Leadership & Karriere Wir waren in einer Firma zu Besuch, wo alle Chef:in sind

Wir waren in einer Firma zu Besuch, wo alle Chef:in sind

Komm rüber, Bruder, reih dich ein,
komm rüber, Schwester, du bist nicht allein

Na, wer kann mitsingen? „Keine Macht für Niemand“ heißt der Titel von Ton Steine Scherben, und in den seitdem vergangenen 50 Jahren hat die Geschichte interessante Wendungen genommen: Denn was 1972 eine Anarchohymne war, ist heute im Herzen des Kapitalismus angekommen: Alle wollen Freiheit, auch bei der Arbeit. Und das heißt im Umkehrschluss: keine Macht für niemand. Die Abschaffung der Chefinnen und Chefs.

Birnen und Bullen

Willkommen in einem Unternehmen mit 90 Führungskräften. Im selben Gebäude wie die Berliner Polizeidirektion 1 arbeitet die Firma Erdbär an der Abschaffung der Befehlskette. Bei der Polizei sitzt der Dienstgruppenleiter in Zimmer 125, bei Erdbär eine weinfassgroße Birne mit Augen neben dem Empfang.

Im Konferenzraum der Firma versammeln sich fünf Frauen. Weitere Kolleginnen und ein Kollege sind per Videoschalte dabei. Die Sonne scheint hell, aber es gibt ein Problem: Für die Marktreife eines neuen Produkts wird es zeitlich knapp, Mitarbeiterin A bringt eine Verschiebung ins Spiel – sie sieht hier eine sogenannte „Spannung“. Die anderen im Team äußern ihre Bedenken, schließlich war das Produkt nicht zufällig für einen Start im Sommer vorgesehen.

Symbolbild (Brooke Cagle CC0)

Der Konflikt ist ein typischer in der Unternehmenswelt, aber die Lösung funktioniert hier anders. Denn weder in dieser Runde noch sonst im Unternehmen gibt es eine Führungskraft, die entscheidet, ob das Produkt später auf den Markt kommen soll. Es ist stattdessen der zuständige Kreis, diese Kolleg:innen, die eine Lösung finden.

Und das funktioniert so: Alle äußern der Reihe nach ihre Argumente. Und zwar nach dem Konsent-Prinzip. Das heißt: Risiken müssen benannt werden. Aber nur weil jemand es lieber anders hätte, wird nichts geblockt. Nachdem alle Argumente für den Lösungsvorschlag gehört wurden, trifft die zuständige Rolleninhaberin die Entscheidung und nimmt den Vorschlag von Mitarbeiterin A an: Der neue Snack kommt später.

Kollegin B urteilt: „Da haben wir eine harte Entscheidung getroffen. Und es kaum gewürdigt!“ Was anderswo für verhärtete Fronten gesorgt hätte – für ein Machtwort der Chefin –, ist hier fast beiläufig geschehen.

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