Business & Beyond Immer mehr Details: Verfassungsschutz-Gutachten zur AfD trägt 400 Seiten „rassistische Äußerungen“ zusammen

Immer mehr Details: Verfassungsschutz-Gutachten zur AfD trägt 400 Seiten „rassistische Äußerungen“ zusammen

Kleckerweise sickern Einzelheiten des Gutachtens des Verfassungsschutzes zur AfD nach außen, die die rechtsextreme Gesinnung der Funktionäre belegen sollen. Die Partei klagt dagegen. Schaden wird ihr das Gutachten im politischen Betrieb nicht, glauben Verfassungsrechtler. Das Vorgehen des Geheimdienstes halten sie überwiegend für falsch.

Mehr als tausend Seiten soll das bisher geheim gehaltene Gutachten des Bundesamts für Verfassungsschutz (BfV) zur AfD umfassen. Es hat dazu geführt, dass der Verfassungsschutz der größten Oppositionspartei „gesichert rechsetxtremistische Bestrebungen“ bescheinigt. Die inzwischen abgetretene Innenministerin Nancy Faeser, deren Haus der Inlandsgeheimdienst untersteht, hatte an ihrem letzten Arbeitstag als Ministerin, eine entsprechende Pressemitteilung des Verfassungsschutzes veröffentlichen lassen.

Die Initiative „Frag den Staat“ hat nach eigener Auskunft jetzt 17 Seiten eingesehen.  Der „Spiegel“ konnte ebenfalls Teile BfV-Dokuments einsehen. Bisheriges Ergebnis der Recherche: Im Wesentlichen stützte sich das BfV in seiner Analyse auf das Untergraben der grundgesetzlich garantierten Menschenwürde, etwa durch rassistische und ausländerfeindliche Einstellungen in der AfD. So halte der Verfassungsschutz, den „ethnisch-abstammungsmäßigen Volksbegriff“ der AfD nicht mit Artikel 1 des Grundgesetzes vereinbar, wonach die Würde des Menschen unantastbar ist. Das BfV spricht von „fortlaufender Agitation“ gegen Migranten, Geflüchtete und Muslime durch Funktionäre der Partei.

Die AfD, so schreibt es der Inlandsgeheimdienst, stelle Migranten als „bedrohliches Kollektiv“ dar und dichte ganzen Gruppen wegen ihrer Herkunft eine „erhöhte Gewaltneigung“ an. Der Verfassungsschutz belege auf rund 400 Seiten völkische, rassistische, minderheitenfeindliche und antimuslimische Äußerungen von Parteifunktionären. Die Einschätzung der Behörde laut „Spiegel“: „Eine Mäßigung ist nicht in Sicht.“ Die Behörde habe außerdem einen „starken Verdacht“, dass die AfD sich auch gegen das „Demokratieprinzip“ richte. Ihre Funktionäre diffamierten „fortwährend pauschal“ Vertreter anderer Parteien und machten diese etwa als „Gemeinschaft von Politgangstern“ oder als „Volksverräter“ verächtlich.

Die AfD will das nicht auf sich sitzen lassen und hat inzwischen Klage gegen die Einstufung durch den Verfassungsschutz eingereicht. Die Partei sieht darin einen schweren, rechtswidrigen Eingriff in die demokratische Willensbildung. Vertreten durch ihre Bundessprecher Alice Weidel und Tino Chrupalla fordert die AfD nicht nur die Unterlassung der Beobachtung und der öffentlichen Bekanntgabe der Einstufung, sondern auch eine Gegendarstellung: Das BfV solle erklären, dass die Einstufung rechtswidrig war. Für jeden weiteren Verstoß gegen diese Forderung solle ein Ordnungsgeld von bis zu 10.000 Euro verhängt werden können. Die Klage, geführt von der auf Medienrecht spezialisierten Kanzlei Höcker, argumentiert, die AfD befürworte keine Gewalt und zeige keine „aktiv-kämpferische Haltung“ – ein verfassungsrechtlich notwendiges Kriterium für die Überwachung durch den Verfassungsschutz.  In bisherigen Gerichtsverfahren gegen die Bewertung als Verdachtsfall war die Partei bereits in zwei Instanzen gescheitert.

Verfassungsrechtler kritisieren überwiegend das Vorgehen des Geheimdienstes. Der konservative Staatsrechtler Dietrich Murswiek kritisiert die Einstufung der AfD als gesicherte rechtsextremistische Bewegung durch den deutschen Verfassungsschutz. Dieser habe bisher keine überzeugenden Beweise für seine Entscheidung vorgelegt, sagte er in mehreren Interviews. Es scheine es so zu sein, dass in dem Gutachten eine Vielzahl weiterer Äußerungen zusammengetragen worden seien, „die ebenso wie fast alle der bisher als Anhaltspunkte für eine extremistische Ausrichtung der AfD verwendeten Äußerungen nicht geeignet sind, den Vorwurf zu belegen, die AfD wolle die Menschenwürdegarantie beseitigen.

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