Leadership & Karriere Wework hat aus dem Coworking-Gefühl ein skalierbares Produkt gemacht

Wework hat aus dem Coworking-Gefühl ein skalierbares Produkt gemacht

Das Büroraum-Startup Wework hat aus dem Coworking-Gefühl ein skalierbares Produkt gemacht. Für Konzerne die Rettung. Denn die New Yorker lösen ein Problem, an dem viele Corporates bislang verzweifeln.

Eugen Miropolski, Managing Director bei Wework, wirft sich in das plüschig-bunte Sofa. Vor ihm steht ein helles Holztischchen, die Wand in seinem Rücken ist knallbunt tapeziert. Freundliche Farben, warmes Licht. Vergisst man kurz, wie viel Überredungskunst es eben gekostet hat, bis die bärbeißige Berliner Empfangsdame im Erdgeschoss den irgendwie nicht korrekt angemeldeten Gast schließlich in den Fahrstuhl ließ, könnte man meinen, hier in einem sehr angehipsterten Hotel in Berlin-Mitte zu sitzen – und nicht in einem Bürokomplex. Einem Bürokomplex allerdings, der dank Meetingräumen mit Plüschsofas, Ausblick über die halbe Stadt und natürlich auch der Kaffeebar mit dem Zapfhahn, aus dem immer Freibier fließt, als einer der begehrtesten Arbeitsorte in Berlin gilt.

Die Wework-Filiale im Sony Center ist tatsächlich eine Oase am Potsdamer Platz: Anfang der 90er-Jahre wurde diese Stein-Beton-Glas-Wüste auf eine vom Mauerbau gerissene Brache gepackt und soll seitdem so etwas wie Weltstadtflair simulieren. Manhattan! Singapur! Tatsächlich verirrt sich an den „Potsplatz“ allerdings kaum jemand – außer Touristen, Kinogängern und bedauernswerten Mitarbeitern von Unternehmen, die ihre Leute gerne in Glaswürfel an repräsentativer Adresse sperren. Doch seit an der Fassade des Sony Center das Wework-Logo über den Berliner Tiergarten strahlt, wird dieser Arbeitsplatz mit Neid erwidert. Nicht „am Postdamer Platz“, das nun doch nicht. Aber „im Wework“.

Nun, Herr Miropolski, wie hat Wework das gemacht? Dass es wichtiger ist, wer das Bürogebäude eingerichtet hat und managt, als wer der Arbeitgeber ist? Miropolski grinst. Er ist als Managing Director des New Yorker Immobilien-Startups Wework für den Ausbau des Europageschäfts verantwortlich. Derzeit kann er gefühlt im Wochentakt in irgendeiner europäischen Großstadt eine neue Filiale eröffnen. Allein in Berlin sind seit 2017 sieben Büros mit teilweise über 1 000 Arbeitsplätzen entstanden oder stehen kurz vor der Eröffnung. Miropolskis Antwort auf all diese Fragen, seine Reaktion auf den Erfolg und das krasse Wachstum von Wework beginnt er so: „Große Unternehmen befinden sich in einem Krieg um Nachwuchskräfte.“ Und Wework löst dieses Problem, indem es Büroflächen so kleinteilig, stylish und verspielt einrichtet, dass sie das flirrende Ambiente eines Startups verströmen. Das wollen die umkämpften Mitarbeiter, deswegen bezahlen die Konzerne dafür Geld. So einfach.

Fokus auf Großkunden

Tatsächlich bringen immer mehr Firmen einzelne Teams oder auch mehrere Hundert ihrer Angestellten bei Wework unter. Inzwischen sind 25 Prozent der Leute hier im Sony Center oder in einer anderen der weltweit bald 300 Wework-Filialen sogenannte Enterprise-Members, also Mitarbeiter großer Firmen. Auch wenn Wework noch als Coworking-Dienstleister gilt, sind längst nicht mehr alle hier klassische Coworker, also Einzelkämpfer oder kleine Teams, die ein Startup aufbauen.

Für Freelancer, wenn sie ihr Geld nicht gerade in der Beratung verdienen, sind die Preise ab 380 Euro im Monat für einen flexiblem Arbeitsplatz im Wework Sony Center vergleichsweise steil – im Betahaus in Kreuzberg kostet ein Arbeitsplatz 99 Euro. Weworks Enterprise-Kunden dagegen können sich das gut leisten, auch die abgeschlossenen Büros, für die schnell mehrere Tausend Euro aufgerufen werden. Was jedoch immer noch preiswerter ist, als sich in herkömmliche Büros einzumieten. Denn neben dem Imagefaktor, Leute bei Wework sitzen zu haben, bringen auch genau deswegen fast ein Viertel aller Fortune-500-Konzerne schon Mitarbeiter bei Wework unter. Mit vielen weiteren würde man sprechen, sagt Miropolski. Denn für die Kunden mache es Sinn: „Wir helfen Firmen, flexibler zu sein und effizienter in finanzieller Hinsicht.“

Über lang zu kurz

Das liegt an Weworks Geschäftsmodell, das ein großes Problem der Konzerne clever löst: Wer Büroflächen mietet, muss sich in der Regel sehr langfristig binden, oft für 15 Jahre oder mehr. Das New Yorker Unternehmen schaltet sich also zwischen Immobilienbesitzer und Bürosuchende, wird Langzeitmieter und überlässt die angemieteten Flächen zu kurzen Laufzeiten und mit großer Flexibilität. So können diese bei Bedarf einfach ein paar Büros dazubuchen oder ausziehen, ohne sich mit der Suche nach einen Nachmieter herumschlagen zu müssen. Das erklärt, warum der Konzerncontroller begeistert ist – aber noch nicht wirklich, was das mit dem Kampf um die Nachwuchskräfte zu tun hat.

