Personal Finance „Wer mit diesem vielen Geld der Steuerzahler nicht auskommt, hat ein Problem mit seinen Ansprüchen“

„Wer mit diesem vielen Geld der Steuerzahler nicht auskommt, hat ein Problem mit seinen Ansprüchen“

Deutschland steht kurz vor einem absoluten Rekord bei den Steuereinnahmen, rechnet der Chef des Steuerzahlerbundes Reiner Holznagel im Interview vor. Vor diesem Hintergrund kann er nicht wirklich nachvollziehen, wieso schon wieder ein Streit über den Haushalt ausbricht.

Der Haushalt 2025 wird verhandelt, der Finanzminister drückt auf die Bremse, die Minister schießen über das Ziel hinaus – ist das diesmal mehr als das übliche Spektakel?

Haushaltsverhandlungen sind immer ein Spektakel. Manchmal weniger in der Substanz dafür mehr ein Schaulaufen der parteipolitischen Prestigeprojekte. Es geht um Duftmarken und hier spielt auch die fortwährende Diskussion um die Schuldenbremse eine Rolle. Es kommt nicht von ungefähr, dass diejenigen, die sie am liebsten abschaffen würden, sie jetzt auch nicht einhalten wollen. Auch deshalb liegen die Ampel-Koalitionspartner weit mit ihren Vorstellungen auseinander. Will die Ampel fortbestehen, muss ein Konsens gefunden werden. Der kann für mich nur darin bestehen, dass die Schuldenbremse eingehalten wird. So, wie es das Grundgesetz fordert.

Haben Sie eigentlich feststellen können, das nach dem Urteil des Verfassungsgerichts im November zum missglückten Haushalt irgendwo gespart wurde?

Das Wehklagen nach dem Urteil war groß, die Einsparungen hingegen nicht. Lediglich zwei Etats müssen 2024 gegenüber dem Regierungsentwurf aus dem Sommer 2023 minimal abspecken. Zwischen Entwurf und Beschluss des Haushalts 2024 lag das Karlsruher Urteil. So wurden größere Einschnitte beim Entwicklungsressort angekündigt, herausgekommen sind weniger als 3 Prozent. Von einem Sparhaushalt kann 2024 keine Rede sein. Insgesamt sah der Entwurf Ausgaben von 446 Mrd. Euro vor, beschlossen hat der Bundestag 477 Mrd. Euro. Mehr als 30 Mrd. on top!

Sind die Schattenhaushalte auch nur ansatzweise verschwunden?

Die Schattenhaushalte müssen weg, denn sie verzerren die finanzpolitische Realität. Nicht nur, aber gerade die Politik zieht aus diesem Zerrbild die falschen Schlüsse und verkennt die wirklichen Handlungserfordernisse. Das trifft insbesondere auf das Sondervermögen Bundeswehr und den Klima- und Transformationsfonds zu. Geopfert hat die Ampel lediglich den Wirtschaftsstabilisierungsfonds zur Finanzierung der Energiepreisbremsen. Ansonsten gab es Buchungskorrekturen bei diversen Schattenhaushalten. Grundsätzlich hat das Bundesverfassungsgericht Sondervermögen nicht untersagt, sondern nur deren verdeckte Schuldenfinanzierung. Damit zwingt Karlsruhe die Politik zu mehr Ehrlichkeit. Wie gesagt, am besten wäre ein Haushalt komplett ohne Sondervermögen.   

Wie ernst nehmen Sie vor dem Hintergrund der Haushaltsverhandlungen die FDP-Drohungen eines Koalitionsausstiegs?

Klappern gehört zum Handwerk, die Wahlen rücken näher. Das betrifft aber alle Parteien gleichermaßen. Es drohen ja nicht nur Teile der FDP mit einem Ende der Koalition. Dazu passen diverse Positionspapiere mit einer Handvoll Punkte, indem die Ampel-Parteien – jede für sich – noch einmal ihre zentralen Botschaften zusammentragen. So oder so, ich gehe fest davon aus, dass es am Ende einen Regierungsentwurf für den Haushalt 2025 geben wird. 

Zu den aktuellen Verhandlungen: Wo lässt sich aus ihrer Sicht wirklich substanziell etwas einsparen?

Fakt ist: Es gibt nicht einen Posten im Bundeshaushalt, den man streicht, und der Haushalt ist saniert. Wir als Steuerzahlerbund zeigen mit unseren Vorschlägen regelmäßig auf, dass in jedem Ministerium Kürzungspotenzial schlummert. Das betrifft nicht nur Programmausgaben oder Finanzhilfen, sondern auch den Eigenkonsum des Bundes. Denn die Verwaltungsausgaben sind nach oben gegangen, der Personalaufbau ebenso – und das zieht sehr viele weitere Ausgaben nach sich. Es gibt Möglichkeiten, kurzfristig Geld einzusparen, beispielsweise bei den Subventionen. Es muss aber vor allem um die langfristige Kostenentwicklung im Bundeshaushalt gehen, wofür jetzt die berühmten Weichen gestellt werden müssen. Deshalb benötigen wir zum Beispiel eine andere Personalplanung, eine bessere Digitalisierung oder auch ein effizientes Bau- und Liegenschaftskonzept.

Haben Sie Beispiele für absolut überflüssige Projekte?

Die so vorgeschlagene Kindergrundsicherung, die Fixierung des Rentenniveaus bei 48 Prozent oder die Bauaktivitäten des Bundes in Berlin zählen genauso dazu, wie viele Subventionstatbestände. Es gibt immer Argumente für diverse Projekte. Jetzt geht es darum, einerseits die Verfassung einzuhalten und anderseits die eigenen Planungen zu erfüllen. Für das Jahr 2025 wollte die Koalition ursprünglich ca. 25 Mrd. Euro weniger ausgeben und das muss auch so gelten. Übrigens gibt es einen Unterschied zwischen Haushaltsaufstellung und Haushaltsvollzug. Man hört, dass auch in diesem Jahr teilweise die Mittel gar nicht so ablaufen, wie geplant.       

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