Productivity & New Work Intervall-Woche: Fünf Tipps, wie wir den Arbeitsalltag unserem Biorhythmus anpassen können

Intervall-Woche: Fünf Tipps, wie wir den Arbeitsalltag unserem Biorhythmus anpassen können

Ein Gastbeitrag von Silvia Sperling und Dr. Lothar Seiwert

Der Handywecker klingelt, wir quälen uns aus dem Bett. Wie in Trance setzen wir den Kaffee auf, dabei ein schneller Blick in den Outlook-Kalender: Das erste Meeting ist um halb neun. Und dann ein Slot nach dem anderen. Grausam.

Sind dann am späten Abend die letzten To-dos erledigt, winkt uns zu Hause nur noch das Sofa entgegen. Der Kopf ist müde, der Körper verweigert jegliche Kooperation.

Dabei – und das wird viele überraschen – arbeiten wir im Schnitt gar nicht zu viel. Es ist vielmehr die Art, WIE wir arbeiten, die uns unzufrieden und krank macht. Um das zu verstehen, müssen wir einen Blick auf die chronobiologische Forschung werfen: Sie konnte nachweisen, dass jeder Mensch eine individuelle biologische Taktung hat.

So etwas wie ein inneres Gesetz, dem wir allerdings viel zu oft zuwiderhandeln. Weil uns dieser innere Rhythmus nicht bewusst ist, lassen wir uns durch eine äußere Taktung fremdsteuern, die unseren körperlichen und psychischen Bedürfnissen komplett entgegenläuft.

Silvia Sperling ist Wirtschaftsjournalistin, Autorin und Acquisition Editor für Themen rund um Persönlichkeitsentwicklung, Lebensbalance und gesunde Lebensführung. Nach ihrem Aufenthalt im Silicon Valley hat sie sich auf Innovationsmanagement spezialisiert.

Zeit, für die Intervall-Woche

Wir orientieren uns am Outlook-Kalender statt an unserer inneren Uhr. Wir lassen uns vom Wecker aus dem Schlaf reißen, statt so lange zu ruhen, wie es uns der biologische Rhythmus vorgibt.

Wir missachten, dass es verschiedene Zeitfenster im Verlauf des Tages gibt, die sich für Konzentration, Kreativität, Problemlösung, Inspiration, Aktivität oder Passivität eignen. Und wir akzeptieren eine permanente Erreichbarkeit, obwohl der biologische Rhythmus in Intervallen und Pausen verläuft.

Durch diese veralteten Strukturen sind wir meilenweit von unserer eigentlichen Leistungsfähigkeit und Kreativität entfernt. Was wir brauchen, ist ein neuer Ansatz, der Rhythmusmanagement, New Work, Intervallbewusstsein und neues Sinnerleben berücksichtigt: Wir sprechen dabei von der Intervall-Woche. Die folgenden fünf Schritte bringen uns bei der Umsetzung schon ein gutes Stück voran:

Watch your Biorhythmus!

Im ersten Schritt müssen wir erkennen, wie wir selbst ticken – und wie weit diese Taktung von dem entfernt ist, was die Außenwelt von uns erwartet. Unser Tipp: ein eigenes Intervall-Journal führen. Sprich: Den eigenen Tagesablauf beobachten und aufschreiben. Nicht nur in einer normalen Arbeitswoche, sondern auch im Urlaub. Wir tragen ein, wann wir wach werden, ob durch einen Wecker oder nicht; wann unsere kreative Phase ist und wann wir einen Leerlauf haben.

Am Ende haben wir einen Überblick gewonnen, wie stark sich unsere biologischen Intervalle von unserer äußeren Taktung unterscheiden – und können unserem Intervall-Typ entsprechend an den ersten Stellschrauben drehen, um die beiden Rhythmen einander anzunähern. Wir werden feststellen, dass sich unsere Aktivitäts- und Erholungsphase mit erstaunlicher Genauigkeit abwechseln.

Prof. Dr. Lothar Seiwert ist seit über 30 Jahren Europas führender Experte für Zeit- und Lebensmanagement.

Jeder hat seine individuellen Phasenfenster. Man muss nicht einmal auf die Uhr schauen, sondern einfach nur dem Rhythmus folgen, bei Anzeichen von leichter Müdigkeit Pausen machen und dann wieder energiegeladen ans Werk gehen. Nichts erzwingen. Wenn man mit dem Körper arbeitet, ihm vertraut, sendet er Signale, die uns ganz automatisch helfen, unseren Arbeitstag zu strukturieren.

