Leadership & Karriere Kolumne: Wo sind die deutschen Business-Celebrities?

Kolumne: Wo sind die deutschen Business-Celebrities?

von Lea-Sophie Cramer

Bescheidenheit hat Deutschlands Wirtschaft stark gemacht, doch smarte Biz-Vorbilder und gesellschaftliche Einmischung sind der Weg nach vorn.

Als die amerikanische Gründerin Whitney Wolfe Herd vor ein paar Wochen mit ihrem kleinen Sohn auf dem Arm die Börsenglocke geläutet hat und damit nicht nur ihre Firma Bumble an der Börse war, sondern sie auch plötzlich offiziell zur jüngsten Selfmade-Milliardärin der Welt wurde, war das ein echter Gänsehaut-Moment – pressetechnisch perfekt inszeniert und fotografisch für die Ewigkeit festgehalten.

Doch das Konzept von „Business-Celebrities“, also Wirtschaftsgestalter:innen, die man auch als Persönlichkeiten kennt, gibt es in Deutschland nicht. Wir alle kennen Richard Branson, Sheryl Sandberg oder Bill Gates. Wir wissen etwas über deren Haltung, auch zu Themen jenseits ihres Kerngeschäfts. Wir haben eine grobe Idee, wer der Mensch hinter dem Unternehmer oder der Managerin ist.

Bescheidenheit (und Neid) sind in unserer Kultur verankert

Deutsche Wirtschaftsgestalter:innen in der Öffentlichkeit? Fehlanzeige. Meine These: Das hat viel damit zu tun, wie schnell wir in unserem Land Leute ver- und beurteilen. Bescheidenheit ist Teil unserer DNA, Unternehmer:innen in der Öffentlichkeit finden wir befremdlich, die starke Diskretion großer deutscher Familienunternehmen ist fast schon legendär. Mein Wunsch: Lasst uns das ändern. Fangen wir an, weniger schnell zu beurteilen, unseren Neid abzuschalten und mehr zuzuhören. Ermutigen wir Gründer:innen, Manager:innen und Familienunternehmer:innen, ihre Stimme mehr im Sinne der Gesellschaft zu nutzen.

Warum wir mehr deutsche Business-Celebrities brauchen

Denn auch wenn ich beim Wort „Business-Celebrities“ selbst zusammenzucke, bin ich überzeugt, dass wir davon in Deutschland mehr brauchen. Das hat drei Gründe.

1. Wir brauchen Vorbilder: Momente wie der Bumble-IPO von Whitney Wolfe Herd inspirieren viele Menschen (nicht nur Frauen!) weltweit, groß zu denken.

2. Sie sind Menschen, von deren individuellen Erfahrungen und Fähigkeiten wir lernen können: Wenn Sheryl Sandberg in ihrem Buch „Option B“ von der Trauer um ihren verstorbenen Mann berichtet, dann lerne ich von Mensch zu Mensch. Würde sie solche Eindrücke zurückhalten, weil man als Topmanagerin nicht über private Themen spricht, wäre das schlicht verlorenes Potenzial.

3. Zuletzt können sie ihren Bekanntheitsstatus nutzen, um auf wichtige Themen aufmerksam zu machen: Die meisten Menschen wissen heute – auch dank der Netflix-Doku „Der Mensch Bill Gates“ – mehr darüber, was Bill Gates mit seiner Stiftung zu globaler Gesundheit, Bildung und Armutsbekämpfung macht, als darüber, was genau seine Rolle bei Microsoft war.

Wie die Gratwanderung gelingen kann

In meiner persönlichen Gratwanderung zwischen Unternehmerin und vorsichtig öffentlicher Person leitet mich eine wichtige Unterscheidung: Ich will bekannt, aber nicht berühmt sein. Ich möchte die Möglichkeit haben, gehört zu werden, aber ansonsten ein normales Leben führen. Wenn ich abwäge, ob ich ein Interview, einen Auftritt oder einen Post mache, checke ich eine innere Kriterienliste:

Zahlt die Anfrage auf meine Themen „Female Empowerment“, „Gründer:innentum fördern“ und „unternehmerische Verantwortung“ ein? Respektiert dieses Format meine Grenzen? Heißt: Keine Homestories, meine Familie ist nicht Teil der Geschichte, es ist persönlich, aber nicht privat. Und zum Schluss: Erreiche ich so einen relevanten Anteil meiner Zielgruppe?

Wenn ich dann auch noch Lust auf die Anfrage oder das Thema habe, mache ich es. So wie ich dieser Kolumne zugesagt habe. Wenn ich jetzt mit diesem Text nur einen Manager oder eine Gründerin ermutigt habe, mehr von sich zu zeigen, sodass wir alle von ihm oder ihr lernen können, habe ich mein Ziel erreicht und meine Bekanntheit – nicht Berühmtheit – heute halbwegs vernünftig genutzt.

Dieser Text stammt aus unserer aktuellen Ausgabe. 148 druckfrische Seiten mit sieben Storys zum Dossier-Thema „Einfach Machen“. Außerdem: Lucid greift Tesla und Elon Musk an, der DJ Solomun grüßt mit seinem neuen Album vom Strand, Livebuy will mit Shopping-Video-Partys Deutschland in die E-Commerce-Gegenwart holen und Bochum entdeckt die Freude am Neuen und Digitalen. Und natürlich noch vieles mehr! Also ab zum Kiosk oder zum Aboshop.

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