragt, wie Sexismus am Arbeitsplatz verschwindet

Wir haben Gründerinnen gefragt, wie Sexismus am Arbeitsplatz verschwindet

Natalie Portman hatte die Aufgabe, nach der grandiosen Rede Oprah Winfreys bei den diesjährigen Golden Globes, die Laudatio auf die Kategorie „Best Director“ zu halten. Winfrey, die Momente zuvor als erste schwarze Frau den „Cecil B. DeMille Award“ für ihr Lebenswerk erhielt, sprach über all die starken Frauen, die den Mut bewiesen, in diesem Jahr ihre Erfahrungen mit sexueller Belästigung und Gewalt mit der Welt zu teilen. Sie sprach über #metoo. Und so gefeiert Winfrey für ihre Rede auch wurde, so enttäuscht musste Natalie Portman sein, nur einige Augenblicke später die Nominierten für die Kategorie „Best Director“ vorzustellen. So enttäuscht, dass sie das Übliche „And here are the nominees…“ um zwei Worte ergänzte: „And here are the all-male nominees.“

Selbst in einem so hoch dotierten Business wie dem Filmgeschäft sind Frauen im Jahr 2018 weiterhin Willkür, Sexismus und Übergriffen ausgesetzt. So sehr, dass sich 300 mächtige Schauspielerinnen, darunter auch Portman, für die Time’s Up-Initiative einsetzen, eine Non-Profit, die sich für Frauen in der Medienbranche einsetzt, die sexuelle Diskriminierung oder Gewalt erlebt haben.

Leider ist dies kein alleiniges Hollywood-Phänomen. Es ist vor allem ein gesamtgesellschaftliches Problem, vor allem auch an unser aller Arbeitsplätze. Sexuelle Diskriminierung findet statt, immer und überall und es gibt viele Ideen und Vorschläge, wie sich diese Gesellschaft am besten verändern sollte. Wir haben unser Netzwerk befragt – erfolgreiche Unternehmerinnen, Gründerinnen und Freelancer – welche Erfahrungen sie mit sexueller Belästigung am Arbeitsplatz haben und was ihrer Meinung nach die wichtigsten Dinge sind, die sich ändern müssen:

Sonja Jost, Gründerin des Pharma- und Chemie-Startups DexLeChem

Haben Sie in Ihrem Arbeitsleben/in Ihrer Position bereits Erfahrungen mit sexistischem oder übergriffigem Verhalten Ihnen gegenüber gemacht?

Jost: „Als Geschäftsführerin bin ich in einer Position, dass ich übergriffiges Verhalten sehr selten erlebt habe, aber vorgekommen ist es schon. In besonders negativer Erinnerung geblieben sind mir zwei Ereignisse: Eines war als ein Kooperationspartner mich bei einem Abendessen aus heiterem Himmel auf einer Messe fragte, ob ich nicht mit in seinem Hotelzimmer übernachten wolle. Ich war extrem sauer, weil wir uns zwei Wochen vorher noch mit seiner Ehefrau und meinem Partner zusammen zu einem Essen getroffen hatten und habe ihm daraufhin nur mit sehr verärgertem Blick trocken erwidert: ‚This is not funny!‘

Die zweite Situation ist einer Mitarbeiterin von mir passiert, der auf einer Messe von einem Kunden ‚zärtlich‘ über die Wange gestreichelt wurde – was sie mir aber erst im Nachgang berichtet hat. Ich hätte ihn daraufhin fast gelyncht.“

Was muss passieren, damit Sexismus/Diskriminierung/Übergriffigkeit am Arbeitsplatz ein Relikt der Vergangenheit wird?

Jost: „Ich finde es wichtig, seine Antennen auszufahren und die Signale aufzunehmen, die gesendet werden. Ich unterstelle mal, dass jedem Einzelnen sehr gut bewusst ist oder bewusst sein kann, wo unangenehme Situationen für sein Gegenüber anfangen zu entstehen. Die Frage ist dann nur, ob man das ignoriert, weil man Nutznießer davon ist oder weil man über ein gestörtes Selbstbild verfügt.

Viele erfolgreiche Menschen können sich leider gar nicht (mehr) vorstellen, dass etwas (was sie selbst betrifft) für jemand anderes unangenehm sein könnte. In solchen Fällen ist eine Umgebung wichtig, die einen zurück auf den Boden der Realität holt und ggf. spiegelt, wie sie die Situation wahrgenommen hat – egal ob sie direkt involviert war oder nicht. Wir brauchen einfach alle mehr Mut, um darüber zu sprechen. Das fängt bei jedem Einzelnen an, egal ob Mann oder Frau!“

Leila El-Kayem und Sophie Mayer, Co-Founder der Kreativagentur The Adventures Of

Leila El-Kayem und Sophie Mayer

Haben Sie in Ihrem Arbeitsleben/in Ihrer Position bereits Erfahrungen mit sexistischem oder übergriffigem Verhalten Ihnen gegenüber gemacht?

El-Kayem: „Leider sind das keine Einzelerfahrungen. Es passiert viel zu oft. Es geht um bedrohliches Verhalten, das dazu dient, dass wir uns dann klein fühlen. Wen man gerade beruflich anfängt, kann es manchmal einschüchtern. Das Wort “Girl“ wird oft benutzt. Aber ich bin kein “Girl” mehr, sondern ein Entrepreneur mit mehr als 20 Mitarbeitern.

Bevor ich die Agentur gegründet habe, waren es die Kreativdirektoren und auch die Agenturchefs, die mir mit ihren Sprüchen kleine Seitenhiebe beibringen wollten und versucht haben, mir zu zeigen, wer hier die Hosen an hat.
Am schlimmsten ist es auf den Werberparties, wenn zu viel getrunken oder sonst was gemacht wird. Wenn dir dann viel zu nahe gekommen wird, sodass sie dir schon die Spucke ins Gesicht sprühen.

Es ist manchmal schwer zu beschreiben, dieses Verhalten. Es ist, als ob sie dich erniedrigen wollen und gleichzeitig bewundern. Heute habe ich die Hosen an.“

Was muss passieren, damit Sexismus/Diskriminierung/Übergriffigkeit am Arbeitsplatz ein Relikt der Vergangenheit wird?

El-Kayem: „Es existiert so ein ‚Copycat-Verhalten‘ unter Männern in der Werbebranche. Man sieht, wie die Arschlöcher weiterkommen, und dann kopieren die jüngeren Talente dieses Verhalten, weil die sehen, dass es Erfolg bringt. Eine Veränderung muss von oben kommen. Die Chefs dürfen dieses Verhalten nicht vorantreiben, sondern stoppen. Es gibt dieses Sprichwort: ‚Der Fisch stinkt vom Kopf‘. Der Spruch sagt viel. Und, so schwer es auch ist, müssen die Frauen auch selbst etwas sagen. Nur zusammen können wir diesen Kreislauf ändern.“

Mayer: „Du kannst nicht sein, was du nicht siehst. Daher ist der einzige Weg, eine Veränderung herbeizuführen, die Veränderung zu sein. Indem du dein eigenes Unternehmen gründest. Über den Hashtag-Aktivismus hinaus besteht echte Veränderung darin, die patriarchale, heteronormative Kultur in der Werbebranche herauszufordern. Das gelingt nur, wenn wir die Vielfalt und Beweglichkeit der Welt, in der wir leben, genauer reflektieren. ‚Rage and Revolution‘ sind gefragt, um zukunftsfähig und inklusiv zu bleiben. Ihre Zeit ist vorbei, unsere Zeit ist jetzt.“

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