Leadership & Karriere Businesslektionen von der Spitze: Michael Lentrodt verbindet Bergsteigen und Unternehmertum

Businesslektionen von der Spitze: Michael Lentrodt verbindet Bergsteigen und Unternehmertum

Wie performen Manager am Hang? Der Bergführer und Geschäftsmann Michael Lentrodt über Selbsterkenntnis in Extremsituationen.

Wie performen Manager am Hang? Der Bergführer und Geschäftsmann Michael Lentrodt über Selbsterkenntnis in Extremsituationen. Ein Interview von Luisa Jabs.

Herr Lentrodt, was holen die Berge aus den Menschen hervor?

Viele, die in einer wilden Umgebung physisch an ihre Grenze kommen, lassen sämtliche Hüllen fallen. Ein Beispiel: Als junger Bergführer führte ich eine Skitour, und bei einer Abfahrt brach sich eine Frau fies ein Bein. Sie hatte unglaubliche Schmerzen. Aber da konnte kein Krankenwagen hinfahren, für den Hubschrauber war es schon zu dunkel. In meiner Gruppe gab es verschiedene Typen: Manche hatten sich während der Woche in den Vordergrund gestellt und viel geredet, aber geholfen hat mir mit der Frau am Ende einer, der zuvor völlig unscheinbar war. Die Helfer in einer Extremsituation sind also nicht per se die, von deren Auftreten her man es in einer Nicht-Extremsituation erwartet hätte.

Sie nehmen auch Geschäftspartner mit auf Tour. Ändert sich dadurch das Verhältnis?

Generell finde ich eine höfliche Distanz gut für eine Businessbeziehung. Trotzdem ist es so, dass einige Geschäftspartner, mit denen ich auf Touren gegangen bin, mittlerweile gute Freunde geworden sind. In den Bergen lernt man eben die Menschen gut kennen und einige davon so gut, dass man merkt, dass man sich auch außerhalb des beruflichen Feldes versteht. Bei anderen geht man einfach wieder auseinander und bleibt bei einem professionellen Verhältnis.

Ist eine Tour schon einmal richtig eskaliert?

Ich hatte da mal einen Fall, da hat sich ein Geschäftspartner selbst überschätzt und ist bei einer Skitour nicht meiner Spur gefolgt. Er kam dann völlig entkräftet wieder bei der Gruppe an und hat mich angeschrien, ob es mir Spaß machen würde, andere Leute fertigzumachen. Er hat alle Schuld von sich geschoben und konnte überhaupt nicht mit seinem eigenen Fehler umgehen und sich auch nicht unterordnen. Im Business ist so ein Typ genau das Gegenteil von dem, was man sich wünscht: einen Geschäftspartner, der auch, wenn nicht alles perfekt läuft, ruhig, souverän und fair bleibt.

Wo sehen Sie weitere Parallelen zwischen Business und Bergsteigen?

Für beides braucht man Können, Wissen und gute Vorbereitung. Auch Präzision und Gewissenhaftigkeit sind jeweils elementar. Beim Bergsteigen ist es wortwörtlich tödlich, wenn man die Dinge nicht präzise macht. Im Berufsleben begegne ich oft Menschen, die zu schnell die Karriereleiter hochgeklettert sind. Das führt häufig dazu, dass sie ständig damit beschäftigt sind, ihre Schwächen vor anderen durch ein auffälliges Auftreten zu verbergen. Das liegt am sogenannten Peter-Prinzip, welches besagt, dass Menschen bis auf die Stufe ihrer absoluten Unfähigkeit befördert werden. Oft findet eine Beförderung statt, weil die Person das, was sie im Moment macht, gut macht. Dabei wird aber selten darüber nachgedacht, ob sie für die neue Stelle überhaupt geeignet sind. Viele kommen trotzdem damit durch, zumindest für eine Zeit. Beim Bergsteigen ist die negative Rückkopplung im Gegensatz dazu meist unmittelbar zu spüren.

Was haben Sie am Berg persönlich für den Job mitgenommen?

Ich habe beim Bergsteigen gelernt, dass es wichtig ist, Werkzeuge zu haben, die es einem ermöglichen, Risiken zu identifizieren. Das braucht man im Business auch – vor allem, wenn man auf der Führungsebene unterwegs ist. Eines der zentralsten Elemente im Risikomanagement ist der Verzicht. Wenn ich im Beruf merke, dass etwas zu gefährlich oder teuer werden kann, muss ich darauf verzichten. Genau so ist das bei einer Tour, die ich als gefährlich einstufe. Die muss ich entweder absagen oder meine Route ändern. Auch wenn meine Ski-Truppe Druck auf mich ausübt. Man muss lernen, subjektive Faktoren, die einen an guten Entscheidungen hindern, auszublenden. Das ist oft nicht einfach, zumal die Konsequenzen beim Bergsteigen fatal sind. Im Geschäftsleben sind sie es meistens nicht, leider.

Wie meinen Sie das? 

Im Business haben wir es oft mit Menschen zu tun, die trotz falscher Entscheidungen noch mit hohen Abfindungen rechnen können. Das beste Beispiel ist Georg Funke, der ehemalige Vorstandsvorsitzende der Hypo Real Estate. Ich bin der Überzeugung, wäre er Bergsteiger, hätte er anders gehandelt. Funke hatte die Möglichkeit, ein hochriskantes Geschäft zu machen und, selbst wenn es schiefgeht, auf eine millionenschwere Abfindung zu klagen. Hätte er mit den gleichen Konsequenzen wie ein Bergsteiger zu rechnen gehabt, hätte er das riskante Geschäft nicht gemacht. Meiner Meinung nach müssen Führungskräfte in Unternehmen lernen, verzichten und persönliche Verantwortung übernehmen zu können.

Abgesehen von Geschäftspartnern, wie kommen Manager dazu, sich von ihnen durch die Berge führen zu lassen?

Viele sprechen mich direkt an. Aber es gibt auch Firmen, die ganz bewusst solche Events buchen, um ihre Mitarbeiter in Situationen außerhalb ihrer Komfortzone zu bringen.

Hatten Sie schon einmal Angst, ein Kunde könnte ihnen vom Berg fallen?

Nein, ich habe keine Angst. Das gehört ja zum täglichen Geschäft. Da ist es egal, ob ich mit einem Kunden oder sonst jemandem unterwegs bin. Das sind fast immer fremde Leute, für die man Verantwortung übernimmt. Als junger Skiführer habe ich aber mal mit meinem Sohn eine Tour gemacht und plötzlich neue Antennen bei mir bemerkt. Ich wurde noch gewissenhafter als zuvor schon. Wenn ich seitdem mit Kunden unterwegs bin, versuche ich mir immer vorzustellen, mein Kind wäre dabei.

Der Präsident des Verbands Deutscher Berg- und Skiführer ist zugleich Inhaber einer Immobilienfirma. Seine am Berg gewonnenen Erkenntnisse über Führung und Verantwortung vermittelt Lentrodt im Rahmen von Touren an Manager und andere Interessierte, die mehr über sich selbst im Angesicht von Grenzsituationen erfahren wollen.

Der Text stammt aus unserer aktuellen Ausgabe 04/18. Darin widmen wir uns ausführlich neuen Trends in der HR-Branche. Cover-Story: Ex-StudiVZ-Chef Michael Brehm. Der will Menschen von KI coachen lassen, damit Bots sie nicht abhängen. Außerdem: Eine Stadt im Weltraum, der Coworking-Gigant Wework im Optimierungswahn und ein Dossier zum Thema HR. Mehr Infos gibt es hier.

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