Personal Finance Ex-Geldwäscher: „100.000 Dollar in einer Golftasche. Vier Prozent Provision“

Ex-Geldwäscher: „100.000 Dollar in einer Golftasche. Vier Prozent Provision“

Zwei Jahrzehnte lang hat Bruce Aitken bestens von Schmuggel und Geldwäsche gelebt, lernte fast jede Metropole in Ost- und Südostasien kennen – aber auch ein Gefängnis in den USA. Ein Gespräch über Golftaschen, Passkontrollen und Radioshows.

Interview: Felix Lill

Herr Aitken, wie kommt man zur professionellen Geldschmuggelei? Wollten Sie einfach was erleben?
Teilweise ja. Ich bin in New York in einfachen Verhältnissen aufgewachsen. Die Welt lag einem nicht gerade zu Füßen. Aber ich war ein guter Baseballspieler, was mir ein Stipendium für ein Wirtschaftsstudium landete. Und dann erhielt ich in den 60er-Jahren ein Jobangebot in Vietnam …

… wo Sie doch eigentlich gar nicht hinwollten. „I was very much against the Vietnam War“, schreiben Sie in Ihrem Buch. Warum landeten Sie trotzdem dort?
Wo immer das US-Militär operiert, hat es einen riesigen Betrieb um sich herum, um den Soldaten ein angenehmes Leben zu ermöglichen. Dazu gehört auch das Finanzgeschäft. American Express suchte Mitte der 60er-Jahre dringend Leute für Vietnam. Kaum jemand wollte dorthin, und dann war da noch Krieg. Aber ich hatte schon als kleiner Junge von Asien geträumt. Und immerhin hatte ich keine Waffe in der Hand.

Sie hatten dann vor allem Geld in der Hand. Wie genau begann das?
Während des Krieges gab es vor Ort drei Währungen: den Dollar, den vietnamesischen Piaster und das MPC (Anm.: Military Payment Certificate), das nur für Transaktionen von Militärs vorgesehen war. Zwischen diesen Währungen gab es offizielle und inoffizielle Wechselkurse, wie ich schnell bemerkte.

Als ich einige Monate später in die USA zurückreisen musste, hatte ich einen Zwischenstopp in Hongkong. Dort hob ich beim Am-Ex-Büro 2 000 Dollar ab, damals ein Vermögen. In Saigon ging ich damit zu einem Geldhändler, der mir 4 000 MPC oder 1 600 Piaster bot. Ich nahm die MPC, denn der offizielle Wechselkurs, für den ich sie bei meiner Bank eintauschen konnte, war eins zu eins.

Sie haben aus nichts Geld gemacht.
Ich kam mir vor, als wäre ich die Federal Reserve! Und da hatte ich Blut geleckt.

Das ist aber nur Arbitragegeschäft, kein Schmuggel oder Geldwäsche.
Diese Transaktionen wiederholten sich. Bei meinem späteren Arbeitgeber Deak in Hongkong bestand ein großer Teil des Geschäfts darin, Geld aus einem Land herauszutransportieren und anderswo auf einem Konto einzuzahlen. Oft für Personen, die ihr Geld vorm Staat in Sicherheit bringen wollten.

Hilfe zum Steuerbetrug also.
So sah ich das damals nicht. Und so nannte man es auch nicht. Ich hatte jedenfalls meine Klienten, die wiederum ihre Klienten hatten. Die Personen, deren Geld ich wirklich bewegte, kannte ich oft gar nicht. Aber man wusste, was gefragt war und wie man es anstellte. Nach Hongkong brachte man Bargeld, um es auf Bankkonten in Sicherheit zu bringen.

Nach Nepal flogen wir mit Schuhen, in deren Sohlen Gold versteckt war, das dann oft seinen Weg nach Indien fand. Um Leerflüge zu vermeiden, brachten wir kubanische Zigarren in die USA – eine einzige brachte 100 Dollar. Und in Japan herrschte große Nachfrage nach US-Währung. Die führten wir gern über die Pazifikinsel Guam ein, wo damals die japanische Mittelschicht Golf spielte. So begann der Schmuggel in Golftaschen.

Ihr Arbeitgeber Deak in Hongkong war also in alles involviert?
Ja, praktisch schon. Hongkong war damals noch britische Kolonie und eine sehr freie Stadt, fast völlig ohne staatliche Einmischung. Das Motto meines Arbeitgebers war: „Got cash? Call Deak – no questions asked.“ Das wurde gerne wahrgenommen. Wir hatten Kunden aus der ganzen Welt – aus der katholischen Kirche, von der philippinischen Börse, bei der CIA oder ganz oben in der japanischen Regierung.

Welche Mengen haben Sie zwischen den 60ern und 80ern bewegt?
Pro Reise transportierte ich manchmal 100 000 Dollar in einer Golftasche. Davon nahm ich vier Prozent Provision, wovon die Hälfte an meinen Arbeitgeber ging und die Hälfte an mich. In einem guten Jahr waren es 200 000 Dollar, natürlich steuerfrei.

Ziemlich leicht verdientes Geld.
Extrem! Das machte es auch schwer, damit aufzuhören. Freunden gegenüber sagte man einfach: „Ich bin im Finanzgeschäft.“ Da wurde nicht weitergefragt. Die Sache änderte sich in den 70er-Jahren, als die USA neue Regeln einführten, was Bargeldmitnahmen bei Reisen anging. Damit kam die Illegalität.

Und Sie landeten im Gefängnis. Heute halten Sie in Hongkong Vorträge vor Rechnungsprüfer:innen. Wie läuft das?
Zuerst sage ich immer: Ohne Leute wie mich gäbe es euren Beruf nicht! Und dann erzähle ich, was wir alles gemacht haben, um nicht weiter aufzufallen. Der Tipp, sich in der Schlange hinter einen Inder anzustellen, sorgt regelmäßig für das meiste Gelächter, aber auch die meiste Empörung. Mein Boss hatte mir einst gesagt, dass Inder den Ruf haben, auf jeder Reise heimlich etwas mitzuführen.

Haben Sie eigentlich ausgesorgt?
Leider nicht. Wenn man viel Geld hat, lebt man auf großem Fuß. In Hongkong moderiere ich seit nun 18 Jahren eine christliche Radiosendung für Gefängnisinsassen, eine Art Seelsorge. Ich verspüre eine Verbundenheit zu diesen Leuten. Mir ist zu Ohren gekommen, dass mein Buch im Gefängnis gerade durch mehrere Hände geht. Jetzt hoffe ich, dass daraus ein Film wird. Dann hätte ich vielleicht wirklich ausgesorgt.

Dieser Text stammt aus unserer Ausgabe 4/22. Gregor Gysi, Claudia Obert und die Tiktokker Elevator Boys haben mit uns über Geld gesprochen. Außerdem haben wir Streetwear-Legende Karl Kani getroffen und unseren Reporter Dolce Vita auf der Modemesse Pitti Immagine Uomo genießen lassen. Hier geht es zur Bestellung – oder ihr schaut am Kiosk eures Vertrauens vorbei.

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