Female Entrepreneurship Sandrine Perrier über New-Work-Trends: „Coworking-Spaces sind tot“

Sandrine Perrier über New-Work-Trends: „Coworking-Spaces sind tot“

Flexible Arbeitszeiten, Selbstverwirklichung und kreative Freiräume sind mittlerweile keine Bedingungen mehr, die nur Mitarbeiter des typischen Startup-Chic fordern. Das Thema New-Work hält auch Einzug in Büros, die von einer hippen „Einfach-Machen-Mentalität“ jedoch noch weit entfernt sind. Wir haben mit Sandrine Perrier, Chief-Marketing-Officer der Factory Berlin, einer Coworking-Community, über die Zukunft der Arbeit gesprochen.

New-Work ist ein mega großer Begriff. Was verstehen Sie darunter? 

Die Zeiten vom traditionellen 9-to-5-Job sind vorbei. Die Art und Weise zu arbeiten ist viel flexibler geworden. Es geht nicht mehr darum Dinge zu planen und strategisch anzugehen. Heute herrscht eher das Mindset vor, neue Dinge auszuprobieren, schnell zu sein, Anpassungen vorzunehmen und zu schauen, ob sie funktionieren. Wenn ja, können sie weiter ausgearbeitet werden und wenn nicht, dann verwirft man sie wieder. Früher hat man auch eine Stelle angenommen und unter Umständen seine ganze Karriere bei einem Unternehmen gemacht. Jetzt wird mehr projektbezogen gearbeitet.

Das klingt alles nach sehr viel Spielraum. Arbeiten wir künftig dann noch mehr Remote? 

Arbeit ist heutzutage sehr digital. Wir sind immer online. Wir haben so viele Möglichkeiten nicht im Büro zu sein, und sind doch irgendwie anwesend, da wir über digitale Plattformen arbeiten können. Nicht immer am gleichen Schreibtisch zu sitzen, lässt uns durchatmen.

Wenn nie alle Kollegen im Büro sind und jeder andere Arbeitszeiten hat, wie wirkt sich das auf den Workflow aus? 

Digital zu sein bringt uns weg von einem Team und führt dazu, dass wir möglicherweise eher individualistisch arbeiten. Ich denke aber, dass diese Entwicklung uns dazu zwingen wird, mehr Konversationen zu führen. Wir verfehlen das Ziel, wenn wir nur noch über Slack und Skype arbeiten. Körpersprache macht 80 Prozent unserer Kommunikation aus. Es ist sehr wichtig einen Ort zu haben, an dem sich Menschen auch persönlich treffen und vernetzen können. Andernfalls kann das Geschäft nicht funktionieren.

Muss so ein Ort das Büro sein oder eignet sich auch ein Coworking-Space? 

Ich denke, dass Coworking-Spaces tot sind, um ehrlich zu sein. In einem Coworking-Space arbeitet man anonym. Man geht rein, arbeitet und geht wieder raus. Man vernetzt sich nicht mit den Menschen. Aber heutzutage ist Networking im Business der Schlüssel zum Erfolg. Deswegen organisiert die Factory Berlin beispielsweise Meetings und Workshops, damit die Menschen zusammenkommen und sich austauschen.

Großraumbüros sollen ja angeblich auch den Austausch zwischen Kollegen fördern und sind Teil vom New-Work-Konzept, werden aber in letzter Zeit auch immer mehr als Fluch statt Segen angesehen. Was halten Sie von Großraumbüros? 

Ich finde, dass nicht jeder Raum dazu geeignet ist, kommunikativ zu sein. Wenn man an konzeptionellen Ideen arbeitet, ist es vielleicht toll, mit Menschen zusammen zu sein, mit denen man darüber diskutieren kann. Wenn man sehr strategisch und routiniert arbeitet, ist es möglicherweise besser, für sich zu sein.

Wenn sich der Arbeitsplatz und die gesamte Arbeitsweise so flexibel gestalten, welche Nachteile hat das? 

