Leadership & Karriere Patrick Mushatsi-Kareba von Sony Music über die Nuancen, die Erfolg ausmachen

Patrick Mushatsi-Kareba von Sony Music über die Nuancen, die Erfolg ausmachen

Die Bülowstraße in Berlin-Schöneberg. Seit 2019 hat Sony Music hier seinen Europasitz. 2021 war ein gutes Jahr für das zweitgrößte Musiklabel der Welt. Im dritten Quartal setzte das Unternehmen weltweit gut eine Milliarde Dollar um. Im zweiten Pandemiejahr ging es deutlich bergauf, insbesondere natürlich beim Streaming. Bei Deezer, Spotify und Co verdienen Major Labels ordentlich mit.

Wir treffen DACH-CEO Patrick Mushatsi-Kareba in den Circle Studios – hier können die Vertragskünstler:innen direkt vor Ort aufnehmen. Zuletzt waren Tokio Hotel und Marteria da. Mushatsi-Kareba, 48, ist ein sportlicher Typ, spricht bedacht, aber dabei erstaunlich spontan, auch über Persönliches. Für einen Verantwortlichen auf diesem Level nicht unbedingt Standard. Am Ende wird das Gespräch länger dauern als ursprünglich angesetzt. Macht Sinn: Mushatsi-Kareba hat immerhin eine Karriere voll spannender Wendungen hinter sich – und viel zu erzählen.

Foto: Franz Grünewald FÜR BUSINESS PUNK

Herr Mushatsi-Kareba, Sie sind ein Quereinsteiger im C-Level der Musikbranche. Dabei haben Sie weder Musik noch Wirtschaft studiert – sondern Politikwissenschaften. Was hat Sie dabei geprägt?

Ich habe mich stark dem Thema der kulturellen Identität gewidmet. Das ist heute ein gängiger Begriff, aber man muss sich vor Augen führen, dass ich vor 25 Jahren studiert habe. Damals war das noch nicht so. Auch internationale Beziehungen, Rechtsgeschichte fand ich sehr interessant.

Ist dieses Politikstudentenleben heute weit weg? Oder prägt Sie dieses Interesse an kultureller Identität bis heute?

Das prägt mich noch sehr! Ich lege großen Wert darauf, dass ich das nicht bloß sage, weil es gerade zeitgeistig ist oder weil ich damit eine Punchline landen möchte. Für mich ist da einfach diese klare Verbindung zu meiner Biografie. Ich habe einen burundischen Vater und eine italienische Mutter. Weil sie sich schon sehr früh wieder getrennt haben, bin ich als schwarzes Kind bei einer weißen Mutter aufgewachsen. In einem Hochhausblock, in einer Familie von Gastarbeitern, wie man früher sagte. Das meine ich nicht im Sinne einer Ghetto-Romantisierung. Es geht mir um eine Linie, die sich durch mein Leben zieht: Unterschiedliches kompatibel zu machen. Und eben das große Stichwort Repräsentation.

Was kann die Musikbranche da leisten für die Repräsentation einer diversen Gesellschaft?

Popkultur hat da eine wichtige Rolle. Denn alle Menschen wollen sich ausdrücken. Wer Musik macht, kann sich so in der Gesellschaft Gehör verschaffen. Und damit sind wir schon bei dem, was ich seit über 20 Jahren machen darf: Repräsentation von Repräsentation. Diese Formen des Ausdrucks größer und sichtbarer zu machen.

Foto: Franz Grünewald FÜR BUSINESS PUNK

Gelingt diese Repräsentation in der Musik leichter als in anderen Bereichen der Gesellschaft?

Auf den ersten Blick ist die Diversität der Musik ein valider Punkt. Aber es kommt auf den zweiten Blick an. Denn die Frage ist, ob diese Durchlässigkeit ein Gradmesser für gesamtgesellschaftliche Toleranz ist. Und da bin ich im Laufe meines Lebens immer skeptischer geworden.

Haben Sie ein konkretes Beispiel?

Als Kind habe ich Fußballspiele gesehen. Die niederländische Nationalmannschaft, die französische Mannschaft. Da waren schwarze Spieler, und das habe ich mit meiner kindlichen Herangehensweise als Beweis dafür gesehen, dass die Länder toleranter sind. Das war der erste Blick. Aber in den folgenden Jahren schien mir das nicht mehr genug, um eine allgemeine Toleranz daraus schließen zu können.

Sie wuchsen in Frankfurt-Goldstein auf, am südlichen Stadtrand in der Nähe des Flughafens. Was haben Sie von dort mitgenommen?

Ich bin dort sehr gerne aufgewachsen, aber dann war ich auf dem Gymnasium in Sachsenhausen. Dort fand ich eine ganz andere Realität vor. Ich begegnete Leuten aus sehr wohlhabenden Familien. Meine Mutter hingegen war alleinerziehende Verkäuferin, eine klassische Arbeiterinnenbiografie. Es ergibt sich aus diesem Kontrast ein gewisser Zwang, sich in beiden Welten zurechtzufinden, um zu überleben. Das ist eine ständige Übersetzungsleistung.

Klingt wahnsinnig anstrengend.

Ich will das nicht überhöhen, denn es gibt viele, die das geschafft haben. Aber eben auch einige, die daran zerbrochen sind. Das ständige Vermitteln, Übersetzen, das kann anstrengend sein. Und wenn man in einer Phase besonders verletzlich und unsicher ist, als Teenager vielleicht, dann schaffen es manche eben nicht mehr, zu vermitteln.

So kam es, dass ich und andere einen normalen Job ergriffen haben. Andere waren nicht dümmer oder weniger talentiert und waren gute Menschen. Aber die sind an einer bestimmten Ecke in die andere Richtung abgebogen und im Gefängnis gelandet. Oder jetzt unter der Erde. Es sind Menschen, über die man jetzt in der Vergangenheitsform sprechen muss. Wir sprechen also von Nuancen, die über Leben entscheiden.

Wo sollte man politisch ansetzen, damit es mehr schaffen?

Theodor Fontane würde sagen: Das ist ein weites Feld, Luise. Aber es bringt mich zurück zum Punkt der Repräsentation, der Sichtbarkeit. Wer sich repräsentiert fühlt, wird es eher schaffen. Nicht nur repräsentiert nach Herkunft und äußerlichem Erscheinungsbild, dem Phänotyp. Sondern auch in der sozialen Herkunft. Sodass sich ein Arbeiter:innenkind auch in einer Rolle sehen kann, die über das hinausgeht, was es aus seinem Umfeld kennt.

Foto: Franz Grünewald FÜR BUSINESS PUNK

Für Sie ging es nach dem Studium zunächst noch nicht in den Bereich, wo Sie heute arbeiten, ins Musikmanagement.

Erst mal habe ich eine kaufmännische Ausbildung bei der Hoechst AG gemacht, einem Frankfurter Chemieunternehmen. Das gibt es heute gar nicht mehr. Was es mir gebracht hat: Ich wusste dann, was ich nicht machen möchte. Was ich nicht bin.

Chemieindustrie oder das Kaufmännische?

Beides war nicht ich. Aber eine gewisse Affinität zu Zahlen, Erfahrung mit Marketing, das habe ich durchaus von damals mitgenommen.

Was waren Ihre Gründe, damals zu Hoechst zu gehen? —> Seite 2

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