Productivity & New Work Auf TikTok trendet „lazy girl job“ – Das steckt dahinter

Auf TikTok trendet „lazy girl job“ – Das steckt dahinter

Quiet Quitting, Loud Quitting, Quiet Thriving, Bare Minimum Monday und wie sie noch alle heißen, beschreiben Trends in der Arbeitswelt von heute. Die Begriffe tauchen aus dem Nichts auf, sind überall, Gegenmodell folgt auf Gegenmodell (it’s a circle), und dann sind sie auch schon wieder weg.

Letztendlich zielen sie aber alle auf die gleichen Fragen ab: Welchen Stellenwert soll Arbeit in meinem Leben haben? Wie viel Effort möchte ich in meinen Job stecken?

Auf TikTok gibt es jetzt einen neuen dieser Trends: „lazy girl job“. Oder anders ausgedrückt: Leidenschaft adé, hello easy tasks. Ein „lazy job“ ist ein Job, den man remote machen kann, der viel Flexibilität bietet sowie ein Gehalt von 60.000 bis 80.000 Dollar jährlich und Dienst nach Vorschrift. Sprich pünktlicher Feierabend und Pausen, die man einhalten kann. Keine Überstunden. 9-to-5? Sexy. Ein Job eben, der Sicherheit bietet. Und auch wichtig: Es gibt keinen Dresscode. Die Aufgaben dieser Jobs bestehen zum Großteil aus Mails, Meetings und Exceltabellen.

Die TikTok-Nutzerin Gabrielle_Judge hat diesen Begriff ins Leben gerufen und „gebranded“. In einem Video erklärt sie, was typische „lazy jobs“ für sie sind, nämlich alles in Richtung Account Manager, Customer Success Manager oder Marketing Associate. Die Nutzerin selbst arbeitete vor ihrem „lazy job“ in der Tech-Branche.

@gabrielle_judge

Career advice for women who don’t know what remote job to apply to. You can bay your bills at not feel tired at the end of the day. Women are here to collect those pay checks and move on from the work day. We have so much more fun stuff happeneing in our 5-9 that is way more important than a boss that you hate. #corporatejobs #jobsearchhacks #remoteworking #antihustleculture #9to5

♬ original sound – Gabrielle👸🏻

Die Anforderungen an einen „lazy job“ klingen hierzulande nach klassischer Work-Life-Balance. In den USA, wo dieser Begriff herkommt, sind sie es nicht. Frauen, die auf TikTok Videos unter dem Hashtag #lazygirljob teilen, sind gut ausgebildet und kommen meist aus Jobs, die sie krank gemacht haben. Bis hierhin: Von mir aus.

Der Begriff per se sorgt natürlich für Kritik. Er ist irreführend und vermittelt ein falsches Bild über das, was eigentlich hinter dem Begriff stecken soll. In einem weiteren Video versucht Gabrielle_Judge klarzustellen, dass sie damit auch nicht meine, Frauen seien faul. Der Begriff diene vielmehr als Gegensatz zur Hustle-Culture, bei der man sich völlig im Job verliere. Aber: „lazy“ sind die oben genannten Jobs nicht per sé. Je nach Branche sind sie genauso stressig wie andere auch.

Pures Marketing

Zweiter Kritikpunkt: Gabrielle_Judge nennt als weiteres Argument für einen „lazy job“, dass man sich so einfacher um die Kinder kümmern könne. Das stimmt natürlich, „lazy boy jobs“ gibt es aber nicht. Schaut man sich außerdem an, was der Job bieten soll, hat das rein gar nichts mit dem Geschlecht zu tun. Kann man sich jetzt selbst beantworten, wie man zu dem Kinder-Argument steht.

Aber vielleicht möchte ja ein anderer Creator „lazy boy jobs“ ins Leben rufen. Denn jetzt kommt’s: Gabrielle_Judge sagt in einem Video ganz klar, der Begriff „lazy girl jobs“ sei pures Marketing. Hat funktioniert, Begriff und Video gehen viral. Und ab hier wird es interessant. Denn sieh an, die Nutzerin verkauft ein „Lazy Girl Job Program“. Die Nachfrage ist auch tatsächlich da, viele Frauen wollen wissen, wie sie so einen „lazy job“ ergattern können. Denkt dran: Es handelt sich um die USA. Es ist auch nichts falsch daran, so einen Job zu wollen.

Hintergrund zum Programm ist folgender: Um einen „lazy“ Job zu ergattern, müsse man sich laut Gabrielle_Judge auf 15-20 Stellen pro Woche bewerben. Das neben einem „nicht-lazy“ Job zu machen, ist viel Arbeit. Deswegen zeigt sie in dem Programm, wie man KI-Tools für den kompletten Bewerbungsprozess nutzen kann. Vom Anschreiben und Lebenslauf bis zur Gehaltsverhandlung – ChatGPT regelt. Alles, was man dafür braucht, sind die Prompts von Gabrielle_Judge.

Das Programm kostet 39 Dollar. Die Homepage liest sich wie die eines Coaches, der dir verspricht über Nacht eine Million Euro zu verdienen – im Schlaf! Das Programm ist also auch noch ein „lazy Side-Hustle“ neben ihrem „lazy Job“. Die Webseite zum Programm verlinke ich jetzt nicht, denn gibt man den Namen des Programms auf Google ein, ist es direkt der oberste Treffer. Seo? Chapeau! Stand jetzt (31.07.23) wurde das Programm bereits 712 mal verkauft, wie auf der Seite hervorgeht. 712 x 39 = 27.768 Dollar.

@gabrielle_judge

Replying to @Daina Macdonald lazy girl jobs is not offensive. Its a term i coined to promote work life balance in the american hustle culture we live in today. Any one can partake in this workplace trend. Especially not just gen z. #lazygirljob #corporateburnout #overworkedandunderpaid #careeradvice

♬ original sound – Gabrielle👸🏻

Einen Trend auf Social Media zu kreieren, der genau zum Work-Zeitgeist passt, um damit ein Produkt zu verkaufen, ist gutes Marketing. Diesen Schachzug muss man ihr lassen. Fragwürdig bleibt es trotzdem.

Es gibt aber auch weitere Kritik an dem Trend, mal unabhängig davon, dass es sich um einen Marketing-Stunt handelt: Nicht alle können so einen Job ergattern. Meist nur, wer vorher schon viel geleistet und einen Uni-Abschluss hat, denn die „lazy jobs“ gehen mit hohen Positionen einher. Diese Jobs sind also ein Privileg. Das schreibt auch ein Teil der User:innen in die Kommentarspalte des Videos.

Auf Kritik zum Begriff „lazy girl job“ reagiert Gabrielle_Judge mit weiteren Videos, in denen sie argumentiert, dass sie mit dem Trend richtig liege, wenn sich Menschen darüber aufregen, dass sie anderen Frauen zeigt, dass es okay ist „click clack zu machen, bis die Arbeit erledigt ist und dann den Laptop zu schließen“.

Unter dem Hashtag #lazygirljob laden viele Frauen Videos hoch, nicht nur Gabrielle_Judge. Wie schlau das ist, das dolce far niente während der Arbeitszeit auf TikTok zu posten, ist eine andere Sache. Kaum ein Arbeitgeber wird sich freuen, dass sich seine Mitarbeitenden so in der Öffentlichkeit über den Job äußern.

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