Female Entrepreneurship „Wir wollen Pioniere im Bereich Lifestyle-Kosmetik sein“

„Wir wollen Pioniere im Bereich Lifestyle-Kosmetik sein“

Wer heutzutage bewusst leben möchte, greift in Sachen Pflege zu Naturkosmetik. Gut für die Haut, gut für die Umwelt – Win-Win. Die Branche wächst und damit die Auswahl an Produkten. Verbringt man längere Zeit vor dem Kosmetikregal, fällt die Marke Hej Organic ins Auge. Dabei handelt es sich um ein Startup aus Dortmund.

Im Interview erklärt Gründerin Laura Rath, warum sie erst die Marke und dann das Produkt entwickelt hat, wie man verifizierte Naturkosmetik erkennt und was große Unternehmen von Hej Organic gelernt haben.

Wieso hast du dich dazu entschlossen, erst eine Marke aufzubauen und dann das Produkt zu entwickeln?

Auf Reisen durch Kalifornien und Skandinavien habe ich gesehen, dass das Thema organic nicht altbacken umgesetzt wird, sondern mit tollem Design verbunden ist. Das Thema wurde zum Lifestyle gemacht.

Das hat mich dazu gebracht, mir den Naturkosmetik-Markt in Europa anzuschauen. Es gab zwar bereits gute Produkte, die aber mit einem Öko-Wollsocken-Image zu kämpfen hatten.

Für uns war daher 2015 klar: Wir wollen Pioniere im Bereich Lifestyle-Kosmetik sein. Der Einfallswinkel, um etwas Anderes zu schaffen, ist eine Marke, die sich alle gerne ins Badezimmer stellen. Dafür braucht man natürlich ein Top-Produkt, aber auch ein schönes Design.

Was war das Schwierigste bei der Verbindung von Marke und Produkt, wenn die Marke als Erstes feststeht?

Das war für uns keine Herausforderung. Wenn es eine Herausforderung gab, dann die, unseren eigenen Ansprüchen gerecht zu werden. Für uns stand von Anfang fest, dass wir nur zertifizierte Naturkosmetik machen wollen. Das schränkt in der Produktentwicklung zwar bei der Auswahl der Rohstoffe ein, die zum Einsatz kommen und wie Rezepturen aufgebaut sein können. Auf der anderen Seite gibt es aber viel Sicherheit, ein gutes Produkt zu kreieren.

Als die Inhaltsstoffe feststanden, haben wir überlegt, mit welcher Farbe wir das Packaging gestalten können. Viele denken, grün wäre unsere Corporate-Farbe, das ist sie aber nicht. Das grün steht für die Kaktus-Serie. Unsere neue Sensitive-Serie ist creme-weiß.

Inwiefern bestimmt das Design das Produkt?

Am Anfang stehen immer das Produkt und seine Wirkung. Wir wollen keine Instagram-Marke sein, die nur ein cooles Branding und Design hat, ansonsten aber nicht überzeugt. Deswegen würde ich nicht sagen, dass das Design das Produkt bestimmt. Das Design gibt bei uns dem Ganzen ein I-Tüpfelchen und hilft uns bei der Differenzierung.

Was meinst du mit Instagram-Marke?

Es gibt Marken, die nur darauf aufgebaut sind, in kurzer Zeit extrem schnell große Umsätze zu erzielen. Anhand der ausgesuchten Kommunikationskanäle merkt man, dass es nicht darum geht, langfristig eine Marke mit guten Produkten aufzubauen, sondern massiv Umsatz zu machen. Niedrige Wiederkaufsquoten sind die Konsequenz – denn es gibt immer einen Moment of Truth, wenn Kund*innen das Produkt anwenden.  

Wir wollen ein nachhaltiges Unternehmen aufbauen mit langer Kundenbindung. Natürlich nutzen wir auch Instagram als Kanal, um unsere Marke bekannter zu machen, sehen es aber auch als Bindeglied zu unserer Community.  

Mittlerweile gibt es schon sehr viele trendige Naturkosmetik-Marken. Wie unterscheidet ihr euch von anderen Unternehmen?

Bei Naturkosmetik geht es für mich auch immer um das Thema Zugang. Wir wollen, dass möglichst viele Menschen auf Naturkosmetik umstellen. Das bedeutet aber auch, dass man die Produkte überall kaufen können muss – nicht nur im Internet. Wir setzen deswegen auch stark auf Drogerie- und Supermärkte. Das unterscheidet uns deutlich von der Konkurrenz. Aktuell konzentrieren sich viele nur auf das Online-Business. Wir setzen auf einen breiteren Vertriebsansatz.