Tagesablauf anpassen

So individuell unsere inneren Taktungen auch sind, so gibt es doch Richtwerte, wie die meisten Menschen ticken. Idealtypisch verlaufen unsere Phasen über den Tag hinweg in etwa so:

7 bis 8 Uhr: Konzentrationsphase

8 bis 9 Uhr: Kreativphase

9 bis 12 Uhr: Problemlösungsphase/Konzentrationsphase 

12 bis 15 Uhr: Leistungstief

15 bis 17 Uhr: Problemlösungsphase/Kreativphase

18 bis 21 Uhr: Reflexionsphase (Zusammenhänge lassen sich besonders gut erkennen)

Vielleicht lassen sich ja künftig berufliche Termine und Meetings stärker auf diese Phasen abstimmen? Gerade jetzt, wo viele im Homeoffice arbeiten, sind die meisten doch flexibler in der Zeiteinteilung. Der perfekte Moment, um sich auf Veränderungen einzulassen!

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Dabei empfiehlt es sich, vom Ergebnis her zu denken: Ist für eine Aufgabe die Konzentrationsleistung der Mitarbeiter*innen gefragt, lieber die Vormittagsstunden dafür reservieren. Wird hingegen die Kreativitätsphase benötigt, ist der Nachmittag aus chronobiologischer Sicht geeigneter. Ein Strategie-Meeting um 14 Uhr, direkt nach dem Mittagessen, ist zum Scheitern verurteilt, bevor es überhaupt angefangen hat. Nicht ohne Grund legt Jeff Bezos alle wichtigen Termine und Meetings auf den Vormittag zwischen 10-12 Uhr.

Die Woche optimieren

Auch im Wochenverlauf können wir bestimmte Leistungsverläufe beobachten, die wir uns zunutze machen können. So ist am Dienstag die Leistungskurve am höchsten und wir sind am leistungsfähigsten. Am Donnerstag sinkt die Konzentration ab, um freitags mit der Aussicht und Vorfreude auf das Wochenende wieder anzusteigen. Wenn wir diese Potenziale und Leistungsfenster kennen, können wir sie bewusst nutzen. Denn in ihnen liegt eine große Chance, sowohl für die Mitarbeiter*innen als auch für den Erfolg eines ganzen Unternehmens.

Schlaf und Schlafqualität optimieren

Die meisten Menschen werden morgens durch einen Wecker wach. Etwa 75 Prozent der Bevölkerung brauchen eine Weckuhr zum Aufstehen. Im Sinne unserer Schlafgesundheit ist das fatal, denn es bedeutet nichts anderes, als dass wir nicht zu Ende schlafen.

Die Medizin hat die Folgen definiert: Es gibt eine höhere Fehleranfälligkeit, da die Konzentrationsfähigkeit begrenzt ist, und mehr Krankmeldungen aufgrund eines Schlafdefizits. Das liegt unter anderem auch daran, dass der Schlaf eine Art Detox für das Gehirn ist. Während des Schlafs spült eine Flüssigkeit, der Liquor, das Gehirn einmal durch – eine Art „Gehirnwäsche“ also.

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Aus Studien ist bekannt, dass Hirnflüssigkeit toxische Eiweiße aus den grauen Zellen spülen kann, die der Gedächtnisleistung schaden können. Wenn der Wecker klingelt, wird dieser Prozess einfach unterbrochen. Ein gutes Argument für die Vorgesetzten, uns künftig ausschlafen zu lassen.

Denn sie würden ja auch im Arbeitsalltag nicht zulassen, dass eine Aufgabe einfach nicht zu Ende geführt wird. Hier kommt uns die Arbeit im Homeoffice ebenfalls entgegen: Denn die Zeit, die wir sonst für den Weg ins Büro brauchen, können wir jetzt zum Schlafen nutzen. 

Erreichbarkeit begrenzen

Bei allen Vorteilen des Remote-Arbeitens gibt es auch Risiken. Das größte Problem ist, dass Menschen im Homeoffice die sozialen Kontakte vermissen. Und zweitens, dass sie die Grenzen zwischen Arbeit und Privat nicht mehr spüren. Alles geht ineinander über. Wichtig ist daher, ganz diszipliniert die eigene Erreichbarkeit zu begrenzen. Wer Always-On ist, ist dem Burnout schon näher als gedacht.

Weitere Anregungen finden sich in dem Buch: „Die Intervall-Woche: Arbeitest du noch oder lebst du schon? Der einfachste Weg zu New Work“.

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