Productivity & New Work Effizient verhandeln: So holst du das meiste raus

Effizient verhandeln: So holst du das meiste raus

Kompromisse sind so etwas wie das ungeliebte Stiefkind der Rhetorik. Gleichzeitig können wir uns in den seltensten Fällen ganz ohne Gegenleistung durchsetzen. In Verhandlungen geht es nicht einfach darum zu gewinnen – sondern sich durchzusetzen, ohne dass der Andere das Gesicht verliert. 

„Ein Kompromiss ist nur dann gerecht, brauchbar und dauerhaft, wenn beide Parteien damit gleich unzufrieden sind.“ In diesem Zitat von Henry Kissinger steckt eigentlich schon die ganze Wahrheit über Kompromisse: Die hat niemand gern, aber ganz ohne Zugeständnisse geht es meistens eben auch nicht.

Die Frage ist: Gibt es eine bessere Alternative zum klassischen Kompromiss? Die gibt es. Sie besteht darin sich durchzusetzen, ohne dass der Andere sein Gesicht verliert.

Das ist nicht möglich, wenn nur über einen Verhandlungsgegenstand gesprochen wird. Wenn wir in einem wichtigen Punkt eine Einigung suchen, darf es im Gespräch nie nur um diesen einen Punkt gehen. In einer Verhandlung sollten wir uns nicht darüber Gedanken machen, wo das Kuchenmesser anzusetzen ist, sondern über den Kuchen.

Der Verhandlungsexperte Matthias Schranner, der früher für die Polizei gearbeitet hat, hatte es zum Beispiel öfter mit Menschen zu tun, die auf einem Dach standen und zu springen drohten. Er hat mir eine Strategie erklärt, die er in solchen Situationen zur Anwendung brachte. Das Ego des potenziellen Selbstmörders ist natürlich extrem fragil. Was den Druck verschärft: In der Regel sind die Schaulustigen schon vor der Polizei da. Unten vor dem Haus stehen also im schlimmsten Fall Menschen mit gezückten Smartphones. Selbst wenn er da oben auf dem Dach wieder zur Vernunft kommt: Wie soll der Mensch auf dem Dach aus dieser Situation rauskommen, ohne sein Gesicht zu verlieren? Dem Verhandler von der Polizei und den Menschen auf der Straße gegenüber?

Die Antwort: eine Feuerwehr-Uniform, die die Polizisten mit sich führten. Der Verhandler schlägt seinem aufgelösten Gesprächspartner vor: Wenn du jetzt mit mir ins Haus kommst, gebe ich dir eine Feuerwehr-Uniform. Dann kannst du unten als Feuerwehrmann ins Auto steigen, wir fahren hier weg und reden woanders in Ruhe. So kann der Selbstmord-Kandidat die Szene ohne peinliches Schaulaufen verlassen.

Wie lässt sich das in Verhandlungssituationen im Alltag anwenden? Beispiel Autokauf: Der Verkäufer will natürlich den vollen Preis, ich habe meine eigene Vorstellung. Mit dieser Ausgangslage gibt es drei mögliche Szenarien: Entweder ich setze mich durch, dann ist das Ergebnis eine Win-Lose-Situation. Bei der nächsten Verhandlung in diesem Autohaus habe ich dann garantiert schlechte Karten (es sei denn, inzwischen ist Diesel-Affäre). Oder der Verkäufer setzt sich durch, also Lose-Win – das ist für mich inakzeptabel. Die dritte Möglichkeit: Wir treffen uns irgendwo in der Mitte – dann ist es Lose-Lose, ein klassischer Kompromiss. Muss hin und wieder mal sein, ist aber nie optimal.

Die Lösung liegt darin, den Kuchen zu vergrößern: Eine für beide Seiten erfreuliche Lösung ist unmöglich, solange wir nur über den Preis sprechen. Wie kann ich mich durchsetzen, ohne dass der Autohändler sein Gesicht verliert? Indem ich die Verhandlungsmasse erweitere, mich also frage: Was ist hier meine Feuerwehr-Uniform?

Da gibt es einige Möglichkeiten, was ich vorschlagen kann: „Ich mache Werbung für dich in meinem Unternehmen – ich kenne den Fuhrpark-Manager ganz gut.“ Oder: „Wenn der Leasing-Vertrag durch ist komme ich wieder. Dann sieht finanziell manches vielleicht ganz anders aus.“ Oder: „Mein Sohn wird nächstes Jahr 18.“ Oder: „Meine Frau braucht einen Zweitwagen.“ Oder: „Ich mache alle Inspektionen bei euch, lasse alle Verschleißteile bei euch machen. Ich fahre 70.000 Kilometer im Jahr, da kommt was zusammen.“

All das hilft dem Verkäufer dabei mir zu folgen, ohne sein Gesicht zu verlieren. Denn all diese Argumente kann er vor seinem Chef verwenden um gut dazustehen, wenn er sich das Okay für den Deal abholt. Denn das müssen in der Realität die meisten Verhandler, und da liegt für sie die Gefahr des Gesichtsverlusts.

Frage dich immer: Was ist das Motiv des Anderen, mit dir zu verhandeln? Beim Autoverkäufer ist es möglichst viel Umsatz respektive Gewinn. Und dann hilf ihm dabei, dieses Ziel zu erreichen, damit du im Gegenzug deines erreichst. Nimm in Verhandlungen ab sofort immer eine Feuerwehrmann-Uniform mit!

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