Gründerin Laura Rath. ©Hej Organic

Wie kann man sich im Dschungel der Naturkosmetik-Marken orientieren?

Man kann sich wirklich gut an Siegeln orientieren. Die geben Sicherheit, dass Unternehmen tatsächlich Wert auf Nachhaltigkeit und Bio setzen. Wir haben beispielsweise das Natrue-Siegel, das bestätigt, dass wir nach den Standards der Naturkosmetik produzieren. Dafür müssen wir uns jährlichen Audits unterziehen, was aufwändig im Qualitätsmanagement ist, aber notwendig für die Qualität. Nur so können wir Sicherheit für unsere Konsument*innen schaffen.

Man kann aber auch darauf achten, dass die Unternehmen extrem transparent sind und darlegen und erklären, woher die Inhaltsstoffe kommen. Das ist aber für Endkonsument*innen relativ schwer zu verstehen und befördert Green-Washing.

Welche Zertifikate sprechen noch für gute Naturkosmetik?

Im Bereich Naturkosmetik ist neben Natrue auch Öko-Test ein sehr wertvolles und relevantes Siegel. Was das Thema vegan angeht, ist es die vegane Blume von der Vegan Society. Das ist auch ein sicheres Siegel, weil sie wirklich alles bis ins Detail prüfen. Sie fragen beispielsweise, ob ein Eiweiß zur Filterung von Rojstoffen eingesetzt wird, weil das Produkt sonst nicht mehr vegan wäre. Das finde ich nur konsequent.

Apropos Green-Washing: Wie stehst du dazu, dass Unternehmen, die nicht nachhaltig sind, mit Marken auf die Natur-Schiene aufspringen?

Jede Bewegung Richtung Nachhaltigkeit ist erstmal eine richtige Bewegung. Was nicht geht, ist, einem Produkt einen naturvorgaukelnden Namen zu verpassen, ohne dass wirklich natürliche Inhaltsstoffe enthalten sind.

Ansonsten ist es gut, dass auch bei großen Konzernen das Thema Nachhaltigkeit stärker gelebt wird, weil es nicht nur uns als Marke etwas angeht, sondern die gesamte Gesellschaft. Die nehmen uns nichts vom Kuchen weg, sondern fördern das Thema. Große Konzerne erreichen viele Menschen und machen Naturkosmetik noch salonfähiger.

Wir haben von großen Marken auch das Feedback bekommen, dem Bereich der Naturkosmetik einen Anstoß gegeben zu haben. Unternehmen haben uns gesagt, dass sie von uns gelernt haben, wie man schneller auf Marktgegebenheiten reagiert. Andere haben wir zum Umdenken gebracht, das Design neu anzugehen, jünger zu werden.

Wir sind agiler als die Großen, das ist unser Vorteil. Wir haben einen Brand und Product Building Cycle entwickelt, der es uns ermöglicht, uns in einer Kürze der Zeit neue Marken, Linie und Produkte zu entwickeln. So sind wir näher an der Zielgruppe dran und sind 2-3x schneller als die großen Player am Markt.

Wenn da so viel Lob von der Konkurrenz kam, welchen Tipp hast du für Gründerinnen?

Ich rate allen, jede Chance, die man Anfang bekommt, zu 120 Prozent zu nutzen. Achtet auf alle Details. Bei einer Chance gibt es nur Fail oder Win.

Ein Beispiel von uns: Wir hatten die Möglichkeit, Hej Organic bei einer großen Parfümeriekette zu pitchen und sie als ersten Partner ins Boot zu holen. Das war für mich eine „Jetzt-oder-nie-Situation“. Wir haben alles dafür gegeben und hatten ein mega Pitchdeck. Vor Ort haben wir den Besprechungsraum dekoriert und die Rohstoffe mitgebracht: Argannüsse, Kaktusfeigen, die Produkt-Prototypen und extra Merchandise. Wir haben alles so gestaltet, damit sich die Einkäufer ein bestmögliches Bild von der Marke machen konnten. Sie sollten von Beginn an ein Gefühl für Marke und Produkt bekommen. Das hat überzeugt.

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