Productivity & New Work Entscheider: Muss man am virtuellen Team-Lunch teilnehmen?

Entscheider: Muss man am virtuellen Team-Lunch teilnehmen?

Ja

Das Office-Leben ist ja nicht unähnlich dem Geschehen in der Familienwelt: Die Rangfolge, wer die größte Portion bekommt, kann zwar auch hier und da zu Streitereien führen, aber eine gute Eltern-Kind-Beziehung (in dem Fall natürlich Hierarchien im Büro), der sozioökonomische Status (etwa Bildung, Beruf, Besitz, Kultur), gemeinsame Aktivitäten (eben das gemeinsame Essen) haben laut Wissenschaftler:innen großen Einfluss auf Krankheiten und mögliche Spätfolgen. Darunter fallen Depressionen, Essstörungen oder Übergewicht.

Warum also sollte man das gesundheitliche Risiko eingehen und an dieser Stelle unsozial handeln? Denn warum gibt es wohl seit Urzeiten Staatsbanketts und Galadiners? Wenn Menschen gemeinsam essen, kommen sie sich näher, werden sozialer und glücklicher! Sie stellen Gemeinsamkeiten fest oder setzen sich nach einem wohlwollenden „Guten Appetit“ zu Differenzen auseinander? Man kann sich die ganzen albernen Teambuilding-Maßnahmen wie Kanufahren in Mecklenburg sparen, wenn der simple Online-Lunch schon so viel langfristig Gutes bewirkt.

So ist die Südkoreanerin Park Seo-yeon lange vor Corona eine Internetberühmtheit geworden: Durch die schlicht erscheinende Dienstleistung des Zusammen-Essens via Webcam verdient sie mehrere Tausend Dollar im Monat und schützt ihre Mitmenschen gleichzeitig vor drohender Vereinsamung. In Deutschland haben wir da wohl etwas Nachholbedarf. Hier sind Sex über Webcam oder Online-Handwerkstutorials auf Youtube akzeptierter als das gemeinsame Essen mit Bekannten und Kolleg:innen. Also, was läuft schief mit euch Typen, die ihr lieber vorm Fernseher oder in dunklen Ecken einsam euren Wurstsalat essen wollt?

– Tobias Heuser

Nein

Seit über einem Jahr versucht man uns weiszumachen, dass der plötzlich in unser kollektives Dasein getretene Ersatz für das echte Leben irgendwie lustig ist: das hurtige Improvisieren vor dem Bildschirm. Der tapsbärige Umgang mit Kommunikationskanälen. Die schnell entschuldigten Versehen – alles komisch. Stimmt aber nicht. Es ist eine Katastrophe, die Stillosigkeit und Verlotterung – nun, nicht beflügelt, das wäre das falsche Wort. Eher einen beständigen Abrutsch der Manieren und Umgangsformen, der noch weiter in die Mitte des breiigen Treibsands der bleiernen Couch-Existenz drückt.

Die einzige Möglichkeit besteht daher in der konsequenten Verweigerung jeglicher Aktivitäten, die über die pure Notwendigkeit hinausgehen. Wegen des vorhandenen Reststolzes und natürlich auch, um Verantwortliche dazu zu zwingen, wieder ein normales Leben zu ermöglichen. Eines mit Dinners, Vernissagen und selbstverständlich auch mit dem gemeinsamen Team-Mittagessen. Denn auch das fehlt: das Wahrnehmen der Gerichte der anderen, das gemeinsame Überlegen, was bestellt wird, das Teilen. Der virtuelle Lunch ist das genaue Gegenteil davon: Er ist ein weiterer von vielen Terminen, die einem der Kalender zeigt und zu denen man sich vor dem Bildschirm präsentiert.

Der Lunch verkommt im virtuellen Raum zum Schlimmsten, was ein Aufeinandertreffen von Menschen sein kann: zum Call. Meldet euch gerne bei mir, wenn es richtige Veranstaltungen zu begehen gibt und dazu Tischdecken aufgelegt und gutes Geschirr rausgestellt werden. Bis dahin bin ich zu eurem traurigen Gabelgepiekse mit fleckigem Wohnküchenhintergrund von 13 bis 14 Uhr konsequent offline. Liegt nicht an euch, liegt an mir.

– Nadia Detommasi

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