Lunch-News „Petzportal“ der Arbeitsagentur? Auf Hinweisseite häufen sich Verdachtsmeldungen über Bürgergeldbetrug. Nicht immer zu Recht

„Petzportal“ der Arbeitsagentur? Auf Hinweisseite häufen sich Verdachtsmeldungen über Bürgergeldbetrug. Nicht immer zu Recht

Ein anonymes Meldeportal bei der Arbeitsagentur soll Sozialmissbrauch verhindern. Doch manchmal passiert das Gegenteil und wirklich bedürfte Bürgergeldempfänger werden fälschlich angeschwärzt – wie in diesem Fall.

Während Union und SPD in ihren Koalitionsverhandlungen darum ringen, wie es mit dem Bürgergeld weitergeht, prallen im Alltag Befürworter und Gegner des Bürgergelds scharf aufeinander. Mittendrin stecken Arbeitsagenturen und Jobcenter, die für die Abwicklung der Zahlungen zuständig sind. Auch sie greifen in der hitzigen Debatte manchmal voll daneben – wie ein inzwischen gut dokumentierter Fall zeigt.

Auslöser für den Fall ist eine umstrittene Hinweisseite im Netz, die die Bundesagentur für Arbeit in der Corona-Zeit eingerichtet hat. Sie ließe sich auch als „Petz-Portal“ bezeichnen, weil hier unter dem Titel „Hinweise zu einem möglichen Leistungsmissbrauch“ jeder aufgefordert wird, anonym oder mit vollem Namen, seine Vermutungen darüber niederzuschreiben, wo welcher Leistungsempfänger möglicherweise trickst und sich Geld erschleicht, das ihm oder ihr gar nicht zusteht. Ein Sprecher der Bundesarbeitsagentur berichtet, dass sich das Formular steigende Beliebtheit erfreut. „Immer häufiger“ werde es von Hinweisgebern genutzt. Eine Zahl nennt er nicht, weil es offiziell keine Statistik dazu gebe. Die Meldungen, so erklärt er weiter, würden an die zuständigen Stellen weitergeleitet, in den meisten Fällen seien das die Arbeitsagenturen oder Jobcenter vor Ort. Die häufigsten Fälle seien Verdachtsanzeigen über Schwarzarbeit und Missbrauch von Leistungen für Unterkunft und Heizung bei Bürgergeldbeziehern.

Neben der Hinweisseite ist die häufigste Methode zur Aufdeckung von Leistungsbetrug der automatisierte Datenabgleich. Dabei werden die Daten verschiedener Behörden zusammengeführt und abgeglichen. Die Software prüft, ob Leistungsempfänger weitere Einkünfte haben, die sie bisher verschwiegen haben. Allein durch dieses Abfragesystem wurden im Jahr 2022 rund 88.000 Fälle aufgedeckt. Nach Angaben der Bundesagentur wurden 56,9 Millionen Euro zu viel gezahlt, pro Fall rund 650 Euro. Die meisten Betrüger gaben ihren Nebenjob nicht an (94,3 Prozent). In 4,2 Prozent der Fälle stellte sich heraus, dass sie noch andere Leistungen wie Rente, Arbeitsförderung oder Berufsausbildungsbeihilfe bezogen. In 1,5 Prozent der Fälle wurde festgestellt, dass die Antragsteller über Geldanlagen verfügten und regelmäßige Zinseinkünfte erzielten.

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