Life & Style Nicolas Rampf: „Alkoholfreie Produkte sind kein Hobby – das hat Potential“

Nicolas Rampf: „Alkoholfreie Produkte sind kein Hobby – das hat Potential“

Alkoholfreie Drinks sind am Boomen. Viele Hersteller setzen auf den Wandel des Konsums, so auch das Großunternehmen Bacardi, das zwei alkoholfreie Varianten von Martini auf den Markt gebracht hat. Wir haben mit Nicolas Rampf, Managing Director DACH, über den Alkoholfrei-Trend gesprochen und was dahinter steckt.

Nicolas, ist „alkoholfrei“ mehr als ein Trend in der Beverage-Szene?

Alkoholfrei ist kein Trend, sondern ein ganz klares Bedürfnis von Konsumentinnen und Konsumenten. Es ist auch mehr als nur ein Dry January. Es gibt die permanenten Abstinenzler:innen, die temporären und Pacers. Das sind Menschen, die länger feiern und den Abend genießen wollen und deswegen alkoholfreie Drinks bevorzugen. Der alkoholfreie Markt ist viel größer als man denkt, auch in der Gastronomie. 

Woher kommt das größere Bedürfnis jetzt?

Der Trend zu alkoholfreien Getränken kommt vor allem aus der Generation der Achtsamkeit: Genuss statt übermäßiger Konsum. 

Wenn man als Unternehmen in diese Richtung einschlagen möchte, muss man sich viel Mühe geben, ein super Produkt herzustellen. Nur ein Wasser mit Geschmack ist zu dünn. 

Von Binge-Drinking zu alkoholfrei also?

Es gab vorher noch nicht die richtigen alkoholfreien Alternativen. Man möchte beim Feiern vielleicht nicht nur Säfte bestellen. Die Verfügbarkeit jetzt führt zum Wachstum am Markt. Wir haben unser erstes Produkt vor zwei Jahren gelauncht. Unsere Vision ist, dass der alkoholfreie Sektor irgendwann zehn Prozent des Portfolios von Bacardi ausmacht. Das ist also kein Hobby, das hat Potential. Bei Bier hat es auch zehn Jahre gedauert, bis die alkoholfreien Varianten eine relevante Größe im Markt hatten. 

Welche Rolle will so ein großes Unternehmen wie Bacardi da einnehmen? Viele Startups sind bereits mit alkoholfreien Weinen und Spirituosen am Markt vertreten.

Wir haben den Anspruch immer die Nummer eins zu sein. In Sachen alkoholfreie Aperitife sind wir das auch in Deutschland. Es werden Startups und andere Wettbewerber kommen, was zu mehr Aufklärung führen wird, sodass die Kategorie alkoholfrei mehr wachsen wird. 

Welche Umstellung habt ihr im Unternehmen machen müssen, um sowohl Produkte mit Alkohol als auch ohne Alkohol produzieren zu können?

Es ist für unser Unternehmen tatsächlich keine große Disruption. Wir sprechen weiterhin die gleichen Konsument:innen an, die an besonderen Momenten teilhaben wollen. Die Produktion ist komplizierter, weil Alkohol nachträglich entzogen werden muss. Marketing und Vertrieb aber sind keine Umstellung. 

Ihr musstet also auch nicht zusätzliche Expertise ins Unternehmen holen? 

Nein. Wir mussten uns aber viel mit Daten und Analysen zu alkoholfreiem Trinken auseinandersetzen und im Unternehmen intern viel Aufklärungsarbeit leisten. Als wir mit der Idee für alkoholfreien Martini kamen, lautete die erste Reaktion:: „Verstehen wir nicht. Erklärt es.“ Auch die Handelspartner:innen mussten wir überzeugen, dass ein Markt dafür da ist. 

Gleiches gilt dann im Hinblick auf die Aufklärung auch für Konsument:innen oder?

Bei der Aufklärung von Konusment:innen spielt die Gastronomie und die Bartender-Empfehlung eine wichtige Rolle. Die Gastro ist ein riesiger Hebel für den Aufbau von Marken und von Trends. Ich würde sogar soweit gehen und sagen, dass die Gastro-Szene in erster Linie Trendsetter ist. Deswegen wollen wir so nah an ihr dran sein. Wir könnten niemals so viel Geld in Media stecken, um allen in Deutschland von unserem Produkt erzählen zu können. Deswegen sind Bars ein wichtiger Touchpoint. 

Wieso ist es für Unternehmen wichtig, den Trend mitzugehen? Sind die Verkaufszahlen von alkoholischen Getränken rückläufig?

Zahlen aus Deutschland zeigen, dass der Verkauf von Spirituosen, Bier und Wein ausgenommen, leicht rückläufig ist. Die Zahl liegt aber bei -1 Prozent. Der Wert der alkoholhaltigen Marken steigt jedoch stetig. Konsument:innen trinken zwar seltener Alkohol, dafür qualitativen. Unser alkoholfreies Produkt ist aber nicht aus irgendeiner Not entstanden und hat auch nichts damit zu tun, dass wir die Marke komplett neu erfinden wollten. Es ist keine Entsagung des alten Geschäftsmodells, sondern vielmehr eine Ergänzung. 

Wie lange habt ihr für die Produktentwicklung gebraucht? 

Das Forschungs- und Entwicklungsteam in Italien in der Zentrale von Martini hat mehrere Monate am Produkt gearbeitet und wir haben etliche verschiedene Varianten probiert, bis der Geschmack für uns perfekt war. Das hat mindestens ein Jahr gedauert.

Wie viel Potenzial birgt der deutsche Markt für alkoholfreie Spirituosen?

Wenn jedes fünfte Bier alkoholfrei ist, dann gilt das auch für die Spirituose, weil sie auch zu sehr ähnlichen Anlässen getrunken wird. 

Was ist der Status Quo: Wie viel Prozent in den Regalen ist bereits alkoholfrei?

Alkoholfreie Alternativen sind total unterrepräsentiert. Da gibt es eine gewisse Ironie. Der Handel fragt konkret nach Innovation, ist aber gleichzeitig nicht bereit, das Risiko einzugehen und neue Produkte gut zu platzieren. Das hat seinen Grund: Gute Plätze sind limitiert. Es gibt in allen alkoholfreien Kategorien Wettbewerber, die im Markt relevant sein wollen. Einige erfolgreich, andere weniger. Ich würde mich darauf konzentrieren, wie viel Prozent in den Regalen in fünf bis sechs Jahren alkoholfrei sein wird und da sage ich 20 Prozent. 

Sind noch weitere alkoholfreie Produkte geplant? 

Momentan konzentrieren wir uns auf Martini alkoholfrei. Wenn wir als Unternehmen weitere Produkte machen, müssen sie hochwertig sein und vor allem auch zur Marke passen. Zu jeder Marke ein alkoholfreies Pendant auf den Markt zu bringen, macht keinen Sinn für uns.

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