Die Antwort auf diese Frage findet man in der Vergangenheit des Unternehmens. Als nämlich noch nicht abzusehen war, dass Wework zu einem in 22 Ländern aktiven Unternehmen werden und seinen Umsatz von 430 Mio. Dollar im Jahr 2016 auf 886 Mio. Dollar 2018 verdoppeln würde und laut „Wall Street Journal“ eine Bewertung von 35 bis 40 Mrd. Dollar anstrebt. Damals nämlich trafen in New York zwei junge Männer aufeinander, die sich über einen gemeinsamen Freund kannten und in ihren aktuellen Jobs nicht wirklich glücklich waren. Der eine, Adam Neumann, betrieb das defizitäre Babymode-Startup Krawlers. Der andere, Miguel McKelvey, arbeitete in einem kleinen Architekturbüro, mit dem er als Inneneinrichter Läden für die damals steil aufstrebende US-Modekette American Apparel entwarf.

Neumann und McKelvey freundeten sich an, und als Neumann ein neues Büro suchte, zog er in das Gebäude in Brooklyn, in dem McKelvey arbeitete. In den gemeinsamen Pausen grübelten sie über Geschäftsideen. Irgendwann hatten sie die für sie passende: Green Desk – nachhaltige Coworking-Spaces für Startups.

 

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Es dauerte einige Zeit, bis Neumann und McKelvey eine geeignete Immobilie gefunden hatten. Green Desk startete 2008 und wurde direkt zum Erfolg. Als ihr Vermieter, der Anteilseigner an Green Desk war, sah, dass das Konzept einschlug, wollte er es auf andere Häuser übertragen. Daraufhin verkauften Neumann und McKelvey ihre Anteile und starteten auf der anderen Seite des East River neu: Das erste Wework eröffneten sie 2010 in SoHo. Die Gründer hatten kaum Geld, ließen darum die offen liegende Backsteinwand unverputzt und stellten statt teurer Büroeinrichtung normale Wohnmöbel in ihren Space. Die Kunden liebten dieses Ambiente, das in den folgenden Jahren zum Signature-Look von Coworking-Spaces weltweit wurde.

Aber es geht nicht nur um Sofas und Mauerwände: Den gigantischen Erfolg von Wework kann man auch als Ausdruck eines veränderten Anspruchs an Arbeit verstehen – und Wework als Helfer im Kampf um Nachwuchskräfte. Es geht, natürlich, um Millennials und ihre Sicht auf Geld, Arbeit und die Sinnhaftigkeit all dessen. „Man kann fragen, wen man will: Der finanzielle Aspekt ist noch immer wichtig, aber Geld steht nicht mehr an erster Stelle“, beschwört Miropolski das bekannte Millennial-Mantra: „Heute suchen die Leute nach Purpose in ihrem Leben.“ Anders gesagt: Übertarifliche Bezahlung und ein fester Tiefgaragenstellplatz werden immer egaler, wenn man darin Schmerzensgeld und Bestechung für eine Aufgabe sieht, die einen nicht erfüllt. Miropolski geht noch weiter und spricht von einer Paradoxie. Auf der einen Seite seien Menschen durch digitale Technologie besser vernetzt denn je, zugleich fühlten sie sich so einsam und isoliert wie nie zuvor.

Diese Paradoxie ist Basis von allem, was Wework verkauft. Bei jedem neuen Geschäftsfeld, das die New Yorker erschließen, geht es um Gemeinschaften. Welive etwa, die Coliving-Sparte von Wework, bei der WG und Serviced Apartment verschmelzen. Auch wenn das 2016 in New York und Washington gestartete Konzept bislang nicht über zwei Standorte hinausgekommen ist, erklärte Gründer Neumann mehrfach, er sei überzeugt, Welive könne eines Tages größer werden als Wework. Oder das Event-Organisationstool Meetup, das Ende 2017 für 30 Mio. Dollar aufgekauft wurde: Wework will Meetup künftig nutzen, um seine Mitglieder – wie Wework seine Kunden nennt – besser zu vernetzen. Am Ende solle jedes Venture auf ein Ziel einzahlen, sagt Miropolski: „Real-Life-Experiences, die sich durch das Leben der Leute ziehen: Wework ist der Ort, an dem du arbeitest, deine Wohnung hast du bei Welive, und in deiner freien Zeit kannst zu einem Meetup gehen.“ Es geht also darum, den Kunden rund um die Uhr, im Bett, am Schreibtisch, beim abendlichen Event das Gefühl zu geben, niemals allein zu sein.

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