Life & Style Warum mein Fahrradhändler um die Ecke jetzt einen Anwalt braucht

Warum mein Fahrradhändler um die Ecke jetzt einen Anwalt braucht

Die EU stimmt über das Lieferkettengesetz ab. Kommt es so durch, wie Ursula von der Leyen es will, muss auch der kleinste Zulieferer versichern, dass er alle Anforderungen, die das neue Gesetz an ihn stellt, erfüllt. Betroffene sprechen vom nächsten „Bürokratie-Tsunami“.

Johannes Dengler sitzt in der Geschäftsleitung des Kaffeehändlers Dallmayr. Sozusagen „pro domo“ entfuhr es ihm jetzt in einem Gespräch mit einer Schweizer Zeitung: Eines seiner Hauptlieferantenländer Äthiopien werde aus dem Kreis der Lieferanten aussortiert. Für die Menschen, die dort vom Kaffee leben, wird das hart, oder – wahrscheinlicher – andere Konzerne springen ein, chinesische zum Beispiel. Der Entschluss der Deutschen steht trotzdem fest: „Die EU verordnet eine digitale Rückverfolgbarkeit, die Äthiopien nicht leisten kann“, sagt Dengler. Dallmayr ist einer der größten Bezieher von Rohkaffee aus dem afrikanischen Land. 

Was hier gerade passiert, ist eine der nicht so schönen Folgen des Lieferkettengesetzes, das die EU in dieser Woche auf den Weg bringen will. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen will Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern und 150 Millionen Jahresumsatz in die Pflicht nehmen. In einigen „dreckigen“ Branchen soll die Regelung schon für Unternehmen mit 250 und mehr Mitarbeitern gelten. Nicht nur EU-Betriebe, sondern auch solche, die ihre Waren nach Europa liefern sind betroffen, wenn das Gesetz seinen Weg nimmt. Der EU-Ministerrat will laut seinem Gesetzentwurf die Regelung noch etwas abschwächen, das Parlament will sie so durchziehen und Unternehmen darüber hinaus auch beim Klimaschutz zur Sorgfalt verpflichten. Anderenfalls sollen Betroffene klagen können.

Allerdings gibt es in der EU Ärger um das geplante Gesetz. Den Daumen nach unten senken nicht nur Deutschland, sondern auch Italien, Schweden, Estland, Finnland, Tschechien und Slowakei. Falls sie dagegen stimmen oder sich enthalten, ist eine Mehrheit für das Gesetz im Ministerrat fraglich. In Deutschland stellt sich innerhalb der Ampelregierung die FDP quer, die Unionsparteien sind ebenfalls nicht überzeugt. Im Zwölf-Punkte-Programm von Oppositionschef Friedrich Merz, in dem die CDU skizziert, was sie sofort ändern würde, wenn sie an die Regierung käme, heißt eine Forderung: Die Zustimmung zum EU-Lieferkettengesetz soll nicht erteilt werden. Merz geht damit deutlich auf Abstand zu seiner Parteikollegin von der Leyen. Die wiederum kann sich auf internationale Studien stützen wie eine, die die österreichische Arbeiterkammer in Auftrag gegeben hat. Darin spricht Studienautor Johanes Jäger, Volkswirtschaftsprofessor aus Wien, von einer „Win-Win-Situation“: Weniger Ausbeutung von Menschen und Umweltzerstörung insgesamt minimiere die negativen ökonomischen Effekte und die gesamte Wirtschaft, auch jene in Europa profitiere.

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