Die Flexibilität kann dazu führen, dass man nicht weiß, wann Schluss ist mit arbeiten. Früher waren Arbeit und Privates getrennt. Heute vermischen wir alles. In der Factory Berlin habe ich Leute gesehen, die kommen um acht Uhr morgens und gehen um neun Jahr abends und gehen danach auf Events. Sie sind immer mit ihrem Business verbunden. Diese Grenze zwischen Beruf und Privatleben nicht zu ziehen, kann zu einem Burnout führen. Deswegen bietet die Factory Berlin ihrer Community zum Beispiel Yoga-Workshops und Achtsamkeitstrainings von Coaches an, um einen gesunden Umgang mit dem Job zu unterstützen.

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Auch in unserem Podcast halten wir euch über Neues aus dem Work-Life auf dem Laufenden (Link via Foto).

Was kann ein Arbeitgeber tun, wenn er merkt, dass seine Mitarbeiter gefühlt rund um die Uhr arbeiten? 

Wenn du ein Team führst und siehst, dass Mitarbeiter E-Mails noch um zwei Uhr nachts oder am Wochenende verschicken, dann musst du das stoppen. Als Leader hat man die Verantwortung, dass die Mitarbeiter auch Pausen machen. Abschalten benötigt Selbstreflexion und die hat man nicht, wenn man gerade mitten in einem Projekt ist. Deshalb müssen Vorgesetzte darauf achten, dass ihre Mitarbeiter nicht ausbrennen.

Was kann man dann machen?

Jemand hat am Wochenende gearbeitet? Dann gib ihm einen Tag frei. Frage auch, wie es deinen Mitarbeitern geht. Wenn du merkst, dass jemand sich immer mehr zurückzieht und still ist, dann beobachte das und spreche ihn gegebenenfalls darauf an. An einem gewissen Punkt liegt die Verantwortung aber auch beim Mitarbeiter selbst mal Nein zu sagen, Prioritäten und Zeitmanagement zu definieren und nach Hilfe zu fragen.

Haben Sie noch persönliche Tipps, was man tun kann, um abzuschalten? 

Sich etwas suchen, bei dem das Gehirn sich nicht anstrengen muss oder ein anderer Bereich des Gehirns gefragt ist. Wenn jemand zum Beispiel im Job sehr vorschriftsgemäß arbeitet, dann kann es helfen, zu Hause kreativ zu werden. Wenn jemand im Job kreativ sein muss, kann er vielleicht abschalten, indem er privat viel Routine hat.

Also dann lieber doch eher zurück zur Work-Life-Balance statt hin zur Work-Life-Integration? 

Zu Beginn eines Startups oder der Gründung eines Unternehmens ist eine Work-Life-Integration notwendig. Danach sollte die Work-Life-Balance wieder wichtig sein, wenn man im Job langfristig erfolgreich sein will.

Was meinen Sie, wohin wird sich New-Work künftig hin entwickeln? 

Ich habe meine eigene Vision von New-Work. Ich denke immer mehr Leute werden Digitalnomaden und nur noch projektbasiert arbeiten. Langfristige Beschäftigungsverhältnisse wird es nicht mehr geben, sondern nur noch Einjahresverträge oder eine freiberufliche Basis. Ich denke auch, dass die Generation-Y-und-Z nach neuen Regeln arbeiten wird.

Inwiefern? 

In der Factory Berlin gibt es Teenager, die schon ihr eigenes Unternehmen haben und durch die Welt reisen. Sie brechen die Regeln in dem Sinne, dass sie nicht planen und keine Strategien entwickeln. Sie probieren sich einfach aus. Sie wollen einen Marketingplan erstellen? Dann suchen sie nach einer App, die das macht oder schauen sich ein Youtube-Tutorial dazu an. In der neuen Arbeitswelt sind der Mut zum Ausprobieren und die Bereitschaft, sich immer wieder zu wandeln, zentral. Jahrzehntelange Pläne sind im digitalen Zeitalter nicht mehr zielführend.

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